Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (HES) treten in ca. 6 bis 8 % aller Schwangerschaften auf und sind entscheidend verantwortlich für Morbidität und Mortalität von Mutter und Kind. Im Vordergrund steht die Präeklampsie (PE), charakterisiert durch Hypertonie und Proteinurie und/oder Organkomplikationen bei 2 bis 5 % aller Schwangerschaften weltweit und bei 2 bis 3 % in Europa. Welche Formen von HES es gibt, wie man sie erkennt und wie der Hausarzt beraten und die weiteren Weichen stellen kann, soll im folgenden Beitrag dargestellt werden.

Mit ca. 16 % stehen die HES in Industrieländern an zweiter Stelle prä- und postnataler maternaler Todesursachen und sind zu 20 bis 25 % an der perinatalen Mortalität beteiligt [4, 6, 11]. Je nach Art und Zeitpunkt der Störung resultiert eine Präeklampsie, eine intrauterine Wachstumsrestriktion oder beides [5, 8].

Innerhalb der Gruppe hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen unterscheidet man (Tabelle 1) [2]:

  • Gestationshypertonie (schwangerschaftsinduzierte Hypertonie)
  • Präeklampsie
  • chronische Hypertonie (präkonzeptionell oder vor der 20. SSW diagnostizierte Hypertonie ≥ 140/90 mmHg)
  • Pfropfpräeklampsie (chronische Hypertonie und neu aufgetretene/sich verschlechternde Proteinurie nach der 20. SSW oder Auftreten klinischer oder laborchemischer Merkmale der schweren Präeklampsie)
  • Eklampsie (im Rahmen einer Präeklampsie auftretende tonisch-klonische Krampfanfälle, die keiner anderen Ursache zugeordnet werden können)
  • HELLP-Syndrom: Hämolyse (H = hemolysis), Leberbeteiligung (EL = elevated liver enzymes), Thrombozytopenie (LP = low platelet count) mit rechtsseitigen Oberbauchschmerzen als klinisches Leitsymptom.

Symptome und Diagnostik

Die Symptome Nierenfunktionseinschränkung, Leberbeteiligung, Lungenödem, hämatologische/neurologische Störungen oder fetale Wachstumsrestriktion (IUGR) weisen auf die Entwicklung einer Präeklampsie hin. Die Kriterien einer schweren Präeklampsie sind in nebenstehendem Kasten aufgeführt.

Der Schweregrad der Proteinurie korreliert nicht mit der Morbidität der Mutter, ist kein Kriterium mehr für die Definition einer schweren Präeklampsie und ist allein kein Entscheidungskriterium zur Schwangerschaftsbeendigung [1, 2, 7, 10].

Bluthochdruck

Ein Blutdruck ≥ 140 mmHg systolisch und/oder ≥ 90 mmHg diastolisch bei zwei Messungen im Abstand von 4 bis 6 Stunden nach der 20. SSW bei einer zuvor normotensiven Schwangeren gilt als klinisches Symptom für eine HES. Bei Verdacht auf "Weißkittel-Hypertonie" (10–15 %) und bei erhöhten Gelegenheitsblutdruckwerten in der Schwangerenvorsorge sollte ein 24-Stunden-Blutdruckmonitoring oder eine Blutdruckselbstmessung zu Hause erfolgen.

Proteinurie

Die Teststreifenanalytik ist integraler Bestandteil der Schwangerenvorsorge. Bei Nachweis von ≥ 1+ muss die Proteinurie quantifiziert werden: Dies kann einerseits im 24-Stunden-Sammelurin erfolgen, als pathologisch gilt eine Proteinausscheidung ≥ 300 mg/24 Stunden. Alternativ kann im Spontanurin die Bestimmung der Protein-Kreatinin-Ratio herangezogen werden: Werte > 30 mg/mmol Protein-Kreatinin-Ratio definieren eine signifikante Proteinurie [2].

Laborparameter

Tabelle 2 fasst die typischen Veränderungen der Laborwerte bei Präeklampsie zusammen.

Risikofaktoren

Vorbestehende kardiovaskuläre, renale oder Autoimmunerkrankungen sowie sekundäre Hypertonieformen sollten bereits präkonzeptionell abgeklärt und die verabreichten Medikamente im Hinblick auf eine geplante Schwangerschaft geprüft werden. Klinisch relevant sind vor allem folgende Risikofaktoren:

  • Antiphospholipid-Syndrom und andere Autoimmunerkrankungen
  • HES/PE in vorangegangener Schwangerschaft
  • Body-Mass-Index > 30
  • vorbestehender Diabetes mellitus
  • familiäre Belastung
  • vorbestehende Nierenerkrankungen
  • Erstparität
  • Alter der Mutter > 40 Jahre
  • Chronische Hypertonie

Prävention

Die derzeit einzig effektive Prävention der Präeklampsie bei Frauen mit Risikofaktoren besteht in einer ab der Frühschwangerschaft (bis spätestens 16. SSW) beginnenden oralen Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) [3]. In Deutschland hat sich inzwischen eine ASS-Dosierung von 100 mg/Tag bis zur 34. SSW etabliert.

Nach der aktuellen Studienlage hat der Einsatz von niedermolekularem Heparin zur Prophylaxe einer Präeklampsie – ebenso wie zur Prophylaxe anderer Schwangerschaftskomplikationen und einer Thrombose – auch bei Patientinnen mit Thrombophilie (ausgenommen Antiphospholipidsyndrom) keinen Nutzen [9].

Ambulante Betreuung

Bei adäquater Kooperation der Schwangeren und ausgeschlossenen manifesten Risiken für Mutter und Kind sowie Gewährleistung wöchentlicher ärztlicher Kontrollen kann eine milde Gestationshypertonie ambulant betreut werden. Hierbei stehen vor allem körperliche Schonung und Stressvermeidung (evtl. Arbeitsunfähigkeit oder individuelles Arbeitsverbot), regelmäßige Messungen des Blutdrucks (mit Führung eines Blutdruckprotokolls), des Körpergewichts und die Kontrolle auf Proteinurie im Vordergrund. Außerdem sollte der Zustand des Fetus überwacht werden (Wachstum, Doppler, CTG, Fruchtwassermenge) [2].

Eine Vorstellung in der Klinik sollte bei folgenden Befunden erfolgen (Abbildung):

  • RR systol. ≥ 150 mmHg bzw. RR diastol. ≥ 100 mmHg (auch ohne Proteinurie)
  • manifeste Präeklampsie
  • Hypertonie/Proteinurie und starke Gewichtszunahme im III. Trim. (≥ 1 kg/Woche)
  • drohende Eklampsie (Prodromalsymptome!)
  • klin. V. a. HELLP-Syndrom (v. a. persistierende Oberbauchschmerzen)
  • Hinweis für fetale Bedrohung (CTG/Doppler, Wachstumsretardierung)
  • milde Hypertonie oder Proteinurie und Risikofaktoren
  • vorbestehende Erkrankung
  • Mehrlingsgravidität
  • frühes Gestationsalter (< 34. SSW)
  • An-/Oligohydramnion
  • schlechte Compliance der Schwangeren

Therapie

Die Einleitung einer medikamentösen antihypertensiven Therapie sollte ausschließlich Aufgabe der Klinik sein, da erst eine stationäre Beobachtung unter kontrollierten Bedingungen die Notwendigkeit einer medikamentösen Blutdrucksenkung ergeben kann. Diese bleibt hinsichtlich der fetalen Entwicklung weiterhin problematisch und sollte daher nicht vor anhaltenden Blutdruckwerten ≥ 150 mmHg systolisch und/oder ≥ 100 mmHg diastolisch, aber spätestens bei Blutdruckwerten von ≥ 160/110 mmHg begonnen werden. Die Zielblutdruckwerte sollten < 150 mmHg systolisch und 80 – 100 mmHg diastolisch betragen [2].

Gelingt es mit Allgemeinmaßnahmen nicht, den Blutdruck < 150/100 mmHg zu halten, muss eine medikamentöse antihypertensive Therapie eingeleitet oder eine vorbestehende Medikation intensiviert bzw. wieder aufgenommen werden. Bei der Wahl des Antihypertensivums sind mögliche Auswirkungen auf die fetale Entwicklung zu berücksichtigen.

Alpha-Methyl-Dopa bleibt in Deutschland das Antihypertensivum der ersten Wahl zur Langzeitanwendung bei Patientinnen mit hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen (Tabelle 3) [2].

Bei Patientinnen mit chronischer Hypertonie empfiehlt sich eine präkonzeptionelle Beratung und Evaluation und ggf. die Umstellung der antihypertensiven Medikation auf für die Schwangerschaft geeignete Präparate. Die Umstellung muss bei diesen Patientinnen dann spätestens mit Eintritt der Schwangerschaft erfolgen.

Antikonvulsive Therapie

Die Behandlung der ersten Wahl zur Prophylaxe sowie Therapie einer Eklampsie besteht in der intravenösen Gabe von Magnesiumsulfat, welches bei der schweren Präeklampsie, insbesondere bei zentralnervösen Symptomen indiziert ist, da mit Magnesiumsulfat eine signifikante Reduktion der Eklampsierate zu erreichen ist.

Betreuung nach der Entbindung

Spätestens nach Abschluss des Wochenbetts wird zur Evaluation der maternalen Nierenfunktion die Bestimmung von Serumkreatinin und Eiweißausscheidung, inkl. Mikroalbuminurie und Proteinurie idealerweise im 24-Std.-Sammelurin empfohlen. Bei persistierender Proteinurie und/oder Serumkreatininerhöhung sollte die Überweisung zum Nephrologen erfolgen.

In einem Beratungsgespräch sollte die Patientin auf erhöhte Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen für Mutter und Kind hingewiesen und regelmäßige Kontrolltermine vereinbart werden [2]. Das Wiederholungsrisiko für Präeklampsie nach einer vorangegangenen Präeklampsie liegt im Mittel bei 14 bis 16 %. Nach vorangegangener Gestationshypertonie wird das Wiederholungsrisiko für die gleiche Erkrankung mit 16 bis 47 % und für eine Präeklampsie mit 2 bis 7 % angegeben. Das Wiederholungsrisiko sowie die Prognose ist vor allem vom Gestationsalter der Manifestation und dem Schweregrad der Präeklampsie in der vorangegangenen Schwangerschaft und von zusätzlichen Risikofaktoren abhängig [2].


Literatur:
1. Airoldi J, Weinstein L (2007) Clinical significance of proteinuria in pregnancy. Obstet Gynecol Surv 62:117–124.
2. Akolekar R, Syngelaki A, Poon L, Wright D, Nicolaides KH (2013) Competing risks model in early screening for preeclampsia by biophysical and biochemical markers. Fetal Diagn Ther 33:8-15.
3. AWMF 015/018-S1-Leitlinie 2013. Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen. (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-018l_S1_Diagnostik_Therapie_hypertensiver_Schwangerschaftserkrankungen_2014-01.pdf).
4. Bates SM, Greer JA, Pabinger J, Sotaer S, Hirsch J (2008) Venous thromboembolism, thrombophilia, antithrombotic therapy, and pregnancy. Chest 133:844–886.
5. Bujold E, Roberge S, Nicolaides KH (2014) Low-dose aspirin for prevention of adverse outcomes related to abnormal placentation. Prenat Diagn 34:642-8.
6. Cantwell R, Clutton-Brock T, Cooper G, Dawson A, Drife J, Garrod D, Harper A, Hulbert D, Lucas S, McClure J, Millward-Sadler H, Neilson J, Nelson-Piercy C, Norman J, O‘Herlihy C, Oates M, Shakespeare J, de Swiet M, Williamson C, Beale V, Knight M, Lennox C, Miller A, Parmar D, Rogers J, Springett A (2011) Saving mothers‘ lives: Reviewing ma- teral deaths to make motherhood safer: 2006–2008. The Eighth Report of the Confidential Enquiries into Maternal Deaths in the United Kingdom. BJOG 118 Suppl 1:1-203.
7. Huppertz B (2008) Placental origins of preeclampsia: challenging the current hypothesis. Hypertension 51:970-975.
8. Khan KS, Wojdyla D, Say L, Gülmezoglu AM, Van Look PF (2006) WHO analysis of causes of maternal death: a systematic review. Lancet 367:1066-1074.
9. Lachmann R, Schlembach D (2013) Präeklampsiescreening. Frauenarzt 54:326-331.
10. Magee LA, von Dadelszen P, Rey E, Ross S, Asztalos E, Murphy KE, Menzies J, Sanchez J, Singer J, Gafni A, Gruslin A, Helewa M, Hutton E, Lee SK, Lee T, Logan AG, Ganzevoort W, Welch R, Thornton JG, Moutquin JM (2015) Less-tight versus tight control of hypertension in pregnancy. N Engl J Med 372:407-417.
11. Martin JN, Thigpen BD, Moore R (2005) Stroke and severe preeclampsia and eclampsia: a paradigm shift focusing on systolic blood pressure. Obstet Gynecol 105:246-254.
12. National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health - Commissioned by the National Institute for Health and Clinical Excellence; Royal College of Obstetricians and Gynaecologists. 2011 (http://www.nice.org.uk/nicemedia/live/13098/50475/50475.pdf).
13. Redman CW, Sargent IL (2005) Latest advances in understanding preeclampsia. Science 308:1592-1594.
14. Rodger MA, Hague WM, Kingdom J, Kahn SR, Karovitch A, Sermer M, Clement AM, Coat S, Chan WS, Said J, Rey E, Robinson S, Khurana R, Demers C, Kovacs MJ, Solymoss S, Hinshaw K, Dwyer J, Smith G, McDonald S, Newstead-Angel J, McLeod A, Khandelwal M, Silver RM, Le Gal G, Greer IA, Keely E, Rosene-Montella K, Walker M, Wells PS; TIPPS Investigators (2014) Antepartum dalteparin versus no antepartum dalteparin for the prevention of pregnancy complications in pregnant women with thrombophilia (TIPPS): a multinational open-label randomised trial. Lancet 384(9955):1673-83.
15. Stepan H, Herraiz I, Schlembach D, Verlohren S, Brennecke S, Chantraine F, Klein E, Lapaire O, Llurba E, Ramoni A, Vatish M, Wertaschnigg D, Galindo A (2015) Implementation of the sFlt-1/PlGF ratio for prediction and diagnosis of pre-eclampsia in singleton pregnancy: implications for clinical practice. Ultrasound Obstet Gynecol 45:241-246.
16. Tranquilli AL, Brown MA, Zeeman GG, Dekker G, Sibai BM (2013) The definition of severe and early- onset preeclampsia. Statements from the International Society fort he Study of Hypertension in Pregnancy (ISSHP). Pregnancy Hypertens 3:44-47.
17. Treadwell IP, Thanri B, Robinson TG (2008) Stroke in pregnancy and the puerperium. Postgrad Med J 84:238-245.
18. World Health Organization (2005) Make every mother and child count. World Health Report, 2005. World Health Organization, Geneva/Switzerland.



Autor:

Priv.-Doz. Dr. med. Dietmar Schlembach

Klinik für Geburtsmedizin/Perinatalzen­trum Level I
Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH
Klinikum Neukölln
D-12351 Berlin

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (14) Seite 22-26