Gicht ist lebensgefährlicher, als man landläufig denkt, und betrifft nicht nur jene, die ungesund essen oder zu viel Alkohol trinken. Auch das Vorurteil, wonach die Harnsäure sowieso nicht auf den Zielwert gesenkt werden könne, ist nicht haltbar. Im Gegenteil: "Gicht ist heilbar", sagte Prof. Diego Kyburz, Chefarzt Rheumatologie, Universitätsspital Basel, an der medArt Basel 2020.

Patienten mit Gicht haben im Vergleich zu Patienten ohne Gicht ein deutlich höheres Risiko für Komorbiditäten wie Hypertonie, chronische Nierenerkrankung, Übergewicht, Diabetes, Nierensteine, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und Hirnschlag [1]. Auch die Gesamtmortalität innerhalb von 12 Jahren ist bei Gichtpatienten um 28 % höher, und zwar wegen des erhöhten kardiovaskulären Risikos [2].

Die Gichtinzidenz ist je nach Lebensstil unterschiedlich. Alkoholkonsum beispielsweise kann die Inzidenz erhöhen, wie eine 12 Jahre dauernde, prospektive Studie bei über 47.000 Männern zeigte – und das mengenabhängig und je nach Alkoholsorte verschieden. Ein tägliches Bier beispielsweise erhöht das Risiko um 75 %, Schnaps um 22 %. Bei mehr als zwei Standarddrinks Bier klettert das Risiko auf das 2,5-Fache, bei mehr als zwei Einheiten Schnaps liegt es um 60 % höher als bei Nichttrinkern. Wein dagegen verändert dieses Risiko in jeglicher Menge kaum [3].

Auch bestimmte Lebensmittel erhöhen das Risiko für Gicht. Mit einer Lebensstiländerung, das heißt Gewichtsabnahme, Bewegung und Ernährungsumstellung, kann gemäß Kyburz eine Senkung der Harnsäure von 10 bis 20 % erreicht werden. Reduziert werden sollte dabei der Konsum von Alkohol, vor allem von Bier, von fruktosehaltigen Getränken und von purinreicher Kost wie rotem Fleisch, Innereien, Meeresund Hülsenfrüchten. Gute Proteinquellen, die nicht zu einer Erhöhung der Harnsäureproduktion führen, sind dagegen Milchprodukte, die in der fettreduzierten Variante auch das Gewicht nicht zusätzlich belasten.

Neben den erwähnten Lebensmitteln können auch bestimmte Medikamente eine Hyperurikämie verursachen. Dazu gehören Acetylsalicylsäure, Schleifen- und Thiaziddiuretika, Zytostatika, Ethambutol/Pyrazinamid, Levodopa und Nikotinsäure. Bei Patienten mit Hypertonie kann eine Umstellung auf Medikamente mit zusätzlich harnsäuresenkender Wirkung wie Losartan und Kalziumantagonisten sinnvoll sein. Bei Gichtpatienten ist jedoch in den meisten Fällen zusätzlich eine medikamentöse Therapie notwendig, um die Bildung von Uratkristallen zu verhindern oder diese aufzulösen. Weil die Löslichkeitsgrenze von Natriumurat 360 µmol/l beträgt, liegt der Harnsäurezielwert unter diesem Wert (≤ 360 µmol/l), bei Vorhandensein von Gichttophi bei ≤ 300 µmol/l. Eine erfolgreiche Prophylaxe mit Harnsäurewerten unter der Löslichkeitsgrenze kann weitere Gichtschübe verhindern. Damit sei Gicht heilbar, so Kyburz.

Optionen in der Anfallstherapie

Kommt es zu einem Schub, braucht es zur Linderung in erster Linie ein nicht steroidales Antirheumatikum (NSAR) wie Indometacin, Naproxen oder Diclofenac, in maximaler Dosierung, allenfalls zusammen mit einem Protonenpumpenhemmer, während drei bis fünf Tagen (Abb. 1). Ist das nicht möglich, kann Colchizin in der Dosis von 1 mg sofort und 0,5 mg nach einer Stunde und ab dem zweiten Tag mit 2 × 0,5 mg/Tag verabreicht werden. Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis ab dem zweiten Tag halbiert werden (1 × 0,5 mg). Mögliche Interaktionen mit starken CYP3A4-Hemmern wie Ciclosporin, Erythromycin, Clarithromycin, Azol-Antimykotika und Proteaseinhibitoren wie Nelfinavir, Ritonavir und Saquinavir sind zu beachten. Alternativ kann auch ein Glukokortikosteroid eingesetzt werden, wenn ein NSAR-Einsatz nicht möglich ist. Dieses wird vorzugsweise als Infiltration verabreicht, außer bei Vorliegen einer septischen Arthritis. In diesem Fall beträgt die orale Prednisondosierung 0,5 mg/kg KG/Tag während drei bis fünf Tagen. Das Glukokortikoid soll im Anschluss während sieben bis zehn Tagen ausgeschlichen werden.

Haben Patienten mit häufigen Attacken Kontraindikationen für NSAR, Colchizin und Steroide, sind die Interleukin-1-Blocker Anakinra 100 mg s.c. pro Tag oder Canakinumab (off label) 150 mg s.c. alle drei Monate eine Option.

Womit die Harnsäure senken?

Kommt es zu mehr als zwei Anfällen pro Jahr, Tophi und Nephrolithiasis, soll zwei Wochen nach dem akuten Schub mit einer harnsäuresenkenden Therapie begonnen werden. Parallel dazu kann eine Schubprophylaxe mit Colchizin 0,5 bis 1 mg/Tag erfolgen.

Erste Wahl zur medikamentösen Anfallsprophylaxe bei chronischer Gicht ist gemäß EULAR-Guidelines der purinbasierte Xanthinoxidasehemmer Allopurinol (Abb. 2) [5]. Die Therapie soll gemäß Kyburz mit 100 mg/Tag begonnen und alle zwei bis vier Wochen um 100 mg gesteigert werden, bis zur Zieldosis von 300 mg/Tag. Jedoch erreichen nicht alle Patienten mit dieser Dosierung den Harnsäurezielwert von ≤ 360 µmol/l. Gemäß einer Studie schafften das unter Allopurinol 300 mg/Tag nur gerade 28 % der Patienten. Bei einer Dosis von 600 mg erreichten hingegen 78 % der Patienten dieses Ziel [4]. Es lohne sich demnach, die Dosis von Allopurinol zu erhöhen, wenn das Therapieziel mit einer 300-mg-Dosierung nicht erreicht werden kann und keine Einschränkung der Nierenfunktion vorliege, so Kyburz. Bei Harnsäurespiegeln von > 360 µmol/l soll die Dosis auf maximal 900 mg/Tag gesteigert werden. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz muss die Dosis jedoch angepasst oder eine andere Therapie durchgeführt werden, zum Beispiel mit dem nicht purinbasierten Xanthinoxidasehemmer Febuxostat. Die Initialdosierung beträgt 40 mg/Tag, nach zwei bis vier Wochen kann auf 80 mg gesteigert werden, falls der Harnsäurespiegel > 360 µmol/l liegt. Febuxostat braucht keine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz und Kreatininclearance-(CrCl-)Werten bis 30 ml/min.

Anstelle eines Wechsels kann Allopurinol bei ungenügender Wirkung auch mit einem Urikosurikum kombiniert werden. Einerseits kann der URAT1-(uric acid transporter 1-)Inhibitor Lesinurad in einer Dosis von 200 mg/Tag eine Option sein. Bei Patienten mit leichten bis mäßigen Nierenfunktionsstörungen mit einer CrCl von 30 bis 89 ml/min braucht es keine Dosisanpassung. Bei einer CrCl < 45 ml/min sollte jedoch keine Therapie mit Lesinurad begonnen werden.

Andererseits kann eine Therapie mit Probenecid versucht werden, auch als Monotherapie. Die Initialdosis beträgt 2 × 250 mg/Tag, nach einer Woche soll sie auf 2 × 500 mg/Tag gesteigert werden. Bei Niereninsuffizienz und Nephrolithiasis ist auf diese Therapie zu verzichten.

Fazit
  • Gicht ist eine ernst zu nehmende Erkrankung mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko.
  • Eine Lebensstiländerung ist wichtig, hat aber nur einen begrenzten Effekt.
  • Eine medikamentöse Anfallsprophylaxe ist meist notwendig.
  • Eine korrekte Prophylaxe verhindert Schübe.


Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 17/2020


Literatur
1. Zhu Y et al.: Comorbidities of gout and hyperuricemia in the US general population: NHANES 2007–2008. Am J Med 2012; 125: 679–687.
2. Choi HK et al.: Independent impact of gout on mortality and risk for coronary heart disease. Circulation 2007; 116: 894–900.
3. Choi HK et al.: Alcohol intake and risk of incident gout in men: a prospective study. Lancet 2004; 363: 1277–1281.
4. Reinders MK et al.: A randomised controlled trial on the efficacy and tolerability with dose escalation of allopurinol 300–600 mg/day versus benzbromarone 100–200 mg/day in patients with gout. Ann Rheum Dis 2009; 68: 892–897.
5. Richette P et al.: 2016 updated EULAR evidence-based recommendations for the management of gout. Ann Rheum Dis 2017; 76: 29–42.



Autorin:
Valérie Herzog

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (18) Seite 20-22