Die vorwiegend in der Lausitz lebenden Sorben tragen zur traditionellen Tracht den Dreispitz und mitunter den Zylinder. Darauf bezieht sich wohl auch ihr Sprichwort, dass selbst unter einem imposanten Hut nicht immer ein gehöriger Verstand verborgen ist.

Hut oder nicht Hut kann aber für manche Mitmenschen zu einer Frage von Sein oder Nichtsein werden. Nehmen wir den blechernen Soldatenhut, den Helm. Der wird im Einsatz und auch dann getragen, wenn zum Rapport gerufen wird. Jetzt gilt es auf der Hut zu sein, weil es sonst "was auf die Mütze gibt." Andere Hüte gelten als Symbol und kennzeichnen ihren Träger als Angehörigen einer Gesellschaftsschicht oder Berufsgruppe.

Das beste Beispiel ist der Doktorhut. Bei Mediziner: innen ist das besonders schlimm, weil im volkstümlichen Sprachgebrauch der Doktor in der Praxis ohne Doktor eben kein Doktor ist. Aber auch bei Akademiker:innen sonstiger Fachrichtungen oder bei Zeitgenossen anderer Couleur ist der schicke, die Eitelkeit bedienende und karrierefördernde Titel sehr beliebt. Zumindest gibt es im weltweiten Netz einen schwarzen Basar, wo die beiden Buchstaben samt Urkunde und Zubehör käuflich erworben werden können. Aber Vorsicht: Nicht immer ist auch Doktor drin, wo Doktor draufsteht – oder umgekehrt. Dafür konnte ich vor vielen Jahren in der Praxis ein schönes Beispiel erleben. Einer meiner früheren Patienten war als Diplomingenieur ein anerkannter Experte seines Fachgebiets. Das Problem: Im Rahmen eines US-amerikanischen Aufbaustudiums hatte er seine Promotionsarbeit mit dem dort üblichen "Pi-Etsch-Di"-Grad abgeschlossen. Weil das Ph.D-Kürzel im angelsächsischen Raum traditionsgemäß als kümmerlicher Appendix am Familiennamen hängt, waren ihm die repräsentativen Buchstaben eines Doktors vor dem Namen gemäß dem deutschen Namensrecht allerdings verwehrt. In dem Fall galt: Hier war ein Doktor drin, stand aber leider nicht drauf. Sein Chef und Unternehmensgründer dagegen war "nur" ein Ingenieur und gänzlich ohne Doktortitel. Doch plötzlich trug auch der mit stolz geschwellter Brust die begehrten zwei Buchstaben vor seinem Namen, annoncierte dies in der Tageszeitung und ließ sich fortan durch seine Mitarbeiter:innen entsprechend titulieren. Die Doktorwürde war ihm auf wundersame Weise verliehen worden. Von einer deutschen Fakultät, wie man hörte, ehrenhalber und ohne, dass er dafür eine Arbeit hätte schreiben müssen. Da stand auf seiner Visitenkarte jetzt wohl ein Doktor drauf, wo keine Doktorarbeit drin war.

"Taube Nüsse und eitle Herrn klappern, aber han‘ kein Kern", sagt deshalb der Volksmund. Und wer weiß schon immer, was oder wer sich hinter welchem Doktorhut verbirgt? Patient:innen ist das erfahrungsgemäß egal. Hauptsache, der Mensch unter dem Hut hat den für sie notwendigen Verstand.


Das meint Ihr Fritz Meyer, Allgemeinarzt


Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (10) Seite 74