Mitten in der Ostsee, unweit der dänischen Insel Bornholm, liegen die kleinen Inselchen Christiansø und Frederiksø nahe beieinander und mit einer Hängebrücke verbunden. Zusammen werden sie Ertholmene genannt, zu Deutsch Erbeninseln. Die Inseln haben nicht nur eine interessante Geschichte, sondern auch einen ganz eigenen Tagesrhythmus, und die besondere Natur bietet eine Atmosphäre, die zum Ausspannen geradezu einlädt, meint unser Reiseautor Ulrich Uhlmann.

Wer hatte schon Ende des 19. Jahrhunderts eine solch spannungsgeladene Firmenanschrift in einer Anzeige zum Salzheringe-Direktverkauf: "auf der Insel im alten Gigschuppen, südlich der Kanonenbootschuppen, Nr. 32". Das war nur möglich auf den Erbseninseln. Etwa 20 Kilometer nordöstlich Bornholms sind die Inselchen auf der Landkarte zu finden, wenn sie groß genug ist – eine winzige dänische Inselgruppe, auf der die Zeit stehen geblieben scheint.

Mit dem Postschiff kommt man an

Fahrplangenau macht sich von Gudhjem auf Bornholm bei Wind und Wetter das kleine, altgediente Postschiff "Peter" auf den Weg, um Briefe und Zeitungen, Lebensmittel und Getränke, mitunter auch Möbel und andere Fracht zu den Erbseninseln zu schaukeln – ebenso wie in der Saison die Fähre "Ertholm".

Malerisch aus dem Meer tauchen sie dann nach einstündiger Fahrt auf und sind mit einem Blick zu erfassen: Christiansø, die Hauptinsel – gerade mal 700 Meter lang, etwas mehr als 400 Meter breit und bis zu 22 Meter hoch –, und dicht daneben Frederiksø – von ungefähr halber Größe. Verbunden durch eine schmale, vielleicht 50 Schritt lange Brücke, haben sie noch heute ihr kriegerisches Aussehen der Vergangenheit bewahrt. Granitene Festungsmauern, Kanonenbasteien, wehrhafte Türme und Soldatenunterkünfte begrüßen die Besucher:innen, wenn das Postschiff die Mole anfährt.

Historische Festungsanlage

Wenn man von Bord geht und die Inseln betritt, befindet man sich im Hafen zwischen Christiansø und Frederiksø. Von hier aus bietet es sich an, den Rundweg um Christiansø im oder gegen den Uhrzeigersinn abzulaufen. Denn Autos gibt es hier nicht, wozu auch? Je nachdem, wie viel Zeit man sich zum Wandern lässt, ist die Strecke leicht in einer Stunde zu bewältigen. Beim Inselrundgang wundert man sich anfänglich über die großen Wasserbecken in den Felsen. So wird auf den Inseln das Trinkwasser aufgefangen und gespeichert. Erst 2008 wurde bei Bohrungen unter Christiansø Grundwasser entdeckt.

Am interessantesten sind auf den Erbseninseln sicherlich die beiden Türme Store Tårn inkl. Leuchtturm auf Christiansø und Lille Tårn auf Frederiksø. Im Letzteren ist heute ein Museum untergebracht. Dazu kann man auf Frederiksø das ehemalige Gefängnis mit den original erhaltenen Zellen besichtigen.

Erster Flottenstützpunkt der Welt

Die Erbseninseln, einst unbewohnt, mit ihrem Naturhafen wurden von der Kopenhagener Admiralität 1684 zum ersten Flottenstützpunkt der Welt ausgebaut, da sie im Gegensatz zu Bornholm bei allen Wetterverhältnissen von Schiffen angelaufen werden konnten. Sie waren Reparatur- und Versorgungsbasis der dänischen Flotte und bestanden während der Schwedenkriege (1709–1720) und des Englandkrieges (um 1808) als Zuflucht für Kriegs- und Kaperschiffe ihre Feuertaufe.

Hinter schwedischen Gardinen

Doch so recht angenehm war das Leben für die bis zu 400 Mann der Festungsbesatzung damals wohl doch nicht auf den winzigen Eilanden, trotz eigener Brauerei und 15 Monaten Buttervorrat, wie es in einem zeitgenössischen Kommandantenbericht heißt. 1809, in einer warmen Sommernacht, probten die Marinesoldaten, meist deutscher Abstammung, den Aufstand. Die Offiziere wurden eingelocht, die Magazine geplündert, und ab ging es mit zwei Schiffen und reichlich Alkohol vom Regen in die Traufe – wortwörtlich hinter schwedische Gardinen und dann in Schwedens Kriegsdienste. Übrigens wurde Christiansø im Zweiten Weltkrieg 1940 von der deutschen Wehrmacht besetzt und von einem Unteroffizier und ganzen drei Soldaten "verteidigt".

Am "Ende der Welt"

Gehen der Tagesbesucher:innen heute durch die engen Gassen zwischen den Offiziershäusern und Soldatenkasernen, zwischen Hafenbatterien und alten Speichern auf die knapp einstündige Entdeckungsreise rund um die Inseln, dann glauben sie sich in vergangene Jahrhunderte zurückversetzt, wären da nicht fußballspielende Kinder auf dem alten Exerzierplatz, von der Festungsbesatzung einst "Ende der Welt" genannt, oder mit modernen Gerätschaften hantierende Handwerker. Um die 100 Einwohner:innen leben heute auf Christiansø und dem benachbarten Frederiksø – viele davon Verwaltungsangestellte und Handwerker, die mit dem Erhalt der denkmalgeschützten Festung beschäftigt sind.

Und wer da denkt, dass das Leben auf den kleinen Inseln in unserer modernen Zeit nicht lebenswert sei, den könnte ein viel beschäftigter Mann eines Besseren belehren: Sören Thiim Andersen – Hafenmeister, Standesbeamter, Bürgermeister und Polizist auf Ertholmene in einer Person. Der 38-jährige Administrator der Inseln – ziviler Verwalter im Dienste des dänischen Verteidigungsministeriums – würde von der örtlichen Schule berichten, von den abendlichen, gemütlichen Treffs im Gasthof, von der Bibliothek und vom Skatverein, aber auch von den jährlich bis zu 80.000 Inselbesucher:innen aus Dänemark, Deutschland, Schweden und dem Baltikum, die immer wieder Abwechslung in den Alltag auf den Erbseninseln bringen.

Unterkünfte sind rar

Tagestourist:innen und Urlauber:innen erfreuen sich an der historischen Detailfülle, die Christiansø zu etwas ganz Besonderem macht. Dabei ist es gar nicht so einfach, in der Hauptsaison eine Unterkunft auf Christiansø zu bekommen. Die einzigen offiziell zu buchenden Zimmer bietet der Christiansø Kro an – sechs an der Zahl. Möchte man in den Genuss eines dieser raren Objekte kommen, muss man schon mal ein Jahr im Voraus buchen. Eine Alternative bietet der kleine Campingplatz da nur bedingt, da auch er nur sehr limitiert Platz und zudem natürlich kaum Luxus bietet.

Übernachten im Knast

Eine weitere sehr spezielle Alternative bietet das ehemalige Gefängnis der Festung Fængslet Ballonen. Neben den begehbaren historischen Gefängniszellen wurden hier fünf Zellen mit je zwei Betten für Übernachtungen der besonderen Art hergerichtet.

Weitere Reiseinformationen findet man unter bornholm-ferien.de und bornholm.info.



Autor
Ulrich Uhlmann

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (7) Seite 76-78