Das aus dem Holz des Campherbaumes gewonnene etherische Öl – der Campher – gehört zu den ältesten Arzneimitteln der Menschheit und hat bis heute nichts von seinem therapeutischen Wert verloren. Daran will dieser Beitrag erinnern.

Der Campherbaum (Cinnamomum camphora) ist ein großer, immergrüner Baum und erinnert an unsere Linde. Er kann eine Höhe von 50 m erreichen und ist an den Küstengebieten Ostasiens heimisch. In Südjapan, Südchina und Taiwan wird er kultiviert. Die Camphergewinnung erfolgt seit Jahrtausenden auf die gleiche Weise: Das zerkleinerte Holz wird der Wasserdampfdestillation unterworfen. Arzneibuchkonforme Qualität wird durch zweifache Wasserdampfdestillation und anschließende Sublimation gewonnen. Bedeutendster Campher-Produzent ist heute China. Der so gewonnene D-Campher stellt ein biogenes, festes etherisches Öl dar. Campher bildet farblose oder weiße Kristalle von charakteristischem Geruch und brennend-scharfem, bitterem und kühlendem Geschmack. Um den Unterschied von natürlichem D-Campher zu dem synthetisch gewonnenen racemischen DL-Campher zu verdeutlichen, weisen die aktuellen amtlichen Arzneibücher, z. B. das Europäische Arzneibuch, zwei getrennte Monografien auf. Beide Campher-Arten – der natürliche und der künstliche – besitzen die gleichen pharmakologischen Eigenschaften.

Als Arzneimittel befürwortet

Die Kommission E beim damaligen Bundesgesundheitsamt hielt den natürlichen Campher für so wichtig, dass sie ihn bearbeitet und eine Positiv-Monografie [1] verabschiedet hat. Die Indikationen sind:
  • Muskelrheumatismus (äußere Anwendung)
  • Herzbeschwerden (äußere Anwendung)
  • hypotone Kreislaufregulationsstörungen (innere Anwendung)
  • Katarrhe der Luftwege (innere und äußere Anwendung)

Und als Wirkungen werden aufgezählt:
  • äußere Anwendung (bronchosekretolytisch, hyperämisierend)
  • innere Anwendung (kreislauftonisierend, atemanaleptisch und bronchospasmolytisch)

Die Konzentration bestimmt den Effekt

Campher wird schnell über die Haut und Schleimhäute resorbiert und gelangt über das Blutplasma vor allem ins Fettgewebe. Er passiert die Blut-Hirn-Schranke, die Blut-Milch-Schranke und die Plazenta. In Abhängigkeit von der Konzentration wirkt Campher auf der Haut unterschiedlich: In Konzentrationen von 0,1 bis 0,3 % hemmt Campher die Hautrezeptoren. Deshalb wird er zu Rezepturen verwendet, die lokal analgetisch und anästhetisch wirken. Bei Externa mit über 3 % Campher entsteht eine lokale Reizwirkung auf der Haut. Sie wirkt durchblutungsfördernd (Hyperämie) und löst ein Wärmegefühl aus. In Präparaten, den sogenannten "Rheumasalben" (z. B. Camphoderm®, Tiger Balm® rot), wird Campher in Konzentrationen um 10 % bei arthrotischen Gelenkschmerzen, Hexenschuss, Muskelschmerzen, Bursitis und Neuralgien eingesetzt. Die äußerliche Anwendung von Campherspiritus entwickelt kreislaufanregende Eigenschaften. Deshalb sollten bei bettlägerigen Menschen, die z. B. viel auf dem Rücken liegen, regelmäßig Rücken, Arme und Beine mit Campherspiritus eingerieben werden. Der Campher regt die Hautdurchblutung an und wirkt erfrischend und wohltuend. Häufig ist Campher auch Bestandteil von Husteneinreibungen (z. B. Pulmotin® Salbe, WICK VapoRub® Erkältungssalbe) und Erkältungsbädern (z. B. Pinimenthol® Erkältungsbad, Tetesept Bademedizin EKC-Bad) sowie Rheumabädern (z. B. Rheubalmin® Bad Med). Hier wird neben dem Effekt auf die Haut Campher auch inhaliert. Der Campher löst bei Erkältungskrankheiten die verkrampfte Muskulatur der Bronchien und erleichtert das Lösen und Abhusten des Schleimes sowie die Atmung.

Wichtige Hinweise
Campher und campherhaltige Arzneimittel nicht auf geschädigte Haut, z. B. bei Verbrennungen, auftragen! Bei Säuglingen und Kleinkindern campherhaltige Zubereitungen, z. B. Husteneinreibungen, nicht im Bereich des Gesichts, speziell der Nase, anwenden (Gefahr des Kratschmer-Holmgren-Reflexes). Als Nebenwirkungen sind Kontaktekzeme möglich. Wechselwirkungen sind bis jetzt keine bekannt.

Wirkung auf den Kreislauf

Früher wurde Campher als zentrales Analeptikum, d. h. als Anregungsmittel für Herz und Atmung bei Kollaps, Herzkrankheiten, Pneumonie und akuter Kreislaufschwäche sehr geschätzt. Heute hat er diese Bedeutung verloren! Trotzdem greift Campher bei oraler Anwendung an verschiedenen Teilen des Stammhirns an. Dadurch entfaltet er eine erregende Wirkung auf das Kreislauf- und Atemzentrum, was zu kreislauftonisierenden, atemanaleptischen und bronchospasmolytischen Effekten führt. Eine 2,5-prozentige Lösung von D-Campher in Ethanol in Kombination mit einem Weißdornextrakt (Korodin® Herz-Kreislauf-Tropfen) führte in mehreren klinischen Studien zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden bei hypotonen bzw. orthostatischen Kreislaufregulationsstörungen. Durch das Phytopharmakon kam es zu einem signifikanten Anstieg des Blutdrucks. Hervorzuheben ist dabei der schnelle Wirkungseintritt. Hinzu kommt, dass der kreislauftonisierende Effekt des Camphers auch bei längerer Anwendung nicht nachlässt. Bei hypotonen Kreislaufbeschwerden nimmt man 10 Tropfen des Präparates auf einem Stück Zucker (Diabetiker:innen auf Brot) ein. Heute ist das Phytopharmakon als pflanzliche "Notfalltropfen" beliebt: bei Schwäche, kreislaufbedingtem Schwindel und drohendem Kollaps. Außerdem sind campherhaltige Kapseln (Korovit® Kreislauf-Kapseln) zur Unterstützung der Herz-Kreislauf-Funktion im Handel. Die orthostatische Hypotonie wird im höheren Lebensalter für Stürze von Senioren, aber auch für eine erhöhte Mortalität im Alter verantwortlich gemacht. Auch hier kann die Einnahme eines Campher-Präparates den Kreislauf von Senioren stabilisieren.

Das homöopathische Mittel Camphora

Das homöopathische Mittel Camphora wird bei leichten Ohnmachtsanfällen mit Luftnot, Angst und schwachem Puls eingesetzt. Außerdem hat es sich bei krampfartigen Bauchschmerzen mit Durchfall und Schwäche, bei Schnupfen und Grippe im Anfangsstadium mit Niesen und Frieren bewährt. Schon Samuel Hahnemann (1755 bis 1843) lobt den Campher, als er schreibt: "Wie wäre es möglich, dass der Kampfer in den schleichenden Nervenfiebern mit verminderter Körperwärme, verminderter Empfindung und gesunkenen Kräften, so aufnehmende Dienste leisten könnte, … wenn der Kampfer nicht in seiner ersten Wirkung gerade einen solchen Zustand erzeugte …" [2].|


Literatur:
1) Schilcher, H.: Leitfaden Phytotherapie, Elsevier Urban & Fischer München 2016
2) Madaus, G.: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 1, Georg Olms Verlag Hildesheim, New York 1979


Autor:

Ernst-Albert Meyer

Fachapotheker für Offizin-Pharmazie und Medizin-Journalist
31840 Hessisch Oldendorf

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (2) Seite 34-35