In diesem Sommer war die Sächsische Schweiz aufgrund von Waldbränden vielleicht öfter in den Nachrichten, als den Tourismusverbänden dort lieb ist. Doch der einzige Felsennationalpark Deutschlands mit seiner malerisch zerklüfteten, kreidezeitlichen Erosionslandschaft des Elbsandsteingebirges bleibt ein faszinierendes Reiseziel und ein Eldorado für Wanderer und Spaziergänger. Unsere Reiseautorin Dr. Renate Scheiper hat es ausprobiert.

Wie komme ich am schnellsten auf die Bastei?, frage ich in Bad Rathen im Hotel "Amselgrundschlösschen" an der Rezeption. "Gleich rechts gegenüber der Haustür die Treppe rauf!", sagt die nette junge Dame. Ich halte es eher für einen Witz, trete aus der Haustür und – ein paar Schritte weiter locken tatsächlich zunächst etwa 20 Stufen. Dann folgt ein idyllischer Waldweg mit bequemen Holzstufen in weitem Abstand. Schon bald ragen rechts als Vorboten des Elbsandsteingebirges zwei steile Felstürme in den Himmel und unter uralten Bäumen mit krummen, spinnenartigen Wurzeln ein Schild: Nationalpark Sächsische Schweiz. Hier bin ich also richtig.

Über eine Brücke musst du gehen

Nach etwa 500 Stufen und einem Abstecher zwischen bizarren Felsen hindurch mein erster Blick senkrecht hinunter auf den großen Bogen, den die Elbe bei dem idyllischen Örtchen Rathen macht. In der Ferne erhebt sich aus unendlichem Grün die gewaltige Festung Königstein. Ich bin hingerissen von diesem Blick. Zwar ist das Wetter nicht perfekt. Doch das macht nichts. Weiter geht es aufwärts Stufe um Stufe. Immer wieder bieten sich grandiose Blicke auf Elbe und die zauberhafte Landschaft. Endlich durch zwei gewaltige Felsen hindurch das ersehnte Ziel: die Bastei! Eine 1851 waghalsig über Felsköpfen erbaute steinerne Brücke, die über eine tiefe, von unendlich vielen bizarren Sandsteinfelsen starrende Schlucht zur anderen Seite hinüber führt. Die Kopie eines Gemäldes von Caspar David Friedrich ist hier befestigt, das er 1822/23 aus dieser Perspektive angefertigt hatte. Unzählbar sind die von Wind und Wetter in den weichen Sandstein gegerbten Felsformationen. Auf der Brücke stehend, wird mir klar, weshalb die beiden Schweizer Künstler Adrian Zingg und Anton Graff, die im 18. Jahrhundert in Dresden arbeiteten, der Region den Namen "Sächsische Schweiz" gegeben hatten. Und dabei blieb es. Der Rückweg führt über die gruseligen Schwedenlöcher zurück zum gemütlichen Amselgrundschlösschen.

Eine feste Burg

Bad Rathen besteht aus zwei Teilen, die mit einer vom frühen Morgen bis Mitternacht emsig hin- und hergleitenden, vom Elbstrom bewegten Gierfähre verbunden sind. Die Bahnstation ist auf der anderen Seite. Von dort fahre ich in den nahen Ort Königstein an der Elbe und mit einem Pendelbus hinauf zur gewaltigen Festung Königstein. Sie thront auf einem hohen Sandsteinmassiv, hatte mich schon von der Bastei aus beeindruckt. Ein großer Personenaufzug bringt die Besucher:innen hinauf auf das riesige Areal der seit dem 13. Jahrhundert komplett ummauerten Festungsanlage. Nie wurde sie eingenommen. Gebäude aus allen Jahrhunderten und ein großer Park mit gewaltigen Bäumen lohnen fast einen ganztägigen Aufenthalt.

Nicht nur militärische Anlagen sind zu besuchen. Auch herrschaftliche Bauten der Kurfürsten und vor allem Augusts des Starken erzählen von deren feudalem Leben. Begeisterung löst bei der Führung im Proviantmagazin das riesengroße Weinfass von 1680 aus, das 223.500 Liter fasste für höfische Feste. Die Befüllung dauerte 14 Tage. Es lohnt aber auch die Umrundung der Anlage entlang der schwindelerregend steil abfallenden Mauern und Felsen hinab auf die große Elbschleife – immer wieder mit anderem, atemberaubendem Blick. Spannend für Alt und Jung ist im großen Hauptgebäude die neue, fantastische Dauerausstellung "In Lapide Regis" (Auf dem Stein des Königs) zu 800 Jahre Leben auf der Festung. Man kann zum Beispiel August den Starken, den berühmten sächsischen Kurfürsten, virtuell auf eine Waage setzen und staunen über sein Gewicht oder ausprobieren, welche Speisen und Getränke er mag und welche nicht. Auch die Kopien einiger Gemälde des italienischen Malers Canaletto sind vertreten, dessen 300. Geburtstag in diesem Jahr 2022 gefeiert wird. Wir werden ihm in Pirna wieder begegnen.

Mit dem Schaufelraddampfer auf der Elbe

Kontrastprogramm ist die nostalgische Fahrt mit dem Schaufelraddampfer von Königstein elbaufwärts vorbei an idyllischen Dörfern wieder zurück nach Rathen. Ein Ruhetag mit herrlichen Spaziergängen durch die üppige Natur in und um den kleinen Ort lässt Kraft schöpfen für einen Besuch der Gräfin Cosel auf Burg Stolpen – zunächst wieder per Gierfähre hinüber zur anderen Seite des Ortes. Allein die kurze, gemächliche "Treibfahrt" über die Elbe mit Blick auf Rathen, die steilen Felsen der Sächsischen Schweiz und auf die berühmte Basteibrücke ist jedes Mal wieder ein Erlebnis. Am anderen Ufer sind es nur wenige Schritte bis zur Bahn, wo im Stundentakt Züge in beide Richtungen Dresden und Tschechien fahren.

Auch Burg Stolpen thront hoch über den Häusern des Ortes und einem weiten, grünen Umland. Oben überraschen fantastische Basaltformationen, auf denen die Burg erbaut wurde. Wegen dieser geologischen Besonderheit in dieser Region sind sie als "Geologisches Naturdenkmal Stolpener Basalt" eingeordnet und weltbekannt. Großartig ist auch von hier der weite Blick über das Land. Der jedoch interessierte Gräfin Cosel überhaupt nicht – im Gegenteil. Wie das? Als schöne und kapriziöse Mätresse Augusts des Starken war sie offiziell akzeptiert – zu seiner Linken. Doch sie wollte den Platz seiner Gattin, also zu seiner Rechten. Ihre trotzigen Allüren wurden dem Kurfürsten zu viel. Kurzerhand verbannte August sie auf Burg Stolpen. Strengstens bewacht durfte sie die Burg bis zu ihrem Tod – 49 lange Jahre – nicht mehr verlassen. Bei einer Führung mit dem Wissenschaftler Jens Gaitzsch taucht man gebannt ein in die spannend-tragische Geschichte der Zeit vor 300 Jahren und kann einen Blick werfen in die Gemächer der Gräfin im hohen Turm.

Nach einem weiteren wundervollen Tag im und um den Kurort Rathen geht es mit der S-Bahn ins nahe Pirna. Die hübsche Kleinstadt an der Elbe faszinierte im 18. Jahrhundert den berühmten Vedutenmaler Canaletto aus Venedig so sehr, dass er allein 11 Stadtansichten von Pirna malte; die berühmteste ist die vom Marktplatz. Es ist faszinierend, wie sehr der Marktplatz heute mit seinen schönen, alten Giebelhäusern dem vor 250 Jahren gleicht.

Reise-Informationen: Sächsische Schweiz
  • Tourismusverband Sächsische Schweiz e.V. Pirna (www.saechsische-schweiz.de).
  • Unterkunft: Hotel Amselgrundschlösschen in Bad Rathen (www.sachsenhotels.de).
  • Literatur: Empfehlenswert ist das reich bebilderte Taschenbuch von Jens Gaitzsch "Gräfin Cosel. 49 Jahre Gefangene auf Burg Stolpen"; Reisetaschenbuch Dumont "Dresden & Sächsische Schweiz" 18,95 €.
  • Reisetipp: In Königstein lohnt ein Gang durch die kleine Anlage des Bibelpflanzgartens.
  • Zum 300. Geburtstag Canalettos in diesem Jahr (2022) fanden und finden zahlreiche Veranstaltungen statt.



Autorin
Dr. Renate V. Scheiper

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (10) Seite 76-78