Aktuelle Daten zeigen, dass die junge Ärztegeneration anders tickt als die ältere, wenn es um die Niederlassung in einer eigenen Praxis geht. Festmachen lässt sich die veränderte Einstellung an dem seit Jahren zu beobachtenden Trend zur Anstellung im ambulanten Bereich. So hat sich die Zahl der angestellten Ärzt:innen seit 1997 versechsfacht auf nunmehr 44.000. Die Selbstständigkeit ist zwar nach wie vor attraktiv, aber viele junge Hausärzt:innen scheuen davor zurück, weil sie das finanzielle Risiko einer solchen Existenzgründung nicht eingehen wollen. Und tatsächlich zeigen neuere Analysen, dass die Kosten für eine Niederlassung als Hausärzt:in weiter steigen.

Das Investitionsvolumen bei einer Praxisübernahme umfasst einerseits den Kaufpreis: In den Jahren 2018 und 2019 belief er sich bei Hausärzten im Schnitt auf 102.700 €. Andererseits müssen Investitionen in medizinisch-technische Geräte, IT sowie Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen getätigt werden: Diese betrugen im Analysezeitraum 57.000 €. Beide Werte sind in den letzten zwei Jahren erneut gestiegen. Neben der allgemeinen Teuerungsrate treibt unter anderem auch die zunehmende Digitalisierung die Kosten für die Praxisausstattung.

Niederlassungskosten steigen

Durchschnittlich rund 160.000 € haben Hausärzt:innen, die sich in den Jahren 2018 und 2019 niedergelassen haben, in die Übernahme einer Einzelpraxis investiert. Damit wurde laut einer Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und der apobank ein neuer Höchststand erreicht.

Diese Durchschnittsbeträge würden allerdings nur bedingt die Marktsituation widerspiegeln, schränken die Studienautor:innen ein. Denn schon seit einigen Jahren lasse sich eine große Spreizung bei den Kaufpreisen beobachten. So würden beispielsweise für hausärztliche Praxen ab und an auch Preise von bis zu einer halben Million gezahlt. Es komme aber auch vor, dass sie verschenkt oder nur zum symbolischen Preis übergeben werden. Hier schlägt sich womöglich schon der Trend nieder, dass viele Praxisinhaber:innen, die in den Ruhestand gehen wollen, ein wachsendes Problem damit haben, eine Nachfolger:in zu finden, die bereit ist, die hohen Kosten zu tragen.

Übernahme einer Praxis ist am beliebtesten

Andererseits zeigt eine differenzierte Betrachtung jedoch auch eine interessante Diskrepanz. So gibt es bei den Hausärzt:innen offenbar einen Trend zu teureren Praxen. Während in dem Analysezeitraum 2018/2019 mit 33 % der Anteil der "günstigeren" Existenzgründungen – d. h. mit Praxisinvestitionen unter 100.000 € – weiter gesunken ist, wuchs der Anteil der Praxen, für die Existenzgründer:innen mehr als 300.000 € investiert haben, auf 7 %.

Die Übernahme einer bestehenden Praxis ist für 55 % der Existenzgründer:innen weiterhin der beliebteste Weg, um sich als Ärzt:in niederzulassen. Doch es gibt noch weitere Möglichkeiten, und diese sind mit unterschiedlich hohen Investitionen verbunden. Im Fall der Hausärzt:innen war in den Jahren 2018 und 2019 die Überführung einer Einzelpraxis in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) die günstigste Option. Sie erforderte ein Investitionsvolumen von lediglich rund 105.000 €. Dies ist nicht verwunderlich, denn bei dieser Art von Kooperation muss sich die neu in die Praxis hinzutretende Ärzt:in nur noch einen eigenen Patientenstamm aufbauen.

Dagegen war die Neugründung einer Einzelpraxis mit Investitionen in Höhe von durchschnittlich 178.000 € am teuersten, da solche Praxen naturgemäß mit dem neuesten Stand der Technik ausgestattet werden. Mit einem Anteil von 5 % an den Existenzgründungen spielt die Neugründung jedoch nur eine untergeordnete Rolle.

Ärztevergleich – Bei Spezialisten wird es teurer
Die Investitionshöhen im Rahmen ärztlicher Existenzgründungen hängen insgesamt stark von der Facharztrichtung ab. Ein Vergleich der Durchschnittswerte für die Niederlassung durch Einzelpraxisübernahme offenbart große Unterschiede: Während Hausärzt:innen dafür in dem Analysezeitraum 2018/2019 im Schnitt 160.000 Euro ausgaben, waren es bei Frauenärzten 234.000 Euro und bei Orthopäden sogar 368.000 Euro. Die Niederlassung in einer psychotherapeutischen Praxis bedurfte dagegen lediglich 50.000 Euro an Investitionen. Die starken Unterschiede sind in erster Linie auf die medizinisch-technische Ausstattung, die je nach Facharztrichtung benötigt wird, zurückzuführen.

Fällt die Entscheidung, sich in einer Kooperation niederzulassen, wählen die meisten hausärztlichen Existenzgründer:innen den Eintritt in eine BAG (2019: rund 16 %). In diesem Fall tritt eine bisherige Praxisinhaber:in aus und verkauft ihre Praxisanteile. Der dafür vom Übernehmenden gezahlte Kaufpreis belief sich im Analysezeitraum auf durchschnittlich 117.000 €. Der weitere Investitionsbedarf für Umbauten und Modernisierung ist in der Regel sehr gering und betrug 2018/2019 im Schnitt 15.000 €.

Frauen investieren weniger

Ein Blick auf die Geschlechter zeigt, dass der Anteil der ärztlichen Existenzgründerinnen weiter zunimmt: 2018/2019 lag er bundesweit bei Hausärzt-
innen bei 59 % (bei Spezialistinnen sind es 62 %). Dabei fällt auf, dass sich Frauen deutlich häufiger für die Einzelpraxis als Niederlassungsform (64 %) entscheiden als ihre männlichen Kollegen (55 %). Laut der Analyse starten Frauen zwar gerne allein und mit kleinen Praxen. Perspektivisch nutzen sie aber die Möglichkeit, mit bis zu drei angestellten Ärzt:innen zu arbeiten. Durch entsprechende Arbeitsteilung lasse sich dann die Abwesenheits- beziehungsweise Urlaubsvertretung einfacher gestalten, um Familie und Beruf leichter miteinander zu vereinbaren.

Unterschiede gebe es auch beim Investitionsverhalten der Geschlechter: Zwar steigen insgesamt sowohl bei den weiblichen als auch bei den männlichen Existenzgründern seit Jahren die Praxisinvestitionen, doch bleiben diese bei Ärztinnen immer auf einem niedrigeren Niveau. Ein Vergleich bei den hausärztlichen Existenzgründungen zeigt, dass Männer 2018/2019 mit durchschnittlich 173.000 € rund ein Fünftel mehr für die Niederlassung in Form einer Einzelpraxisübernahme ausgaben als Frauen.

Die Ergebnisse basieren auf einer Stichprobe von etwa 3.500 ärztlichen Existenzgründungen – darunter 900 hausärztliche.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (3) Seite 22-23