Die Synkope ist ein häufiges Phänomen und kann harmlose, aber auch lebensbedrohliche Ursachen haben. Die Unsicherheit in der diagnostischen Abklärung erfordert ein standardisiertes Vorgehen. Für die Allgemeinmedizin sind von besonderer Bedeutung die Basisdiagnostik, die Differenzialdiagnostik und die Risikoeinschätzung bezüglich möglicher lebensbedrohlicher Ursachen, insbesondere Herzrhythmusstörungen.

Ärzt:innen tun sich häufig schwer und fühlen sich unsicher mit der Abklärung einer Synkope. Dies hat vor allem zwei Gründe: Zum einen liegt das Problem (d. h. die Synkope) zum Untersuchungszeitpunkt nicht mehr vor, was einen diagnostischen "Indizienprozess" erfordert. Zum anderen gibt es vielfältige Synkopenursachen.

Bedrohliche Ursachen (d. h. drohender plötzlicher Herztod) dürfen nicht übersehen werden, harmlose Ursachen sollten keiner Überdiagnostik unterworfen werden. Die Kunst liegt also darin, Sicherheit für die Patient:in mit Effizienz in der Diagnostik zu kombinieren.

Bei ca. 1 % aller Vorstellungen in einer Notaufnahme ist der Grund eine Synkope. Ca. jeder zweite Mensch erleidet in seinem Leben eine Synkope [1 – 3]. Die Prognose der Synkopen variiert je nach Ursache. Die 1-Jahres-Mortalität beträgt für Synkopen bei unzureichend behandelter kardialer Grunderkrankung 20 – 30 %, ohne kardiale Grunderkrankung 0 – 10 %. Bei Synkopen ungeklärter Ursache liegt sie zwischen 5 und 10 %, am ehesten bedingt durch diagnostisch nicht erkannte Rhythmusstörungen [3].

Die European Society of Cardiology (ESC) hat 2018 eine aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Synkopen publiziert [1 – 4]. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie hat einen Kommentar zur ESC-Leitlinie und eine Übersetzung der Pocket-Leitlinie veröffentlicht [5, 6], zusätzlich liegt ein Manual zur Diagnostik und Therapie von Synkopen vor [7].

Definition

Eine Synkope wird definiert als plötzlicher oder rasch einsetzender, spontan reversibler Bewusstseins- und Tonusverlust infolge zerebraler Minderperfusion. Pathogenetisch können Synkopen differenziert werden in inadäquate Vasodilatation und unzureichende kardiale Auswurfleistung. Die inadäquate Vasodilatation kennzeichnet – fakultativ begleitet von Bradykardie – die autonom-nerval vermittelten vasovagalen Synkopenformen (Reflexsynkopen). Unzureichende Auswurfleistung infolge mechanischer Obstruktion oder bradykarder bzw. tachykarder Rhythmusstörungen kennzeichnet die Synkopen bei kardialer Grunderkrankung. Inadäquater venöser Rückfluss und/oder Störungen des autonomen Nervensystems sind Mechanismen der orthostatischen Hypotonie als Synkopenursache. Die verschiedenen Synkopenursachen sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Initiale Abklärung und Risikostratifizierung

Eine ausführliche, standardisierte Erhebung einer Anamnese und Fremdanamnese, vorzugsweise mittels Checkliste zu Auslösesituation, Auffälligkeiten zu Beginn, während und nach der Synkope sowie zu Vorerkrankungen, ist unabdingbar [3, 7]. Eine gezielte (Fremd-)Anamnese bietet unverzichtbare Hinweise auf die Synkopenursache sowie einen ebenfalls unabdingbaren Ausschluss nichtsynkopaler Ursachen eines transienten Bewusstseinsverlustes (TLOC, transient loss of consciousness), wie Epilepsie, psychogene Pseudosynkope, Hypoxämie, Hyperventilation mit Hypokapnie, Hypoglykämie, Subclavian-Steal-Syndrom, vertebrobasiläre TIA u. a. (vgl. Tabelle 2). Kurze, asymmetrische Krämpfe (motorische Entäußerungen) sind bei Synkopen infolge der passageren zerebralen Hypoxie nicht ungewöhnlich und sollten nicht als Epilepsie fehlgedeutet werden.

Die initiale Abklärung umfasst das Erheben der Anamnese und Fremdanamnese, die Durchführung der körperlichen Untersuchung, Blutdruckmessung im Liegen und im Stehen bei jeder Patient:in sowie ein 12-Kanal-EKG. Hierdurch lassen sich drei Grundkonstellationen (Diagnostik-Trias) unterscheiden:
  • Unmittelbare Klärung der Synkopenursache ("sichere Diagnose")
  • Unklare Ursache, aber Hochrisiko-Konstellation für plötzlichen Herztod
  • Unklare Ursache, keine Hochrisiko-Konstellation, Erarbeiten einer Verdachtsdiagnose mit entsprechender weiterer Diagnostik

Lässt sich die Synkopenursache nicht zeitnah klären, wird nach Kriterien einer Hochrisiko-Konstellation für plötzlichen Herztod gesucht. Hierbei werden die körperliche Untersuchung, der EKG-Befund, das synkopale Ereignis selbst und die Vorgeschichte berücksichtigt (vgl. Tabelle 3). Fehlen Hochrisiko-Hinweise, sollte zur weiteren (ambulanten oder stationären) Abklärung eine Verdachtsdiagnose generiert werden. Entsprechende diagnostische Tests werden angeschlossen (vgl. Abb. 1) [1, 6].

Diagnostische Tests

Die Indikation zur Kipptischuntersuchung (KTU) besteht bei Patient:innen mit vermuteter Reflexsynkope, orthostatischer Hypotonie (OH), postural orthostatic tachycardia syndrome (POTS) oder psychogener Pseudosynkope [1]. Eine pathologische KTU mit entsprechender Symptomatik (Synkope oder Präsynkope) gilt als für die jeweilige Konstellation (Reflexsynkope, OH) zuverlässig diagnostisch wertbar.

Bei ungeklärter Synkopengenese oder kardiogener Synkopenursache kann die Kipptischuntersuchung ebenfalls pathologisch sein und fälschlicherweise eine Reflexsynkope als Ursache suggerieren (begrenzter positiver prädiktiver Wert). In diesen Konstellationen legt eine pathologische KTU lediglich eine allgemeine Hypotonie-Neigung nahe, die eine begleitende Rolle unabhängig von der Ätiologie und dem Mechanismus der Synkope spielen kann [1, 8]. Umgekehrt schließt eine negative KTU eine Reflexsynkopen-Genese nicht aus (begrenzter negativer prädiktiver Wert). Ein negatives KTU-Resultat sollte bei klinischer Vermutung einer Reflexgenese und Lebensalter > 40 Jahre als Indikation für einen implantierbaren Loop-Rekorder (ILR) gesehen werden. Hierdurch können allfällige spontane kardioinhibitorische Reflexkomponenten entdeckt werden.

Die Carotissinusmassage CSM wird empfohlen bei Patient:innen über 40 Jahre mit "ungeklärter Synkope vereinbar mit einem Reflexmechanismus" [1]. Eine Carotissinus-Hypersensitivität (CSH, definiert als Asystolie > 3 sec und/oder Blutdruckabfall > 50 mmHg) kann allerdings ein unspezifisches Ergebnis bei Patient:innen mit ungeklärter Synkope sein aufgrund der geringen Spezifität der CSM. Nur bei anamnestisch eindeutiger Reizung des Carotissinus bei der spontanen Synkope (z. B. Kopfdrehung oder –anheben bei beengender Kleidung, Rasur) kann die Diagnose eines Carotissinussyndroms gestellt werden mit der Konsequenz einer Schrittmacherimplantation bei dominierender kardioinhibitorischer Form. Die CSM sollte also vergleichbar der KTU als Bestätigungstest einer begründeten klinischen Verdachtsdiagnose angesehen werden, nicht als Suchtest bei ungeklärter Synkope.

Ein oder mehrere Langzeit-EKGs sind keine geeignete Diagnostik zur Abklärung arrhythmogener Synkopen, außer bei mehr als einer Synkope pro Woche [1].

Als wichtigstes diagnostisches Instrument zum Nachweis oder zum Ausschluss arrhythmogener Synkopen gilt der implantierbare Loop-Rekorder (ILR)[1]. Indikationen sind rezidivierende, ungeklärte Synkopen ohne Hochrisiko-Kriterien sowie Hochrisiko-Kriterien bei Patient:innen, bei denen eine ausführliche Diagnostik kein Ergebnis erbrachte und die keine übliche primärpräventive ICD-Indikation haben [1]. Patient:innen mit vermuteten oder gesicherten Reflexsynkopen und häufigen oder schweren synkopalen Ereignissen haben ebenfalls eine ILR-Indikation zur Klärung einer eventuellen Schrittmacherversorgung [1].

Die transthorakale Echokardiographie (UKG) ist indiziert zur Diagnostik und Risikostratifizierung bei vermuteter struktureller Herzerkrankung . Dies bedeutet, dass ein UKG nicht zur unabdingbaren Basisdiagnostik in der Synkopenabklärung gehört.

Die Ergometrie ist indiziert bei Auftreten von Synkopen während (eher kardiale Ursache) oder unmittelbar nach (eher Reflexursache) Belastung. Sie gehört nicht zur unabdingbaren Basisdiagnostik in der Synkopenabklärung [1].

Die Indikationsstellung zur Koronarangiographie ist identisch zu handhaben wie bei Patient:innen ohne Synkope. Die Synkope per se indiziert keine Koronarangiographie [1].

Eine elektrophysiologische Untersuchung (EPU) ist selten indiziert in der Synkopendiagnostik, z. B. nach abgelaufenem Myokardinfarkt oder anderen Ursachen einer Myokardnarbe, wenn mit nichtinvasiven diagnostischen Maßnahmen keine Klärung erbracht wurde [1].

Eine neurologische Untersuchung ist nicht Bestandteil der Basisdiagnostik von Synkopenpatient:innen. Sie ist indiziert bei Synkope infolge orthostatischer Hypotonie (OH) bei autonomer Dysfunktion zur Klärung der Grunderkrankung sowie bei TLOC mit vermuteter Epilepsie als Ursache. EEG, Duplexsonographie der Halsgefäße, Schädel-CT oder –MRT sind nicht indiziert in der Synkopenabklärung, außer bei klaren neurologischen Auffälligkeiten. Hier findet im Alltag eine häufige, nichtindizierte Überdiagnostik statt [1, 7].

Allgemeine Prinzipien der Therapie von Synkopen

Die Therapie von Synkopen umfasst die Behandlung einer auslösenden Grunderkrankung sowie die Vermeidung von Synkopenrezidiven. Basierend auf der diagnostischen Abklärung und den spezifischen auslösenden Mechanismen ergeben sich therapeutische Handlungsoptionen (vgl. Abb. 2).

Zu spezifischen Therapieoptionen der unterschiedlichen Synkopenformen s. entsprechende Literatur [1 – 7].

ESSENTIALS – Wichtig für die Sprechstunde
  • Synkopen lassen sich einteilen in Reflexsynkopen, orthostatische Synkopen und kardiale Synkopen.
  • Zur Basisdiagnostik gehören Anamnese mit Fremdanamnese, körperliche Untersuchung, RR-Messung und EKG.
  • In die Risikobewertung gehen die Untersuchung, das EKG, das synkopale Ereignis und die Vorgeschichte ein.


Literatur
1. Brignole M, Moya A, de Lange FJ, Deharo J-C, Elliott PM, Fanciulli A et al 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope Eur Heart J 2018; 39: 1883-1948
2. Brignole M, Moya A, de Lange FJ, Deharo J-C, Elliott PM, Fanciulli A et al 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope - Supplementary Data Eur Heart J 2018; doi:10.1093/eurheartj/ehy037
3. Brignole M, Moya A, de Lange FJ, Deharo J-C, Elliott PM, Fanciulli A et al Practical Instructions for the 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope Eur Heart J 2018; 39: e43-e80
4. Brignole M, Moya A, de Lange FJ, Deharo J-C, Elliott PM, Fanciulli A et al 2018 Pocket Guidelines for the diagnosis and management of syncope https://www.escardio.org/Guidelines/Clinical-Practice-Guidelines/Guidelines-derivative-products/ESC-Mobile-Pocket-Guidelines
5. von Scheidt W, Bosch R, Klingenheben T, Schuchert A, Stellbrink C, Stockburger M (2019) Kommentar zu den Leitlinien (2018) der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnostik und Therapie von Synkopen Kardiologe https://doi.org/10.1007/s12181-019-0317-2
6. von Scheidt W, Bosch R, Klingenheben T, Schuchert A, Stellbrink C, Stockburger M (2019) DGK Pocketleitlinie Synkope www.dgk.org/Leitlinien
7. von Scheidt W, Bosch R, Klingenheben T, Schuchert A, Stellbrink C, Stockburger M (2019) Manual zur Diagnostik und Therapie von Synkopen Kardiologe https://doi.org/10.1007/s12181-019-0319-0
8. Sutton R, Brignole M Twenty-eight years of research permit reinterpretation of tilt-testing: hypotensive susceptibility rather than diagnosis Eur Heart J 2014; 35: 2211-2212


Autoren

Prof. Dr. Wolfgang von Scheidt

I. Medizinische Klinik
Universitätsklinikum Augsburg, Herzzentrum Augsburg-Schwaben
86156 Augsburg

Priv.-Doz. Dr. Ralph Bosch
Cardio Centrum Ludwigsburg-Bietigheim 71634 Ludwigsburg

Prof. Dr. Thomas Klingenheben
Praxis für Kardiologie Bonn und ambulante Herzkatheter-Kooperation Bonn
53127 Bonn

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (7) Seite 24-28