Frage: Dr. H. aus Ulm: Wie lange muss ich als niedergelassener Arzt die Behandlungsunterlagen meiner Patient:innen aufbewahren? Und was passiert, wenn ich sie nicht aufbewahrt habe?

Antwort von Rechtsanwalt Stäwen

Die ärztlichen Berufsordnungen und verschiedenen gesetzlichen Vorschriften regeln die geltenden Aufbewahrungsfristen für Patientenunterlagen. Die Dokumentation soll die für den Behandlungsverlauf wesentlichen medizinischen Daten und Fakten sicherstellen. Hierdurch soll die medizinisch gebotene sachgerechte Weiterbehandlung der Patient:innen durch dieselbe bzw. eine nachbehandelnde andere Ärzt:in ermöglicht werden. Im Regelfall gilt dabei eine Aufbewahrungsfrist ärztlicher/therapeutischer Dokumentationen von zehn Jahren (§ 10 Abs. 3 MBO-Ä).

Diese Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren ist als Mindestfrist zu verstehen und beginnt mit Abschluss der Behandlung, womit der Abschluss der Behandlung eines Krankheitsvorgangs gemeint ist. Bei der Betreuung chronisch kranker Patient:innen oder einer hausärztlichen Behandlung kommt es auf den Tag an, an dem die Patient:in letztmalig behandelt wurde. Im Einzelfall können auch längere Aufbewahrungspflichten gelten (z. B. 30 Jahre bei Aufzeichnungen und Berechnungen im Rahmen einer Strahlentherapie). Zudem kann es sich anbieten, Unterlagen – auch ohne entsprechende Verpflichtung – bis zu 30 Jahre aufzubewahren, um sich ggf. gegen drohende Haftungsansprüche adäquat verteidigen zu können. Zwar verjähren derartige Ansprüche regelmäßig in kürzerer Zeit, jedoch beginnt die Verjährung erst mit Kenntniserlangung von etwaigen Behandlungsfehlern. Nach 30 Jahren tritt jedoch eine "absolute" Verjährung ein – unabhängig von der Kenntnis des vermeintlichen Anspruchsinhabers.

Verletzungen der Aufbewahrungspflicht lösen vor allem prozessuale Rechtsnachteile aus. Soweit die Dokumentation äußerlich ordnungsgemäß ist, wird ihr in einem Prozess in der Regel bis zum Beweis des Gegenteils Glauben geschenkt. Wenn eine aufbewahrungspflichtige Dokumentation innerhalb der Aufbewahrungsfrist nicht mehr vorhanden ist, kann unter Umständen nicht mehr belegt werden, dass durchführungspflichtige Maßnahmen auch tatsächlich erbracht worden sind. Gegebenenfalls kann die Missachtung der Aufbewahrungsfristen auch eine Ordnungswidrigkeit darstellen; dies ist aber insbesondere im Zusammenhang mit Strahlenbehandlungen relevant.

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Autor

© Björn Stäwen
Björn Stäwen, LL. M.

Fachanwalt für Medizinrecht, kwm rechtsanwälte – Kanzlei für Wirtschaft und Medizin PartG mbB
Lehrbeauftragter der Universität Münster im Masterstudiengang Medizinrecht für den Bereich Vertragsarztrecht

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (1) Seite 55