Wenn Azubis am Anfang der beruflichen Laufbahn stehen, können alltägliche organisatorische Probleme im Unternehmen dafür sorgen, dass Motivation und Arbeitsleistung schwinden.

Kommen im September Berufsanfänger:innen in die Arztpraxen, gilt es daher, möglichst schnell die Weichen zu stellen für eine gemeinsame berufliche Zukunft. Unter dem alltäglichen Termindruck kann es sonst später schwierig werden, alles im Blick zu behalten. Manch einer bricht seine Ausbildung vielleicht sogar frustriert ab, was auch für die Praxis im laufenden Ausbildungsjahr schwierig werden kann: Ersatz ist oft nur schwer zu finden, Überstunden für andere Mitarbeiter:innen sind quasi vorprogrammiert.

In Deutschland müssen alle Ausbilder:innen für die Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen den Erwerb der berufs- und arbeitspädagogischen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten nach der Ausbildereignungsverordnung (AEVO) nachweisen. Von diesem Erfordernis sind Ärzt:innen in Bezug auf den Ausbildungsberuf der Medizinischen Fachangestellten befreit. Oft können jedoch nicht in jeder Hausarztpraxis im Alltag alle Bereiche optimal abgedeckt werden, die wichtig wären. Das ist z. B. der Fall, wenn wegen Krankheitsausfällen Auszubildende frühzeitig Aufgaben in einem speziellen Bereich fest übernehmen.

Gleichzeitig tut der Blick über den fachlichen Tellerrand der eigenen Praxis auch den Auszubildenden gut, u. a. in Bereichen wie Gastroenterologie, Urologie oder Dermatologie. Aber nur wenige Hausarztpraxen haben dafür die zeitlichen Kapazitäten und die notwendigen Kontakte. Wenn man bestimmte Inhalte vor Ort nicht vermitteln kann oder zusätzliche Facheinblicke wichtig werden, kann dies z. B. durch ausbildungsbegleitende Praktika bei MVZ, Bezirksämtern, Kliniken oder Forschungseinrichtungen erfolgen. Auch die Tatsache, dass immer mehr Veranstaltungen und Kongresse online besucht werden können, erleichtert den Zugang zu Fachinformationen. Wer nach Hospitationsplätzen für Mitarbeiter:innen sucht, dem können z. B. die Ärztekammern der Länder weiterhelfen.

Individuelle Weiterbildung ist eine großartige Möglichkeit, sich gegen größere Einrichtungen abzugrenzen, die u. U. mit finanziellen Verlockungen oder angenehmeren Arbeitszeiten punkten können. Sie tragen dadurch dazu bei, dass eine Praxis für potenzielle künftige Mitarbeiter:innen attraktiver wird (Empfehlungsmanagement).

Delegieren, aber richtig

Im Mittelpunkt des Praxisalltags stehen natürlich die Patient:innen. Das kann es für Praxisinhaber:innen erschweren, die Bedürfnisse und Wissenslücken einzelner Teammitglieder im Blick zu haben. Deswegen macht es Sinn, insbesondere Aufgaben aus dem Ausbildungsbereich an ausgewählte Mitarbeiter:innen zu delegieren, die sich z. B. durch eigenes Weiterbildungsinteresse und eine hohe Sozialkompetenz empfehlen. Wie beim Delegieren anderen Verantwortlichkeiten gilt auch hier: Die eigene Verantwortlichkeit bleibt bestehen, man sollte daher den tatsächlichen Fortschritt der Ausbildung immer im Blick behalten und frühzeitig eingreifen, wenn Probleme auftreten. Außerdem benötigen die dann stellvertretend handelnden Fachkräfte (z. B. angestellte Ärzt:innen) die notwendigen Freiheiten für eine erfolgreiche Umsetzung, v. a. ein festes Zeitkontingent und auch die entsprechende Entscheidungskompetenz.

Sind die denn alle faul?

Spätestens mit dem Berufseinstieg der ersten Vertreter:innen der "Generation Z" (geboren zwischen 1995 und 2010) rückt das Thema Generationenmanagement in der Arztpraxis in den Fokus: Denn die jüngere Beschäftigten-Generation hat gänzlich andere Erwartungen an ihren Berufsalltag und fordert positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie strukturelle Veränderungen der Arbeitswelt ein. Sie ist nicht "einfach nur faul und bequem", sondern hat — auch aufgrund der veränderten demografischen Gegebenheiten — andere Erwartungen an ihre berufliche Zukunft. Man entscheidet sich heute eben nicht mehr für eine Berufslaufbahn, die man dann ein Leben lang verfolgt. Vielmehr gilt es, flexibel zu bleiben und die eigene berufliche Entwicklung aktiv mitzugestalten. Gleichzeitig sind den Zlern, zu denen die meisten Azubis heute gehören, feste Verträge und ein nettes, kollegiales Umfeld wichtiger als ein hohes Gehalt. Dieser Wunsch nach Struktur und Sicherheit wird z. B. damit begründet, dass die "Gen Z" in der schnelllebigen, digitalen Globalisierung groß werden musste und dieser im Alltag entgegensteuern möchte. Diese Generation lässt sich besonders gut durch Aspekte sozialer Unterstützung begeistern. Betriebsklima und sozialer Rückhalt im Team werden z. B. im Schnitt attraktiver bewertet als Angebote der Gesundheitsförderung im Betrieb. Dabei scheint es keine Unterschiede nach Geschlecht oder Bildungsstand zu geben. Es macht also auch aus diesem Grund Sinn, aktiv in den Rückhalt im Praxisteam zu investieren und die Mitarbeiter:innen zu motivieren, sich gegenseitig zu unterstützen.

Neben der eigentlichen Ausbildung gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur persönlichen Qualifikation und individuellen Weiterbildung. Das erweitert die Kompetenzen im Team und trägt auch zur Motivation des Einzelnen bei: Die Tatsache, dass der Arbeitgeber bereit ist, in die Kompetenz seines Teams zu investieren, beweist wie kaum eine andere Maßnahme, dass dieser an einer gemeinsamen beruflichen Zukunft interessiert ist. Spannend sind in diesem Kontext auch Maßnahmen, mit denen die Teammitglieder ihre Methodenkompetenz (Lernen lernen) verbessern. Interne Schulungen zu digitalen Konzepten wie z. B. der Videosprechstunde sind eine gute Möglichkeit, jüngere Mitarbeiter:innen bei der Fortbildung erfahrener Teammitglieder mit ins Boot zu holen. Auch bei eher Marketing-lastigen Themen wie Neukundengewinnung per Social Media haben die "Jungen" einen leichteren Zugang, den man aktiv nutzen sollte. Die Chance, das eigene Wissen an andere (Kolleg:innen) weitergeben zu können, fördert die persönliche Entwicklung und festigt die Beziehung zu Team und Unternehmen. Gleichzeitig ist man "gezwungen", das, was man gelernt hat, auf andere Bereiche zu transferieren, und schult so die eigenen Kommunikationsfähigkeiten – je nach Umsetzung auch seine digitalen Skills (Präsentation, Workshop etc.). Das kann z. B. beim Thema Gesundheits-Apps bzw. DiGA hilfreich werden, denn fast die Hälfte der 18- bis 24-Jährigen (44 %) verfügt über eine App auf ihrem Smartphone bzw. Tablet, um die eigene Gesundheit oder Fitness zu tracken. Sie nutzen die digitalen Helfer beispielsweise, um ihren Schlaf zu analysieren oder das eigene Essverhalten zu überwachen.Für die "Gen Z" spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle. Eine gute Gelegenheit also, die eigenen Abläufe z. B. bei den Verbrauchsmaterialien zu überdenken und z. B. die Recherche nach innovativen Lösungen für die Arztpraxis auch einmal in neue Hände zu legen.

Fallbeispiel:
Massiv ehrverletzende Äußerungen via Facebook (z. B. die Bezeichnung des Ausbildenden als Menschenschinder und Ausbeuter) können zu einer fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung führen. Hier weiterlesen!

Wenn´s nicht klappt

Während der Probezeit haben beide Seiten die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Danach ist das im laufenden Ausbildungsverhältnis so nicht mehr ohne Weiteres möglich. Vielmehr müsste aufseiten des Auszubildenden ein schwerwiegender Kündigungsgrund gegeben sein (schwere Pflichtverletzung). Wenn sich Azubis problematisch verhalten und z. B. vermehrt zu spät kommen oder patzig zu Kolleg:innen sind, gilt es also dringend herauszufinden, welche Ursachen dieses Verhalten tatsächlich hat. Am besten sucht der Ausbilder das direkte Gespräch, im besten Fall erzählt der bzw. die Betroffene selbst, was das eigentliche Problem ist. Vielleicht überlagern private Schwierigkeiten den Arbeitsalltag und es gibt Möglichkeiten, zu helfen? Oder die individuellen Anforderungen an die Auszubildende sind zu hoch und diese traut sich nicht, das zuzugeben. Sie kann das Arbeitspensum nicht bewältigen und resigniert. Stetige Unterforderung wiederum kann zu Langeweile und Frustration führen. Unter Umständen belasten auch schwelende Konflikte unter den Mitarbeiter:innen das Wir-Gefühl oder es gibt Antipathien gegenüber Vorgesetzten. Werden gemeinsame Lösungen erarbeitet − die Betonung liegt auf gemeinsam — gilt es, das Vereinbarte schriftlich und möglichst detailliert festzuhalten. Ein respektvoller Umgang mit anderen (Kolleg:innen und Patient:innen) gehört für alle zum guten Umgangston. Wenn sich herausstellt, dass das eigentliche Problem mangelnder Respekt gegenüber anderen ist, heißt es zeitnah eingreifen. Scheitern alle Lösungsversuche, stehen verschiedene arbeitsrechtliche Möglichkeiten zur Verfügung (von der Abmahnung bis zur Kündigung nach § 22 Berufsbildungsgesetz). Wenn beide Seiten, Arbeitgeber und Azubi, zum Ergebnis kommen, dass das Fortführen der Ausbildung keinen Sinn macht, ist eine einvernehmliche Auflösung zu bevorzugen.



Literatur:
Ein neuer Azubi - rein in die Praxis! Isabelle Reicherdt, Practica 2021
Arbeitgeberattraktivität aus Sicht der Generation Z: Eine quantitative Befragung zur Bedeutung gesundheitsrelevanter Dimensionen im Betrieb. 2019: www.springermedizin.de/arbeitgeberattraktivitaet-aus-sicht-der-generation-z/16454368
Wirkung einer Unternehmenskultur auf die Mitarbeiterakquise und -bindung als Basis nachhaltigen Erfolgs. 2020: epub.jku.at/download/pdf/5581244?name=Wirkung%20einer%20Unternehmenskultur%20auf%20die%20Mitarbeiterakquise%20und%20-bindung%20als%20Bas
Generationenmanagement in Arzt- und Zahnarztpraxis. F. Kock, Springer Gabler. 2021: link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-29530-1
PwC-Studie 2020: Gen Z is talking – are you listening? www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/gen-z-is-talking-are-you-listening.pdf
Umgang mit schwierigen Azubis. Business Wissen. 2021: https://www.business-wissen.de/artikel/ausbildung-umgang-mit-schwierigen-azubis/


Autorin:
Sabine Mack



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (9) Seite 56-58