Angesichts der Diagnose Krebs fühlen sich viele Patient:innen ausgeliefert und hilflos – die Krankheit verändert das Leben häufig radikal. Die Betroffenen müssen jede Menge Arztbesuche, Untersuchungen und Tests über sich ergehen lassen und dann natürlich auch die Therapie. Nach dem ersten Schock kommt häufig der Wunsch, selbst etwas gegen die Erkrankung tun zu wollen, und neben Bewegung und Sport stellt die Ernährung eine sehr gute Option dar, die Therapie positiv zu unterstützen und die Lebensqualität möglichst lange und gut zu erhalten.

Leider ist es jedoch für Patient:innen sehr schwierig, an wissenschaftlich gesicherte und valide Informationen zu kommen, die Flut an pseudowissenschaftlichen Quellen über die unterschiedlichen Medien ist extrem groß. Dabei stoßen die Patient:innen häufig auf zweifelhafte oder gar gefährliche Ratschläge, teilweise wird die Hilflosigkeit sogar ausgenutzt und es werden teure alternative Behandlungen oder Nahrungsergänzungsmittel angeboten.

Die größte Gefahr, die die angebotenen Krebsdiäten für Patienten mit sich bringen, sind einseitige Ernährungsweisen, die die Entstehung eines Nährstoffmangels oder einer Mangelernährung begünstigen. Dabei ist es grundsätzlich sehr positiv, wenn Patient:innen sich mit ihrer Ernährung, auch im Rahmen der Therapie, auseinandersetzen. Es wäre definitiv der falsche Weg, grundsätzlich von einer Diät abzuraten. Vielmehr gilt es, die Betroffenen gut aufzuklären, eine Ernährungsberatung durchzuführen – bestenfalls in Zusammenarbeit mit einer onkologisch geschulten Ernährungsfachkraft – und gemeinsam mit dem Patienten eine geeignete Ernährungsform und geeignete Lebensmittelauswahl zu finden.

Um Krebsdiäten zu beurteilen, muss man folgende Fragen stellen: Wird der Energiebedarf über diese Ernährungsform gedeckt? Ist der Bedarf an essenziellen Nährstoffen gedeckt? Sind Nährstoffe im Übermaß vorhanden? Eignet sich die Ernährungsform als Dauerkost? Wird eine Heilung versprochen? Hat die Patient:in Vorteile durch die Diät, wie eine Verbesserung des Ernährungszustandes, der Lebensqualität oder Senkung der Mortalität und Morbidität? Im Folgenden sehen Sie einen Überblick über populäre Krebsdiäten und deren Bewertung [1].

1. Grape-Kur nach Brand: Die Theorie hinter dieser Diät ist, dass Krebs durch Verstopfung hervorgerufen wird. Patient:innen sollen zwei Wochen lang nur Trauben und Wasser zu sich nehmen und sich in der Zeit danach vegetarisch ernähren. Durch diese Ernährungsform wird der Bedarf an zahlreichen essenziellen Nährstoffen nicht gedeckt, sie ist für Patient:innen absolut ungeeignet.

2. Krebskur total nach Breuss: Angeblich wird Krebs durch Blutarmut infolge von chronischem Druck verursacht und Krebs lebt von festen Speisen. Patient:innen sollen daher für 42 Tage nur Gemüsesaft und Tee konsumieren. Diese Ernährung stellt eine sehr große Gefahr für Mangelernährung dar und ist ebenfalls absolut ungeeignet.

3. Öl-Eiweiß-Kost nach Budwig: Diese Diät enthält viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren und hochwertiges Protein, verboten sind Fleisch, Wurst und hochverarbeitete Lebensmittel. Damit ist die Ernährung für onkologische Patient:innen geeignet, allerdings wird auch hier die Diät alleine die Tumorerkrankung nicht heilen können.

4. Instinctotherapie nach Burger: In dieser Ernährungsform sollen die Patient:innen nach Geruch und Geschmack selbst entscheiden, was sie essen wollen, es sind nur rohe Lebensmittel erlaubt inklusive roher Eier und rohem Fleisch. Eine solche Ernährung birgt neben der Gefahr einer Mangelernährung zusätzlich ein sehr hohes Risiko für Infektionen und ist daher absolut ungeeignet.

5. Rote-Bete-Kur nach Seeger: Hinter dieser Diät steht die Theorie, dass die Inhaltsstoffe der Roten Bete (Betanin und Betanidin) die gestörte Zellatmung der Tumorzellen reaktivieren sollen. Daher sollen Patient:innen ihr Leben lang täglich 1 – 2 kg Rote Bete (ggf. ersetzt durch Rote-Bete-Saft) zu sich nehmen. Wissenschaftliche Beweise für diese Theorie gibt es nicht, außerdem kann die Diät auch aufgrund der problematisch hohen Nitratbelastung nicht empfohlen werden.

6. Therapie nach Dr. Coy: Empfohlen wird eine fettreiche und kohlenhydratarme Ernährung. Dr. Coy macht ein TKTL1-Gen für die Gärung in Tumorzellen verantwortlich, welches durch die Ernährung ausgeschaltet werden soll. Diese Theorie konnte nicht bestätigt werden und die angebotenen Nahrungsergänzungsmittel sind sehr teuer. Daher ist diese Diät ebenfalls nicht zu empfehlen.

Neben den schon länger bekannten Krebsdiäten sind aktuell nachgefragte Krebsdiäten die ketogene Ernährung und das Fasten, die nun etwas genauer betrachtet werden sollen.

Ketogene Ernährung

Grundlage der ketogenen Diät ist, dass Tumorzellen auf die Verstoffwechselung von Glukose spezialisiert sind, das hat der Forscher und Nobelpreisträger Otto Warburg bereits vor fast 100 Jahren entdeckt [2]. Dabei verläuft die Energiegewinnung über anaerobe Glykolyse, wodurch Tumorzellen einen sehr hohen Glukoseverbrauch haben. Neben der Energiegewinnung wird die Glukose auch für die Produktion von Zellbausteinen (u.a. Ribosen) genutzt und die entstehende Milchsäure schädigt das umgebende Gewebe und schafft dadurch dem Tumor mehr Platz für sein Wachstum, mithilfe der Milchsäure schützen sich Tumorzellen außerdem vor dem Immunsystem.

Bei der Einhaltung der ketogenen Ernährung wird weitestgehend auf Kohlenhydrate verzichtet. Das bedeutet für Patient:innen einen Verzicht auf Lebensmittel wie Brot, Gebäck, Pasta, Zucker, Mais, Reis, Früchte, süße Getränke und jede Art von Süßigkeiten, Hülsenfrüchte sind nur in kleinen Mengen erlaubt. Die fehlenden Kohlenhydrate werden durch mehr Fett kompensiert, konsumiert werden also Lebensmittel wie Fleisch und Wurstwaren, Eier und Milchprodukte, Öle, Gemüse, Nüsse, Samen und Beeren in kleinen Mengen (Abb. 1).

Die Ziele der ketogenen Ernährung sind eine Absenkung des Blutzuckerspiegels, um dem Tumor die Energiequelle zu entziehen. In der Folge soll auch der Insulinspiegel sinken, die Wirkung von Insulin als Wachstumsfaktor ist dadurch reduziert, erhöhte Ketonspiegel sollen das Tumorwachstum hemmen und der Anstieg von freien Fettsäuren liefert dem gesunden Gewebe Energie. In der Theorie klingen all diese Thesen schlüssig und sinnvoll. Jedoch darf man nicht vergessen, dass der Körper über Gluconeogenese auch aus Proteinen Glukose synthetisieren kann. Ein "Aushungern" des Tumors wird folglich auch durch die ketogene Ernährung nicht möglich sein.

In Tierversuchen wurden wachstumshemmende Effekte bei Tumoren gefunden, allerdings haben die Tiere teilweise dramatische Gewichtsverluste erlitten. Nach wie vor ist unklar, ob Tumorzellen grundsätzlich so empfindlich auf den Entzug von Kohlenhydraten oder "Zucker" reagieren, wie es propagiert wird, oder ob Tumorzellen vielleicht sogar in der Lage sind, ihren Stoffwechsel auf die veränderten Bedingungen anzupassen. Es gibt nur wenige Humanstudien, vor allem fehlen große und randomisierte Studien. In keiner Humanstudie konnte bisher eine Rückbildung von Tumoren, eine Verlängerung des Überlebens oder eine Verbesserung des Therapieansprechens belegt werden. Wahrscheinlich eignet sich die ketogene Ernährung als Unterstützung für Standardtherapien. Allerdings darf nicht unterschätzt werden, welche Auswirkungen die Einhaltung einer solch strengen Ernährungsform auf die Lebensqualität hat, und in jedem Fall muss der Ernährungszustand der Patient:innen engmaschig und gut kontrolliert werden, um eine drohende Mangelernährung rechtzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können [3].

Besser und vor allem einfacher einzuhalten als eine strenge ketogene Ernährung ist eine modifizierte Ernährung mit einem erhöhten Anteil an Proteinen und gesunden Fetten und dafür einer Reduktion der Kohlenhydrate.

Fasten während der Chemotherapie

Seit einigen Jahren wird untersucht, welchen Effekt das Fasten während der Chemotherapie auf den Verlauf der Therapie und die Therapienebenwirkungen hat. In Zellkulturuntersuchungen wurde festgestellt, dass Tumorzellen und gesunde Körperzellen unterschiedlich auf den Entzug von Energie reagieren. Während gesunde Zellen evolutionär gut auf den Hungerstoffwechsel vorbereitet sind und durchaus für eine gewisse Zeit auf die Zufuhr von Energie verzichten können, löst das Fasten bei Tumorzellen eine Stressreaktion aus. Dieses Phänomen ist bekannt als Differential Stress Resistance: Nichtmaligne Zellen gehen in einen Schutzmodus, die Gene, die das Wachstum regulieren, werden runterreguliert und die Zellen wachsen langsamer. Tumorzellen reagieren mit Stress: Akt, RAS und andere Onkogene werden hochreguliert. In diesem Stadium sind Tumorzellen besonders angreifbar durch die Chemotherapie, während die gesunden Körperzellen sich im Schutzzustand befinden und dadurch vor den zytotoxischen Effekten der Chemotherapie geschützt sind. Das Fasten führt in den Zellen außerdem dazu, dass die Autophagie hochreguliert wird und entartete Zellen effektiver eliminiert und systemische Wachstumsfaktoren runterreguliert werden [4] (vgl. Abb. 2).

Bisher gibt es nur wenige Humanstudien, in denen der Effekt von Fasten während der Chemotherapie untersucht wurde [5 – 10]. In diesen Studien sollten die Patient:innen durchschnittlich 48h bis 72h begleitend zur Chemotherapie fasten. Die Ergebnisse sind durchaus vielversprechend, das Fasten wurde gut toleriert, es gab weniger Nebenwirkungen wie beispielsweise weniger Kopfschmerzen, Schwächegefühl, Übelkeit, Erbrechen und weniger Gesamtnebenwirkungen, die Tolerabilität der Chemotherapie wurde in einer Studie verbessert. Es wurden positive Effekte auf die Blutwerte beobachtet – eine Reduktion der Wachstumshormone IGF-1 und Insulin, weniger Schädigung bzw. schnellere Erholung der Erythrozyten und Thrombozyten durch die bzw. nach der Chemotherapie. Allerdings hatten die Studien teilweise hohe Dropout-Raten.

Insgesamt muss man sagen, dass es trotz der ersten positiven Ergebnisse in den Fastenstudien noch viel zu wenige Daten aus randomisierten kontrollierten Studien gibt, um eine grundsätzliche Empfehlung aussprechen zu können. Viele Fragen sind noch ungeklärt, beispielsweise, welche Form des Fastens (Buchinger-Fasten, ketogenes Fasten, Intervallfasten, Water only fasting, Saftfasten…) und welche Dauer des Fastens die geeignetste ist. Außerdem ist es essenziell wichtig, den Ernährungszustand der Patient:in engmaschig zu überwachen, um keine Mangelernährung zu riskieren. Eine bereits bestehende Mangelernährung wäre ein Ausschlusskriterium für das Fasten während der Chemotherapie. Fasten darf niemals eine Standardtherapie ersetzen und sollte immer unter medizinischer Überwachung, bestenfalls im Rahmen einer klinischen Studie durchgeführt werden.

Fazit:

Von allen vorgestellten Krebsdiäten geht eine große Gefahr für eine Mangelernährung aus und ca. 20 bis 30% der Tumorpatient:innen sterben nicht am Tumor, sondern an der Mangelernährung oder der Tumorkachexie, daher sollte eine Mangelernährung unbedingt rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Allerdings sollten Krebsdiäten oder andere extreme Ernährungsformen auch nicht grundsätzlich und kategorisch "verboten" werden. Die Folge des Verbots ist häufig, dass die Patient:innen die Diät trotzdem durchführen und es ihren betreuenden Mediziner:innen verschweigen. Wichtig ist, eine gute Vertrauensbasis mit der Patient:in aufzubauen, eine gute Ernährungstherapie in Zusammenarbeit mit geschulten Ernährungsfachkräften durchzuführen und die Patient:innen gut über Nutzen und Gefahren von verschiedenen Ernährungsformen aufzuklären. Man sollte verstehen, welche Motivation die Patient:in hat und ob es eine Chance gibt, die Ernährung zu verbessern, zum Beispiel, indem Einfachzucker reduziert werden oder die Fettsäurezusammensetzung optimiert wird. Als weitere supportive Therapie sollten Patient:innen im Rahmen ihrer körperlichen Möglichkeiten Bewegung und Sport einbauen.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Krebsdiäten bergen eine große Gefahr der Mangelernährung, der Nutzen ist oft nicht belegt.
  • Patient:innen müssen gut aufgeklärt werden über Nutzen und Gefahren von Krebsdiäten.
  • Ein kategorisches Verbot ist aber nicht sinnvoll.


Literatur:
1. H. Bertz und G. Zürcher, Ernährung in der Onkologie. Schattauer, 2014.
2. A. M. Otto, "Warburg effect(s)-a biographical sketch of Otto Warburg and his impacts on tumor metabolism", Cancer Metab., Bd. 4, S. 5, 2016, doi: 10.1186/s40170-016-0145-9.
3. D. D. Weber, S. Aminzadeh-Gohari, J. Tulipan, L. Catalano, R. G. Feichtinger, und B. Kofler, "Ketogenic diet in the treatment of cancer - Where do we stand?", Mol. Metab., Bd. 33, S. 102–121, März 2020, doi: 10.1016/j.molmet.2019.06.026.
4. V. D. Longo und M. P. Mattson, "Fasting: molecular mechanisms and clinical applications", Cell Metab., Bd. 19, Nr. 2, S. 181–192, Feb. 2014, doi: 10.1016/j.cmet.2013.12.008.
5. S. Zorn u. a., "Impact of modified short-term fasting and its combination with a fasting supportive diet during chemotherapy on the incidence and severity of chemotherapy-induced toxicities in cancer patients - a controlled cross-over pilot study", BMC Cancer, Bd. 20, Nr. 1, S. 578, Juni 2020, doi: 10.1186/s12885-020-07041-7.
6. A. Raynor u. a., "Fasten während der Chemotherapie. Aktueller Stand der Forschung.", Ernähr. Umsch., Nr. 66(11), S. M675–M677, Nov. 2019, doi: 10.4455/eu.2019.046.
7. S. P. Bauersfeld u. a., "The effects of short-term fasting on quality of life and tolerance to chemotherapy in patients with breast and ovarian cancer: a randomized cross-over pilot study", BMC Cancer, Bd. 18, Nr. 1, S. 476, Apr. 2018, doi: 10.1186/s12885-018-4353-2.
8. S. de Groot u. a., "The effects of short-term fasting on tolerance to (neo) adjuvant chemotherapy in HER2-negative breast cancer patients: a randomized pilot study", BMC Cancer, Bd. 15, S. 652, Okt. 2015, doi: 10.1186/s12885-015-1663-5.
9. F. M. Safdie u. a., "Fasting and cancer treatment in humans: A case series report", Aging, Bd. 1, Nr. 12, S. 988–1007, Dez. 2009, doi: 10.18632/aging.100114.
10. T. B. Dorff u. a., "Safety and feasibility of fasting in combination with platinum-based chemotherapy", BMC Cancer, Bd. 16, S. 360, Juni 2016, doi: 10.1186/s12885-016-2370-6.


Autorin

© Conny Ehm
Dr. rer. nat. Anna Raynor

Ernährungswissenschaftlerin
Deutsche Akademie für Ernährungsmedizin
79102 Freiburg
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (7) Seite 14-17