Erst Karriere machen, dann Kinder kriegen. Für viele Frauen ist eine Lebensplanung in dieser Reihenfolge inzwischen Realität. Um die Chance aufs Kind in späteren Jahren aber nicht doch noch zu verpassen, entscheiden sich Singles oder Paare heute für das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen. Über das Für und Wider von Social Freezing.

Als Social Freezing wird das Einfrieren von Eizellen (Kryokonservierung von Oozyten) mit dem Ziel einer späteren Nutzung bezeichnet, wenn also der Eizellenvorrat in den Eierstöcken bereits zur Neige gegangen ist. Die Bildung der Eizellen erfolgt bereits in den Eierstöcken des ungeborenen Feten und hat etwa in der 22. Schwangerschaftswoche mit etwa 7 Millionen ihren höchsten Stand. Von da an werden keine neuen Eizellen mehr gebildet, im Gegenteil: Es verringert sich deren Anzahl beständig, so dass zur Geburt nur noch ein bis zwei Millionen davon in den Eierstöcken eines neugeborenen Mädchens und nur noch etwa 400.000 Eizellen zu Beginn der ersten Regelblutungen (Menarche) bestehen. Diese 400.000 Eizellen werden bis zur Menopause (Ende der Regelblutungen im Leben einer Frau) bis auf einen Bestand von null zurückgehen. Dabei beginnen im natürlichen Ablauf etwa 1.000 Eizellen das Wachstum, um am Ende eine Eizelle durch den Eisprung freizusetzen, damit deren Befruchtung ermöglicht wird. Der weit überwiegende Teil der Eizellen geht in diesem natürlichen Selektionsprozess zu Grunde.

Höheres Lebensalter, häufigere Fehlgeburten

Nicht nur die Anzahl der Eizellen nimmt im Leben einer Frau ab, sondern auch deren Funktionsfähigkeit. Mit zunehmendem Lebensalter treten immer mehr Fehlverteilungen von Chromosomen in den Eizellen auf, als deren Folge immer häufiger Fehlgeburten und das Ausbleiben einer Schwangerschaft zu beklagen sind. Da mit zunehmendem Lebensalter eine Abnahme funktionsfähiger Eizellen einhergeht, liegt die Schlussfolgerung nahe, solche Zellen in relativ jungen Jahren einzufrieren und zu einem späteren Zeitpunkt aufzutauen und zu verwenden, wenn die Eierstöcke keine vitalen und funktionsfähigen Eizellen mehr zur Verfügung stellen können.

Kind oder Karriere?

Die moderne Lebensweise mit allen Möglichkeiten, aber auch mit der häufigen Verpflichtung für Frauen, einen eigenen hochqualifizierten beruflichen Lebensweg einzuschlagen, hat zu einer dramatischen Verschiebung der Familienbildung in den wirtschaftlich hoch entwickelten Gesellschaften geführt. War es in früheren Generationen für eine Frau noch üblich, mit Anfang 20 das erste und mit Anfang 30 das letzte Kind zu gebären, beginnen heutzutage viele Frauen erst mit Mitte und Ende 30, manche sogar erst mit Anfang 40 die Familienbildung – dann aufgrund des Alters und des damit verbundenen Verlusts an Eizellenanzahl und -funktion nicht immer erfolgreich.

Ausgehend von den USA verbreitete sich das Konzept, Eizellen zu einem günstigen Zeitpunkt einzufrieren, um auch in späteren Jahren die Familienbildung noch erfolgreich gestalten zu können. Dieses Konzept wird landläufig als Social Freezing bezeichnet – im Gegensatz zu einer medizinisch indizierten Kryokonservierung von Eizellen etwa bei einer Krebserkrankung oder bei rheumatologischen oder autoimmun verursachten Erkrankungen, deren Behandlung mit anti-neoplastisch wirksamen Therapeutika als unerwünschte Wirkung auch die vorzeitige Zerstörung der Eizellen zur Folge hat.

Durch eine Behandlung mit Selbstinjektion von Hormonen über einen Zeitraum von zehn bis zwölf Tagen werden Eizellen in einer größeren Anzahl – im Allgemeinen etwa 15 Eizellen – zur Reifung gebracht und durch eine Punktion in einer Kurznarkose durch die Scheide aus dem Körper abgesaugt. Unter dem Mikroskop werden sie dann identifiziert und in einem speziell für Eizellen entwickelten Verfahren in speziellen Halmen (Abb. 1) tiefgefroren und in mit flüssigem Stickstoff gefüllten Tankbehältern (Abb. 2) bei - 200 °C bis zum Zeitpunkt der weiteren Verwendung aufbewahrt. Wird eine Schwangerschaft angestrebt, können diese Eizellen aufgetaut, mit dem Sperma eines dann bereitstehenden Partners oder einer gespendeten Samenprobe befruchtet und in die Gebärmutter der Frau übertragen werden. Im Idealfall tritt danach eine Schwangerschaft ein, die mit der glücklichen Geburt eines gesunden Kindes endet.

Erfolgsfaktoren und Risiken

Die Aussichten auf einen erfolgreichen Ausgang des Social Freezing mit späterem Eintritt einer Schwangerschaft und Geburt eines gesunden Kindes hängen wesentlich von der Anzahl der kryokonservierten Eizellen und dem Alter der Frau zum Zeitpunkt der Kryokonservierung ab. Die Chance einer Eizelle, zur Geburt eines gesunden Kindes zu führen, beträgt lediglich etwa 6 %. Im Umkehrschluss heißt dies, dass statistisch etwa 16 bis 17 Eizellen für ein gesundes Kind benötigt werden. Diese Zahl ist ein statistischer Mittelwert und variiert abhängig vom Alter der Frau zum Zeitpunkt der Kryokonservierung.

Eine 25-Jährige hat bezogen auf eine Eizelle eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines gesunden Kindes als eine Frau mit
38 Jahren. Dementsprechend sollte eine 38-Jährige auch eine höhere Anzahl an Eizellen kryokonservieren lassen. Wichtig ist dabei, dass es durch die Entnahme von Eizellen nicht zu einer Verminderung des Eizellenvorrats kommt. Es werden nur solche Eizellen entnommen, die im Rahmen des natürlichen Selektionsprozesses zugrunde gegangen wären. Gleichwohl sind diese Eizellen fähig, nach Befruchtung und Übertragung in die Gebärmutter ein gesundes Kind hervorzubringen.

Die Hormonbehandlung zur Reifung der Eizellen geht mit dem Risiko eines sogenannten Überstimulationssyndroms einher, bei dem es zu einer überschießenden Vergrößerung der Eierstöcke und schweren, auch lebensbedrohlichen Komplikationen im Wasserhaushalt des Körpers kommen kann. Eine schwere Form dieses Syndroms tritt in etwa einer von 200 Stimulationsbehandlungen auf. Zudem können durch die transvaginale Punktion der Eizellen Blutungen oder Infektionen im Bauchraum mit einer Frequenz von einer auf 10.000 Eizellenentnahmen ausgelöst werden.

Der finanzielle Aufwand des Social Freezing setzt sich aus den Kosten für Hormone (etwa 1.500 €), die medizinische Behandlung (je nach Institution etwa 1.500 bis 3.000 €) und die Lagerung (ca. 300 – 400 €/Jahr) zusammen. Bei der späteren Verwendung und Befruchtung der Eizellen fallen weitere Kosten an (meist etwa 1.500 – 2.500 €). Dies sind beträchtliche Beträge, die nicht jede Frau ohne Weiteres aufbringen kann. Weder gesetzliche noch private Krankenkassen beteiligen sich daran, jedoch gibt es auch in Deutschland vereinzelte Arbeitgeber:innen, die ihren Angestellten die Kosten des Social Freezing teilweise oder ganz erstatten. In den USA ist ein solcher Gesundheitsbonus deutlich weiter verbreitet.

Gesellschaftskritik versus Selbstbestimmung

Ein wesentlicher Kritikpunkt am Social Freezing liegt in der Möglichkeit, den Zeitpunkt einer Geburt immer weiter nach hinten zu verschieben. Schon heute treten Geburten jenseits des 45. oder auch 50. Lebensjahrs durch Techniken wie Eizellen- und Embryonenspende immer häufiger auf. Kritiker wenden ein, dass es seinen Sinn habe, wenn die Natur die Fruchtbarkeit der meisten Frauen mit Anfang bis Mitte 40 enden lässt. In der Tat sind Schwangerschaften jenseits des 45. und noch mehr des 50. Lebensjahres mit deutlich mehr Schwangerschaftskomplikationen, z. B. Schwangerschaftsdiabetes, schwangerschaftsassoziierte Hochdruckerkrankungen, Mangelentwicklung des Kindes, Plazentationsstörungen, erhöhter Kaiserschnittrate und überstarken, für die Mutter lebensbedrohlichen Blutungen nach der Geburt, belastet.

Weitere Skepsis zielt darauf ab, dass durch die Verfügbarkeit dieser Techniken Frauen veranlasst würden, ihre persönliche Familienplanung den betrieblichen Bedürfnissen ihrer Arbeitgeber:in zu unterwerfen.

Im natürlichen Leben ist es nicht vorgesehen, dass Eizellen aus dem Körper entnommen und einer Kry. Fallokonservierung und nachfolgenden extrakorporalen Befruchtung zugeführt werden. Wir wissen, dass epigenetische Einflüsse (Regulation der Aktivität unserer Erbsubstanz) auf diese Eizellen einwirken und eventuell im späteren Leben krankheitsverursachende Abweichungen bei so geborenen Kindern hervorrufen können. Denn nach extrakorporaler Befruchtung geborene Nachkommen haben schon im Kindesalter einen etwas höheren Blutdruck als Kinder nach natürlicher Zeugung. Was dies für das spätere Leben im Alter von 40, 50 oder mehr Jahren z. B. bezüglich des Auftretens von Herzinfarkten oder Schlaganfällen bedeutet, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzbar.

Als großer Vorteil des Social Freezing wird die Selbstbestimmung der Frau gesehen, ihre weitgehend autonome Wahl des Zeitpunkts der Familienbildung und die Befreiung von dem Zeitdruck, endlich damit beginnen zu müssen, obwohl es noch keinen geeigneten Partner gibt und/oder die berufliche Lebensplanung dem im Wege steht. Zudem eröffnet es Frauen, die relativ spät jenseits des 40. Lebensjahres das erste Kind auf natürlichem Wege empfangen haben, die Option, eventuell weitere Kinder und eine größere Familie zu haben. Dies hat auch eine bedeutende gesellschaftliche Dimension. Das Social Freezing birgt Risiken und bietet Chancen. Frauen, die es in Anspruch nehmen wollen, müssen diese abwägen und dann eine individuelle Entscheidung treffen.

ESSENTIALS - Wichtig für die Sprechstunde
  • Für ein gesundes Kind werden etwa 16 bis 17 Eizellen (ca. 6 % Chance pro Eizelle) benötigt.
  • Die Hormonbehandlung birgt Risiken (Überstimulationssyndrom, Komplikationen bei der Punktion).
  • Als Vorteil wird die Selbstbestimmung der Frau gesehen.



Autor

Dr. med. Matthias Bloechle

Kinderwunsch an der Gedächtniskirche
10789 Berlin
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (8) Seite 44-46