Schon seit langem wissen wir, dass die uns umgebende Umwelt generell einen sehr starken Einfluss auch auf das Entstehen, den Schweregrad oder den Verlauf von dermatologischen Erkrankungen hat. Das ist dann der Fall, wenn sich die Luftqualität verschlechtert, Temperaturen ansteigen und langanhaltende Hitzeperioden zunehmen. Der Klimawandel wird damit nicht nur Dermatolog:innen, sondern auch Hausärzt:innen vor immer größere und neue Herausforderungen stellen.

Brennpunkt Klima
Arztpraxen sind zwar geeignete, bislang jedoch auf breiter Ebene kaum genutzte Anlaufstellen für die Förderung des klimabedingten Gesundheitsschutzes. Doch wie können Hausärzt:innen ihrer Multiplikatorenfunktion gerecht werden und dies in praktisches Handeln überführen? In einer 12-teiligen Serie greift doctors today diese und andere Fragen auf und liefert hierzu Fakten, Orientierung und praxisnahes Handlungswissen.

Studien belegen, dass Kinder, die einer hohen Schadstoffbelastung der Luft ausgesetzt sind, sehr viel häufiger an Neurodermitis erkranken. Umweltschadstoffe der Außenluft gepaart mit extremer Hitze wirken als Triggerfaktoren für die Neurodermitis. Und: Die meisten Hauterkrankungen weisen bei Hitze einen schwereren Verlauf auf als bei kühleren Temperaturen. Durch das Schwitzen wird der Juckreiz verstärkt.

Wachstum bei allen Hauttumoren

Hängt der Klimawandel aber auch mit dem zuletzt festgestellten Anstieg vieler Hautkrebsarten zusammen? Hautkrebs ist weltweit eine der häufigsten Krebsarten. Deren Inzidenzraten sind ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spürbar gestiegen. Dies bestätigt auch das Statistische Bundesamt: So wurden im Jahr 2020 81 % mehr Menschen mit Hautkrebs im Krankenhaus stationär behandelt als im Jahr 2000. Weitere Details dazu liefert der Versorgungsreport 2021 "Klima und Gesundheit" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Im Jahr 2015 lag in Deutschland die Inzidenz des malignen Melanoms (MM) für Männer bei 11.170, für Frauen bei 10.850 Fällen, die Mortalität bei 1.767 bzw. 1.287. Nach den Daten des epidemiologischen Hautkrebsregisters hat sich die Anzahl der jährlich neu aufgetretenen Fälle des malignen Melanoms der Haut von 1999 bis 2016 etwa verdoppelt (von 11.500 auf ca. 23.000 Fälle). Seit den 1970er-Jahren hat sich die Inzidenz des malignen Melanoms sogar mehr als verfünffacht. Bemerkenswert ist dabei jedoch, dass trotz der signifikanten Zunahme der Erkrankungshäufigkeit in den vergangenen 20 Jahren die Sterblichkeit nicht in gleichem Maße angewachsen ist.

Nichtmelanozytäre Hautkrebse (NMSC) sind zwar weithin nicht so bekannt, kommen aber deutlich häufiger vor als das MM. Ähnlich wie beim MM hat die Erkrankungshäufigkeit der NMSC deutlich zugenommen. Die Inzidenz lag in Deutschland im Jahr 2015 bei 118.620 (Männer) bzw. 105.140 (Frauen) bei einer Sterblichkeit von 464 bzw. 350 Fällen. Und schließlich: Die Inzidenz hat sich für den hellen Hautkrebs in Deutschland in den letzten 30 Jahren bei Männern vervierfacht. Bei Frauen hat sich die Zahl sogar verfünffacht

Soweit der aktuelle Status. Wenngleich der Einfluss der UV-Strahlung auf Hauterkrankungen im Grundsatz unbestritten ist, kann bis heute keine gesicherte Aussage darüber getroffen werden, welchen Anteil der Klimawandel am Entstehen von Hauterkrankungen oder Hauttumoren genau hat. Als gesichert gilt aber: Da die Haut eine Schnittstelle zur Umwelt ist, können Toxine und Schadstoffe in der Luft mit der Haut interagieren und zum Aufflammen bestimmter entzündlicher Hauterkrankungen beitragen. Und: Übermäßige Sonnenbestrahlung verursacht Hautkrebs einschließlich des malignen Melanoms der Haut und der nichtmelanomen Hautkrebsarten wie Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom (mehr dazu im Kasten).

Wissenschaftliche Modellrechnungen zeigen außerdem, dass ein globaler Anstieg der Umgebungstemperatur um 2° C und die damit einhergehenden Klimaveränderungen, die regional noch größere Hitze und Hitzewellen zur Folge haben können, die Hautkrebsinzidenz bis 2050 um weitere 11 % erhöhen könnten. Hinzu kommt, dass atmosphärisches CO2 das Wachstum von unterschiedlichen Pflanzen, wie z. B. Giftefeu, Farn und Riesenbärenklau fördert, sodass sich diese auch in unseren Regionen ausbreiten, wo sie bislang eher nicht vorkamen. Daher werden Ärzt:innen künftig wahrscheinlich aufgrund des Klimawandels mit mehr Fällen von pflanzenbedingten schweren toxischen Dermatitiden konfrontiert werden, als das heute der Fall ist.

Was können Allgemeinärzt:innen tun?

Doch wie können Hausärzt:innen dem präventiv begegnen? Erst einmal durch gute Beratung. Patient:innen sollten davon überzeugt werden, dass jede Einzelne durch einen Schutz wie Sonnencreme, Sonnenhut oder Sonnenbrille ihr persönliches Risiko merklich senken kann. Zudem sollte sich jede ihrem Hauttyp entsprechend verhalten und bei zu starker Sonneneinstrahlung und starker Empfindlichkeit sogar mitunter auf den Aufenthalt im Freien verzichten. Solche angepassten Verhaltensweisen können Hausärzt:innen aber im Rahmen einer Patientenedukation nur dann erfolgreich adressieren, wenn sie hierfür neben einer ausreichenden Kompetenz auch genügend Zeit haben. Möglich wäre dies etwa im Rahmen einer Klimasprechstunde, die dann aber auch vergütet werden müsste. Um Klimaresilienz herzustellen, müssen aber auch die Forschungskapazitäten in diesem Bereich intensiviert werden. Bedarf besteht hierfür zur Genüge. Zum Beispiel zur genauen Klärung der Frage, wie das UV-Expositionsverhalten durch den Klimawandel immer wieder neu anzupassen ist. Oder wie durch städtebauliche Maßnahmen gesundheitliche Schäden durch Hitze und UV-Strahlung verringert werden können, auf die die im Jahr 2021 aktualisierte S3-Leitlinie Hautkrebsprävention explizit eingeht ( http://https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/hautkrebs-praevention/ ).

Und schließlich: Wie sich durch die sich weiter verschärfenden klimatischen Bedingungen auch die Gabe und Wirksamkeit von lokalapplizierten Therapeutika für Patient:innen immer wieder verändern muss. Fragen über Fragen, die in Zukunft immer drängender werden.

Hautkrebs und die Bedeutung von UV-Expositionen
Zusammenhänge zwischen einem sich verändernden Klima, UV-Exposition und Hauterkrankungen lassen sich zwar indirekt und qualitativ herleiten. Dabei muss aber stets mitbedacht werden, dass die Krankheitshäufigkeiten auch durch vom Klima unabhängige Prädiktoren wie genetische Veranlagung, Beruf, Ernährung oder Alter beeinflusst werden. UV-Strahlung zählt zu den Hauptrisikofaktoren, vor allem beim Plattenepithelkarzinom (SCC), gefolgt vom Basalzellkarzinom (BCC) und dem malignen Melanom (MM). Langfristig übermäßige Expositionen gegenüber UV-Strahlung können DNA-Läsionen erzeugen, die bei Überbeanspruchung der Reparaturmechanismen persistieren und – falls Akkumulationen stattfinden – zu Mutationen in Form von Hautkrebs führen. Beim SCC konnte ein direkter Zusammenhang mit der kumulativen Dosis an UV-Expositionen nachgewiesen werden. Beim SCC ist die kumulative UV-Exposition über die Lebenszeit, beim BCC die in jedem Alter entscheidend. Beim MM sind auch die Häufigkeit der Sonnenbrände und die akuten, intermittierenden UV-Expositionen ausschlaggebend (ras).

Literatur beim Verfasser



Autor
Raimund Schmid

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (7) Seite 26-27