Bei einem erhöhten TSH-Wert hängt das weitere Vorgehen vom Ausmaß der Erhöhung, von individuellen Faktoren der betroffenen Patient:innen (z. B. Alter, Patientenwunsch) und bestehenden Symptomen ab. Man unterscheidet zwischen diskret erhöhten Werten (zwischen 4 und 10 mU/l), einer latenten Hypothyreose mit oder ohne Symptome und einer manifesten Hypothyreose.

Die Bestimmung des TSH-Wertes erfolgt im hausärztlichen Bereich in der Regel dann, wenn Patient:innen über Symptome klagen, die einen Hinweis auf eine gestörte Schilddrüsenfunktion geben. Dies ist auch folgerichtig. Evidente Untersuchungen über die Sinnhaftigkeit eines Screenings auf Funktionsstörungen der Schilddrüse bei symptomfreien Menschen, beispielsweise im Rahmen sogenannter "Manager-Check-up-Untersuchungen", habe ich bei meiner Recherche nicht gefunden.

Wann ist ein TSH-Wert erhöht?

In der DEGAM-S2k-Leitlinie "Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis" wird ein TSH-Wert > 4 mU/l als erhöht definiert. Dabei ist zu beachten, dass bestimmte Faktoren einen Einfluss auf diesen Wert haben (Tabelle 1). Diese Faktoren sind bei der Beurteilung der TSH-Werte, insbesondere, wenn Fremdbefunde vorliegen oder wenn Patient:innen zu Kontrolluntersuchungen – beispielsweise nach Neueinstellungen/Umstellungen – kommen, zu berücksichtigen.

Prozedere bei diskret erhöhten Werten und beschwerdefreien Patient:innen

Wurde bei einer symptomfreien Patient:in mit unauffälliger Anamnese und unauffälliger körperlicher Untersuchung eine diskrete TSH-Erhöhung (TSH-Wert > 4 mU/l bis 10 mU/l) gemessen, sollte – unter Würdigung der in Tabelle 1 aufgeführten Einflussfaktoren – eine Kontrolle durchgeführt werden. Zeigt diese ebenfalls einen erhöhten Wert, erfolgt eine Bestimmung von fT4. Damit wird zwischen einer latenten und einer manifesten Hypothyreose unterschieden.

Liegt nun eine latente Hypothyreose bei beschwerdefreien Patient:innen vor, kann der TSH-Wert nach sechs bis zwölf Monaten erneut kontrolliert werden. Entwickelt die Patient:in Symptome einer Hypothyreose selbstverständlich auch früher, denn es besteht ein Risiko von 2 – 6 %, dass Patient:innen mit einer latenten innerhalb eines Jahres eine manifeste Hypothyreose entwickeln. Die weiteren Kontrollintervalle sollten gemeinsam mit dem Patienten besprochen werden.

Tabelle 1: Was beeinflusst den TSH-Wert?
  • Zeitpunkt der Blutentnahme (zirkadiane Rhythmik)
  • Nahrungsaufnahme
  • Medikamente (z. B. Kortison, Heparin, Östrogene, Amiodaron, Lithium)
  • Lebensalter
  • Body Mass Index (BMI)
  • Schwere Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Anorexia nervosa)

Inwieweit Patient:innen mit einer latenten Hypothyreose eine Substitution erhalten sollen, wird kontrovers diskutiert. Eine ausreichende Evidenz hierzu gibt es nicht, es gibt allerdings Patient:innen, die von einer geringen Dosis, z. B. 25 μg L-Thyroxin, profitieren. Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie sollte auch hier partizipativ getroffen werden. Wird eine Therapie eingeleitet, so ist eine Kontrolle des TSH-Wertes frühestens nach acht Wochen sinnvoll. Sobald die Dosis etabliert ist, sind regelmäßige Kontrollen nach sechs bis zwölf Monaten ausreichend.

Latente Hypothyreose, TSH-Wert > 10 mU/l

Liegt eine ausgeprägte latente Hypothyreose mit einem TSH-Wert > 10 mU/l vor und liegt das Patientenalter unter 65 – 70 Jahren, sollte L-Thyroxin substituiert werden. Bei älteren Patient:innen empfiehlt es sich, in eine Therapieentscheidung drei Faktoren einfließen zu lassen: die geschilderten Beschwerden, das kardiovaskuläre Risiko und den Patientenwunsch. Die empfohlene Dosis bei latenter Hypothyreose ist von der Europäischen Schilddrüsengesellschaft eher hoch angesetzt. Es gibt jedoch Veröffentlichungen, die zeigen, dass bereits geringe Dosen von 25 – 75 μg L-Thyroxin ausreichend sind und zu einer Normalisierung des TSH-Spiegels führen.

Prozedere bei Patienten mit erhöhten Werten und Symptomen

Liegt eine manifeste Hypothyreose vor, so besteht eine Indikation, mit L-Thyroxin zu substituieren. Die Patient:innen sollen das Präparat morgens nüchtern, mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück, oder abends vor dem Schlafengehen, mindestens zwei Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme, mit Wasser einnehmen, da Nahrungsmittel, wie z. B. Milch und Milchprodukte, die Aufnahme beeinträchtigen können.

Initial sollten gesunde Patient:innen, die jünger als 60 Jahre sind, 1,6 µg/kg Körpergewicht L-Thyroxin erhalten. Hier kann die volle Dosis der Ersatzmedikation sofort gegeben werden.

Bei Patient:innen > 60 Jahre, insbesondere mit kardiovaskulären Vorerkrankungen oder Multimorbidität, empfiehlt es sich, mit einer geringen Dosis, z. B. 25 μg L-Thyroxin, zu beginnen, um dann im Abstand von sechs Wochen in Schritten von 25 μg L-Thyroxin zu steigern, bis ein euthyreoter Zustand erreicht ist. Hier gilt der Grundsatz: Starte niedrig und steigere langsam, um Nebenwirkungen, wie beispielsweise Angina pectoris oder Herzrhythmusstörungen, zu vermeiden.

Da der TSH-Wert nach Initiierung respektive Änderung der Dosis acht bis zwölf Wochen benötigt, um sich auf einen konstanten Wert einzustellen, ist auch hier eine Kontrolle frühestens nach acht Wochen sinnvoll. Nach etablierter Dosis werden regelmäßige Kontrollen nach sechs Monaten, im Verlauf nach zwölf Monaten empfohlen. Bei diesen Kontrollen sollte kritisch geprüft werden, ob die Medikation einen Benefit für die Patient:in bringt. In einer großen Kohortenstudie wurde gezeigt, dass die Gefahr der Übertherapie mit L-Thyroxin gerade bei unseren hochbetagten Patient:innen (älter als 85 Jahre) besteht.

ESSENTIALS - Wichtig für die Sprechstunde
  • Ein TSH-Wert > 4 mU/l gilt als erhöht, zwischen 4 und 10 mU/l spricht man von diskreter Erhöhung.
  • Eine latente Hypothyreose liegt vor bei Werten > 10 mU/l, aber normalem fT4.
  • Bei manifester Hypothyreose sollte substituiert werden.



Autor

Dr. med. Armin Wunder

Facharzt für Allgemeinmedizin
Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität
60590 Frankfurt/Main

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (12) Seite 32-33