Diese Ankündigung der Ersatzkassen muss beim Deutschen Hausärzteverband die Alarmglocken schrillen lassen: Auf 34 Seiten positionieren sich die Ersatzkassen mit ihren Forderungen für die kommende Bundestagswahl. Sehr kurz, aber dafür umso unmissverständlicher wird dabei auch das Kapitel "Hausarztzentrierte Versorgung" (HzV) abgehandelt.

Diese hätte zum "Aufbau von Parallelstrukturen" neben dem KV-System geführt. Doch genau dieser Wettbewerb war doch politisch gewollt und hat selbst im KV-System für reichlich Bewegung gesorgt. Doch dann geht es ans Eingemachte: Die Pflicht der Kassen, mit den Verbänden der Hausärzt:innen entsprechende Vereinbarungen abschließen zu müssen (Kontrahierungszwang), soll abgeschafft werden. Für die Hausarztverträge wäre das ein herber Rückschlag, wenn es denn so kommen sollte.

HzV hat sich bewährt

Die HzV habe sich inhaltlich nicht bewährt, behaupten die Ersatzkassen. Ohne hierfür allerdings Belege zu liefern, wird damit eine Vertragsstruktur zur Disposition gestellt, die durchaus als größte Innovation für Hausärzt:innen in den letzten fast eineinhalb Jahrzehnten angesehen werden kann. Über 5,8 Millionen Patient:innen und mehr als 16.000 Hausärzt:innen nehmen derzeit daran teil, weitere zwei Millionen Versicherte an den sogenannten "Add-on-Hausarztverträgen". Im HzV-Musterländle Baden-Württemberg ist selbst im Pandemiejahr 2020 die Zahl der eingeschriebenen Versicherten nochmals um 4,4 % – bei den Facharztverträgen gar um 7,8 % – angewachsen. 5.280 Hausärzt:innen sind allein in Baden-Württemberg mit von der Partie. Sehen so Verträge aus, die sich inhaltlich nicht bewährt haben?

Kassen wollen sparen

Natürlich nicht. Doch der Erfolg hat eben auch seinen Preis. Und den wollen die Ersatzkassen wohl nicht mehr bezahlen. Insgesamt haben die Kassen den Ärzt:innen 2020 allein in Baden-Württemberg – dort allerdings vorwiegend die AOK – eine Honorarsumme von 678 Millionen Euro überwiesen. Ein schöner Batzen Geld und noch mal 42 Millionen mehr als noch ein Jahr zuvor. Für den Hausärzte-Chef Dr. Berthold Dietsche stellt dieses höhere Honorar im Vergleich zu KV-Leistungen eine Planungssicherheit für die Hausärzt:innen dar – und das ohne Fallzahlbegrenzung. Für die Ersatzkassen ist dies das Tor zu ungezügeltem Honorarwachstum. Und das vor dem Hintergrund einer zunehmenden Unterdeckung des Gesundheitsfonds und eines zunehmenden Einnahmeproblems – auch bedingt durch die Folgen der Corona-Pandemie und der prekären Wirtschaftslage.

Hier liegt also der wunde Punkt. Alle Kassen fordern daher "Sparrunden" und "nachhaltige Strukturreformen". Da bietet sich für sie die HzV als Sparopfer gut an. Dabei interessiert es offenbar keinen mehr, dass sich die Versorgung gerade multimorbider und chronisch Kranker in der HzV spürbar verbessert hat. Ohne Rücksicht auf Verluste im Hinblick auf die Ärzt:innen und deren Patient:innen wird nun politisch gepokert, um die eigenen Verluste einzufangen. Ein mieses Spiel, gerade wenn dabei nicht mit offenen Karten gespielt wird,


...meint Ihr

Raimund Schmid


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (6) Seite 36