Eigentlich hätte das elektronische Rezept zum 1. Januar 2022 Einzug in den Praxisalltag halten sollen. Doch daraus wird erst einmal nichts. Denn noch vor dem Jahreswechsel hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Start abgesagt und auf später verschoben. Ärztevertreter:innen zeigten sich zufrieden über diese Entscheidung, hatten sie doch ein Chaos in den Praxen zu Jahresbeginn befürchtet.

Das BMG begründete seinen Entschluss damit, dass die Voraussetzungen für eine sichere flächendeckende Einführung des eRezepts zum Jahresbeginn noch nicht gegeben seien. Insbesondere wurden erhebliche Bedenken geäußert, ob angesichts des noch laufenden Feldtests der gematik und nicht hinreichender Erprobung der gesamten Prozesskette eine fehlerfreie Ausstellung, Übermittlung, Annahme und Abrechnung von elektronischen Rezepten ab dem 1. Januar 2022 möglich sein werden. Die Testphase, die bereits seit Oktober 2021 läuft, soll nun erst einmal weitergehen – bis wann, steht derzeit noch nicht fest.

Zu wenige Tests

Tatsächlich waren die bisherigen Tests in der Region Berlin-Brandenburg wenig aussagekräftig gewesen. Statt der geplanten rund 1.000 eRezepte, die in der Testphase nicht nur ausgestellt, sondern auch korrekt abgerechnet werden sollten, waren es bis Anfang Dezember gerade einmal 42 eRezepte, meldete die Bundesärztekammer (BÄK). Zudem konnte weder die Anzahl der teilnehmenden Systeme in den Arzt- und Zahnarztpraxen beziehungsweise Apotheken noch die Anzahl der teilnehmenden Krankenkassen im Test erreicht werden. Dass das nicht als realistischer Test gewertet werden kann, hat dann wohl auch das BMG einsehen müssen und die Notbremse gezogen.

Warnungen erhört

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte schon frühzeitig davor gewarnt, dass ein bundesweiter Roll-out des eRezepts nicht funktionieren werde und auf eine Übergangslösung gedrängt. Sie sieht sich nun in ihrem Urteil bestätigt. Und auch der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt zeigte sich erleichtert: "Es ist gut, dass das Bundesgesundheitsministerium die Warnungen der Leistungserbringerorganisationen in der gematik ernst nimmt und vor dem bundesweiten Roll-out des eRezepts zunächst die Testphase fortsetzen und ausweiten will."

Das eRezept verändere bestehende, eingespielte Arbeitsabläufe in Praxen und Kliniken. Ärztinnen und Ärzte würden dies nur akzeptieren können, wenn die neuen Prozesse sicher, störungsfrei und zügig ablaufen, so Reinhardt. Dafür seien intensive und flächendeckende Tests in einer dauerhaft betriebenen Pilotregion notwendig. Zudem müsse die Beendigung der erfolgreichen Testung an transparente Qualitätskriterien geknüpft werden, die jeder Anbieter zu erfüllen hat.

Digitale Anwendungen müssen praxistauglich und sicher sein

Die Ärzteschaft unterstütze jedoch ausdrücklich die Einführung des eRezepts und werde sich kon-
struktiv in die weiteren Tests einbringen, so Reinhardt. Gemeinsames Ziel müsse es sein, digitale Anwendungen in der Versorgung zu etablieren, die praxistauglich sind, die die Sicherheit der Patient:innen gewährleisten und einen echten Mehrwert in der Versorgung bieten.

Noch kein neues Startdatum

Vonseiten der gematik hieß es, man begleite und unterstütze die Testphase weiterhin intensiv in Abstimmung mit allen beteiligten Akteuren. Ab Januar würden die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) laufend Updates zum Ausstattungsgrad der Apotheken, Praxen und Krankenhäuser geben. Die gematik will ihre Gesellschafter und die Öffentlichkeit "transparent" zum aktuellen Stand der Einführung informieren.

Wie geht es jetzt weiter?

Einen neuen Zeitplan gab es Anfang Januar 2022 noch nicht. Vertreter:innen des BMG betonten aber, dass nun alle Gesellschafter der gematik gemeinsam mit dem BMG darauf hinwirken müssten, dass die erforderlichen Rahmenbedingungen schnellstmöglich geschaffen werden. Maßstab für den flächendeckenden Roll-out sei die technische Verfügbarkeit, gemessen an den bereits festgelegten Qualitätskriterien. Bis dahin solle der kontrollierte Test- und Pilotbetrieb schrittweise fortgesetzt und ausgeweitet werden.

Für Ärzt:innen ändert sich mit dem vorläufigen Aussetzen des eRezepts zunächst einmal nichts. Denn auch bei einer Einführung des eRezepts zum 1. Januar 2022 war schon eine sechsmonatige Übergangsfrist vorgesehen, während der das analoge Muster 16 weiterhin verwendet werden kann.



Autor
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (2) Seite 24-25