Lungen- und Atemwegsinfekte sind in der kalten Jahreszeit einer der häufigsten Gründe für Betroffene, eine hausärztliche Praxis aufzusuchen. Zahlenmäßig an der Spitze liegt hier die akute Bronchitis, die oft viral verursacht ist und meist selbstlimitierend verläuft. Auch in Pandemiezeiten muss den typischen Lungen- und Atemwegsinfektionen, vor allem der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP), weiter gezielt begegnet werden.

Für gesunde Personen ist ein Infekt der Bronchien in der Regel ein mit symptomatischen Maßnahmen allein beherrschbares Problem. Anders ist es bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD. Hier ist eine infektbedingte Exazerbation immer wieder eine ernste therapeutische Herausforderung. Wichtig ist, diese Krankheitsbilder gegen die ambulant erworbene Pneumonie abzugrenzen, bei der eine frühzeitige Diagnosestellung und die Einleitung einer antibiotischen Therapie entscheidend sind. Auch hier müssen bestehende Begleiterkrankungen, die häufig prognosebestimmend sind, von Anfang an einbezogen werden. Unsere Algorithmen zielen u. a. darauf ab, die Indikation zur Einleitung einer antibiotischen Therapie leitliniengerecht und kritisch im Sinne der "antibiotic stewardship" zu stellen.

Seit Auftreten des neuen Erregers SARS-CoV-2 im Winter 2019/2020 hat sich ein Paradigmenwechsel im Umgang mit Atemwegserkrankungen mit oder ohne weitere Allgemeinsymptome vollzogen, der der hohen Infektiosität dieses Virus geschuldet ist, verbunden mit der nur selten in diesem Umfang gekannten Morbidität und Mortalität. Der erste Schritt beinhaltet aktuell den sicheren Ausschluss einer Coronavirus-Infektion – die Entscheidungsgrundlage, um gegebenenfalls Isolationsmaßnahmen treffen zu können, bevor die Routineuntersuchungen überhaupt starten. Zudem ist das Coronavirus bereits zu einem wichtigen Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) geworden, der ein komplexes therapeutisches Vorgehen erfordert.

Akute Bronchitis

Die akute Tracheobronchitis wird häufig hervorgerufen durch Rhinoviren (RV). Weitere Erkrankungen sind die Sinusitis, die Otitis media und ebenso Infektexazerbationen des Asthmas und der COPD. RV können häufig einen bahnenden Effekt für bakterielle Superinfektionen bis hin zu Pneumonie ausüben. Klinische Merkmale sind typische Erkältungssymptome wie Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und weitere Allgemeinsymptome. Eine symptomatische Therapie reicht in der Regel aus. Studien mit antiviralen Substanzen zeigten bisher keinen überzeugenden Effekt. Auch die Impfstrategie ist bislang an den vielen RV-Typen gescheitert. RV-Viren sind die am häufigsten nachgewiesenen Erreger infektbedingter Exazerbationen von Asthma und COPD.

Influenza

Auch während der Corona-Pandemie ist die Influenza in Europa eine Infektion mit hoher Mortalität. Die Symptome reichen von milden Atemwegssymptomen bis zu schweren fieberhaften Verläufen mit stark eingeschränktem Allgemeinbefinden und mit Kopf- und Gliederschmerzen. Gefürchtete Komplikation, vor allem bei hochbetagten und immun-kompromittierten Patient:innen, ist die Influenza-Pneumonie mit radiologischen Zeichen einer atypischen Lungenentzündung und hoher Mortalität. Auch wenn die Diagnose in der Regel klinisch zu stellen ist, bietet die PCR-basierte Diagnostik eine normalerweise schnelle Absicherung, die für Isolationsmaßnahmen und Ansteckungsreduktion wichtig ist. Die Behandlung erfolgt mit einem Neuraminidasehemmer, z. B. Oseltamivir. Der Beginn muss in den ersten Stunden der Infektion liegen, was sich aber nur selten realisieren lässt. Allerdings kann man während einer Influenza-Epidemie bei Risikopersonen eine Chemoprophylaxe vornehmen. Wichtigste Präventionsmaßnahme bleibt die regelmäßige Influenza-Impfung, laut STIKO-Empfehlungen mit einem tetravalenten Impfstoff.

Pertussis

Pertussis oder Keuchhusten, eine hochansteckende Infektion (hervorgerufen durch Bordetella pertussis), führt zu länger anhaltendem Husten, gelegentlich mit Brechreiz, ist aber insgesamt unspezifisch. Eine Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern mit Leitsymptom Husten ist schwierig. Derzeit tritt Pertussis vermehrt bei über 40-Jährigen auf, verläuft bei Erwachsenen aber häufig milder als bei Kindern. Basis der Diagnostik ist der PCR-basierte oder auch der kulturelle Nachweis von Bordetella pertussis im Rachenabstrich. Sowohl der Antikörper- als auch der Endotoxin-Nachweis im Blut kann durch eine vorangegangene Infektion beeinflusst werden (signifikante Titerschwankungen).

Eine Antibiotikatherapie sollte man bei klinischer und/oder mikrobiologischer Diagnose in den ersten drei Erkrankungswochen und bei fehlenden Kontraindikationen immer anstreben, in begründeten Fällen später. Auch wenn der Effekt fraglich ist: Durch Eradikation des Erregers soll das Übertragungsrisiko reduziert werden. Mittel der Wahl sind Azithromycin und Clarithromycin, bei Makrolidunverträglichkeit Trimethoprim-Sulfamethoxazol. Eine adäquate Behandlung des quälenden Hustens durch inhalative Kortikosteroide und Antitussiva ist hierbei langfristig entscheidend.

Übersicht 1: CRB-65-Index
Anwendung in der Praxis empfohlen
  • Atemfrequenz > 30/min
  • Diastolischer Blutdruck < 60 mmHg/systolischer Blutdruck < 90 mmHg
  • Bewusstseinstrübung
  • Alter > 65 Jahre

Pneumonie Komorbidität und Prognose

Die ambulant erworbene Pneumonie (CAP) ist trotz potenter Antibiotika nach wie vor ein schweres akutes Krankheitsbild. Jedes Jahr werden allein in Deutschland etwa 400 – 600.000 Erkrankungsfälle registriert, die Letalität im ambulanten Bereich beträgt 1 – 2 %, bei stationär Behandelten steigt sie auf circa 16 %. Bereits bei Diagnosestellung muss diese immer noch besorgniserregende Prognose im Fokus stehen. Priorität hat die zügige Einleitung einer kalkulierten antibiotischen Therapie. Gleichzeitig ist zu entscheiden, ob eine ambulante Behandlung ausreicht oder eine sofortige stationäre Einweisung erforderlich ist. Ein Blick auf die Liste der Begleiterkrankungen ermöglicht bereits eine erste wichtige Orientierung: Kardiovaskuläre Erkrankungen, Niereninsuffizienz, Malignome, chronische Atemwegserkrankungen wie die COPD, zerebrovaskuläre Probleme und Demenz tragen individuell erheblich zu einer schlechten Prognose bei. Eine wichtige Entscheidungshilfe hinsichtlich des Schweregrads der Erkrankung bei Erstkontakt bietet der im präklinischen Setting etablierte CRB-65-Score (Übersicht 1) mit Hinweisen auf die Versorgung:
  • ambulante Versorgung möglich
  • stationäre Einweisung
  • stationäre Einweisung zur intensivmedizinischen Betreuung

Ergänzend wird bei stationärer Aufnahme der CURB-Index genutzt, der auch einen möglich erhöhten Harnstoff-N > 7 mmol/l berücksichtigt.

Erregerspektrum der CAP

Die häufigsten CAP-Erreger sind Pneumokokken mit über 30 % der Fälle und damit auch mit der höchsten Letalität. Andere wichtige pathogene Keime, die sich vor allem bei gravierenden Vorerkrankungen nachweisen lassen, sind Staphylokokken einschließlich multiresistenter Formen (MRSA), Klebsiellen, Enterobakterien, E. coli, Pseudomonas und andere gram-negative Erreger. Legionellen und Mykoplasmen finden sich vorwiegend bei jüngeren Menschen ohne Vorerkrankungen. Aber auch Viren, wie aktuell das Coronavirus, sind weitere wichtige Auslöser der CAP.

Klinik, Komplikationen, Diagnostik

Das klinische Bild der "typischen Pneumonie" ist charakterisiert durch einen akuten Beginn mit Fieber, rasch progredienter Verschlechterung des Allgemeinbefindens, Bewusstseinsbeeinträchtigung, Husten, oft mit Auswurf, Atemnot und weist damit alle Kriterien eines medizinischen Notfalls auf. Im Gegensatz dazu entwickeln sich bei der sogenannten "atypischen Pneumonie" die Symptome über Tage mit unspezifischen Beschwerden, wie Gliederschmerzen, Cephalgien, Reizhusten und progredienter Dyspnoe, so dass oft erst mit erheblicher Verzögerung die Diagnose gestellt wird. Diagnostische Verfahren bei Pneumonie richten sich in erster Linie, wie beschrieben, nach dem klinischen Bild bei Erstkontakt und dürfen keinesfalls eine adäquate antibiotische Therapie verzögern. Bei einem jungen Menschen mit Auskultationsbefund, der eindeutig auf ein Infiltrat der Lunge hinweist, kann man sofort mit der Behandlung beginnen und die Diagnostik in der Regel (Ausschluss: COVID-Infektion) auf die Erfassung der Entzündungsparameter, gegebenenfalls ergänzt durch ein Röntgenbild, beschränken. Bei stationärer Aufnahme soll zudem die Erregerdiagnostik durch Blutkulturen und mikrobiologische Kontrollen von Sputum oder Trachealsekret erfolgen. Bei Verdacht auf atypische Pneumonie ist eine ergänzende serologische Untersuchung beziehungsweise Urindiagnostik (bei V. a. Legionellen-Pneumonie) unerlässlich. Zudem sollte stationär immer eine Bildgebung der Thoraxorgane erfolgen.

Übersicht 2: Empirische Therapie der leichten ambulant erworbenen Pneumonie
  • Amoxicillin
  • Makrolid (Azithromycin)
  • Doxycyclin

Mit Risikofaktoren: Antibiotika in den letzten Monaten, chron. Begleiterkrankung, Heimbewohner:innen
  • Aminopenicillin mit Beta-Lactamase-Hemmern
  • pneumokokkenwirksame Fluorchinolone, nicht geeignet: Fluorchinolon Gr. 2 als Monotherapie (z. B. Ciprofloxacin)
  • Therapiedauer 5 (- 8) Tage
  • wenn möglich, orale Gabe von Beginn an
  • kurzfristige ärztliche Kontrolle

S. Ewig et al., DGP-Leitlinien Update 2021

Therapie

Mittel der Wahl für die empirische Therapie bei leichter ambulant erworbener Pneumonie ist Ampicillin. Bei Verdacht auf eine atypische Pneumonie oder als Reserve-Antibiotikum bei Allergie gegen β-Lactam-Antibiotika kommen Makrolide (Azithromycin) oder Doxycyclin in Betracht. Eine möglichst kurze Therapiedauer von fünf bis acht Tagen, in der Regel oral von Beginn an, sollte angestrebt werden. Bei zusätzlichen Risikofaktoren wie einer antibiotischen Behandlung während der letzten drei Monate oder bestehenden Begleiterkrankungen sind Aminopenicilline mit β-Lactamase-Hemmern oder pneumokokkenwirksame Chinolone Mittel der ersten Wahl (Übersicht 2). Für die mittelschwere Pneumonie oder bei Risikofaktoren ist eine Kombination z. B. mit Cephalosporin und einem Makrolid empfohlen. Die Behandlungsdauer liegt in der Regel zwischen acht und zehn Tagen, eine Sequenztherapie mit initialer i.v.-Gabe mit rascher Umstellung auf die orale Therapie ist anzustreben (Übersicht 3). Bei verzögertem Ansprechen auf empirisch ausgewählte Antibiotika kann eine Resistenz des Erregers bestehen, weil er nicht im Wirkspektrum des Medikaments liegt, oder es kann eine z. B. durch frühere antibiotische Behandlungen erworbene Resistenz vorliegen. Vor einer Therapieumstellung ist hier eine gezielte Erregersuche durch Entnahme von Tracheal- oder Bronchialsekret anzustreben.

Übersicht 3: Empirische Therapie der mittelschweren ambulant erworbenen Pneumonie
  • Cephalosporin Gr. 3a i.v. oder
  • Amoxicillin + Clavulansäure plus Makrolid oder
  • pneumokokkenwirksames Fluorchinolon

bei zusätzlichem Risiko für Pseudomonas aeruginosa (COPD-Patienten)
  • Carbapeneme
  • Aminoglykoside

  • Therapiedauer 8 – 10 Tage, Sequenztherapie anstreben
  • initial in der Regel i.v.-Therapie, nach Möglichkeit rasche Umstellung auf orale Therapie

S. Ewig et al., DGP-Leitlinien Update 2021

Komplikationen der Pneumonie

Komplikationen der Pneumonie sind ein Pleuraerguss oder Pleuraempyem, eine Abszedierung, die Entwicklung einer organisierenden Pneumonie oder einer Sepsis. Die engmaschige ärztliche Kontrolle ist dabei entscheidend. Nach Abklingen der Beschwerden muss geklärt werden, ob eine Verlaufskontrolle der Bildgebung sinnvoll ist, die vor allem bei komplizierten Verläufen, bei Patient:innen mit Risikofaktoren und bei über 50-jährigen Raucher:innen zu befürworten ist. Ein Röntgenbild, gegebenenfalls auch ein Lungen-CT, sollte möglichst erst im Abstand von vier Wochen oder länger zum aktiven Geschehen erfolgen. Nach durchgemachter Pneumonie und bei chronischen Lungen- und Atemwegserkrankungen sollte man unabhängig vom Alter zur Pneumokokken-Impfung raten. Mit Blick auf die Besonderheiten der derzeit vermehrt auftretenden COVID-Pneumonie und ihrer Spätfolgen (Post-COVID-Syndrom) sei auf die aktuelle Literatur verwiesen.

Zusammenfassung

Eine schnelle und sichere Abklärung bei Lungen- und Atemwegsinfekten ist die Basis bei schweren Formen wie Pneumonie oder Infektexazerbation bei Asthma oder COPD. Gleichzeitig lassen sich so mutmaßlich virale Erkrankungen identifizieren, für die eine symptomatische Therapie, u. a. auf phytomedizinischer Basis, oft ausreicht. Der ausschließlich gezielte Antibiotikaeinsatz bei Bronchitis hilft entscheidend dabei, der zunehmenden Resistenzentwicklung wichtiger bakterieller Erreger vorzubeugen. Bei Pneumonie ist der Erstkontakt von größter Bedeutung. Anhand der respiratorischen und mentalen Situation sowie des Puls- und Blutdruckverhaltens lassen sich Patient:innen identifizieren, die umgehend stationär eingewiesen werden müssen. Die antibiotische Behandlung muss ambulant als auch stationär auf dem Boden empirischer Daten umgehend begonnen werden. Eine engmaschige Kontrolle ist erforderlich (Resistenzen, Komplikationen wie Pleuraempyem oder Sepsis).

Zur Prävention von Lungen- und- Atemwegsinfektionen ist den Impfungen gegen Influenza, Pertussis, Pneumokokken sowie gegen SARS-CoV-2 nach den STIKO-Empfehlungen hohe Priorität einzuräumen.

ESSENTIALS - Wichtig für die Sprechstunde
  • Bei Pneumonie ist der Erstkontakt bedeutsam (respiratorische und mentale Situation, Puls, Blutdruck).
  • Bei bestätigter Pneumonie sollte umgehend mit einer empirischen Antibiotikatherapie begonnen werden.
  • Impfungen gegen Influenza, Pertussis, Pneumokokken, Coronavirus haben höchste Priorität.



Autorin

Prof. Dr. med. Almuth Pforte

Klinik für Pneumologie und Schlafmedizin
Internistisches Klinikum München Süd und
Herz-Gefäß-Zentrum Nymphenburg
80638 München

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (12) Seite 36-40