Verschärfungen bei der Medizingerätezulassung könnten eHealth-Innovationen wie z.B. DiGA künftig behindern. Denn sie fördern indirekt, dass Anwendungen weniger aussagekräftig werden, um zusätzlichen Aufwand bei der Zulassung zu verhindern.

Dreh- und Angelpunkt ist die Regel 11 in Kapitel III der Medizingeräteverordnung (MDR). Sie soll Fehlklassifizierungen von Software vermeiden, hat aber auch das Potenzial, zu einem "Hemmschuh" zu werden. Vor diesem Hintergrund fand Mitte Februar der "InnoNet Sprint" zum Thema Medizinprodukte statt. Hinter der Eventreihe stehendieZiele mehr Transparenz beidigitalen Innovationen im Gesundheitssektor undeine bessere Vernetzung der einzelnen Unternehmen sowie Einrichtungen. Im Fokus sind v. a.Digital Health, Biotechnologie, Diabetes, Medizinprodukte sowie das Versorgungsmanagement.

Nach der Begrüßung durch Elke Butzen-Wagner von InnoNet HealthEconomy folgte ein Impulsvortrag von Oliver Hilges: Aufbauend auf seiner Expertise in der Medizingerätezulassung beschrieb er die Schwierigkeiten, die sich durch die Veränderungen bei der Medizingerätezulassung ergeben. Je umfangreicher Anwendungen wie z.B. DiGA sind, je mehr nützliche Informationen liefern sie für Patienten:innen sowie Ärzteschaft. Dadurch steigt nach den gesetzlichen Änderungen aber auch das Risiko, dass sie laut MDR hochgestuft werden und dass dadurch bei der (Re-)Zertifizierung deutlich mehr organisatorischer und zeitlicher Aufwand notwendig wird. Insbesondere Startups hätten diese zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Ressourcen nicht. Die Folge: Die Entwicklung wird abgebrochen oder die digitalen Anwendungen können dann weniger als möglich wäre. Werden z. B. konkrete diagnostische Aussagen in allgemeine, unverbindliche Prognosen umgewandelt, kann das für das Unternehmen das Risiko einer Hochstufung deutlich reduzieren. Dadurch nehmen aber auch der Informationsgehalt und der tatsächliche Nutzen ab. Das ist nicht nur für die Hersteller fatal, die ihre Produkte bezüglich des Praxisnutzens stutzen müssen, sondern auch für die Ärzt:innen und Patient:innen, denen dann weniger konkrete Informationen und ein geringerer Funktionsumfang zur Verfügung stehen.

In Arbeitsgruppen diskutierten die Teilnehmer:innen anschließend ihre Erfahrungen mit der Medizingerätezulassung und Auswirkungen für ihre künftigen Projekte. Mathias Heiles vom Start-up LIME medical erklärte: "Die Möglichkeit der Aufnahme von Gesundheits- und Therapie-Apps in die gesetzliche Regelversorgung im Rahmen der DiGAV hat eine riesige Innovationskraft für die Digitalisierung des Gesundheitssektors. Diese wird künftig durch die unmittelbare Einstufung als Klasse-IIa-Produkt laut Regel 11 und den daraus folgenden dokumentarischen und regulatorischen Mehraufwand immens gebremst. Ohne automatisch eine Erhöhung der Sicherheit oder Leistungsfähigkeit für den Nutzer der DiGA hervorzubringen."

Die InnoNet-Sprints werden veranstaltet von InnoNet HealthEconomy ( http://www.innonet-healtheconomy.com ) und dem Netzwerk Gesundheitswirtschaft Rheinland-Pfalz. Folgetermine sind in Planung.



Autorin
Sabine Mack



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (5) Seite 54