Orale Antidiabetika kommen seit vielen Jahren in der Therapie des Typ-2-Diabetes zum Einsatz. Ihre Entwicklung begann schon kurz vor den 1920er-Jahren mit der Einführung von Guanidin und findet mit den heutigen SGLT-2-Hemmern ihren vorläufigen Höhepunkt. Ein Blick auf die lange Geschichte der oralen Diabetesmedikamente zeigt: Metformin gilt auch heute noch als beliebter Kombinationspartner.

Nestor der deutschen Diabetologie
Wer kennt ihn nicht? Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert ist seit über 50 Jahren auf dem Gebiet der Diabetologie aktiv. Auch heute noch hält der ehemalige Chefarzt der Medizinischen Klinik des Krankenhauses München-Schwabing Vorträge und leistet Aufklärungsarbeit. Prof. Mehnert möchte Diabetesforschung so vermitteln, dass sie auch für niedergelassene Allgemeinärzt:innen umsetzbar ist. In diesem Sinne sind auch "Mehnerts Diabetes-Tipps" verfasst, die als Serie in doctors|today erscheinen und hoffentlich dazu beitragen, dass Sie Ihre Diabetes-Patient:innen besser betreuen können.

Den blutzuckersenkenden Effekt von Guanidin beschrieb Watanabe bereits 1918. Ende der 1920er-Jahre wurden mit Synthalin A und Synthalin B (sog. Diguanidine) – beide senken den Blutzucker – die ersten oralen Antidiabetika in der Diabetestherapie entwickelt. Entgegen den damaligen Befürchtungen, dass die Diguanidine womöglich Leberschäden verursachen – was sich letztlich nicht beweisen ließ, wurden diese Substanzen aber wegen ihrer gastrointestinalen Nebenwirkungen nur wenig eingesetzt. Immerhin gab es Diguanidine noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg im Handel. In den 1930er-Jahren beschrieb ein spanischer Autor den blutzuckersenkenden Effekt von Sulfonamiden, die Domagk zuvor in die Therapie von Infektionskrankheiten eingeführt hatte. Das Sulfonamid IPDT wurde im Zweiten Weltkrieg von Janbon und Mitarbeiter:innen auf seine Wirkung hinsichtlich Typhuserkrankungen geprüft, wobei sich hier erstmals starke Blutzuckersenkungen zeigten. Loubatiéres und Mitarbeiter:innen ermittelten, dass dieser Effekt nur auftrat, wenn noch Reste an körpereigenem Insulin vorhanden waren.

Sulfonylharnstoffe, Biguanide, Metformin

Franke und Fuchs gelang der Durchbruch mit dem Sulfonamid Carbutamid, das sie zur Behandlung von Infektionskrankheiten einsetzten, dabei die hypoglykämisierende Wirkung beobachteten und schließlich die Behandlung von Typ-2-Diabetiker:innen erstmals durchführten. In einer heute noch lesenswerten Arbeit von Bertram wurden Wirkweisen und Indikationsbereich beschrieben. Carbutamid wurde dann bald durch Tolbutamid abgelöst, das weniger Nebenwirkungen (Allergien, toxische Wirkung auf das blutbildende System) aufwies. Noch später kam dann das bis heute am meisten verordnete Sulfonylharnstoffpräparat Glibenclamid zum Einsatz, das allerdings mitunter schwere Hypoglykämien verursachte. Deshalb sind die Sulfonylharnstoffe jetzt wohl als Auslaufmodelle zu bezeichnen, während die etwa gleichzeitig geprüften Biguanide mit Metformin einen Siegeszug ohnegleichen antraten.

Metformin bremst die Glukoneogenese der Leber, wirkt appetitmindernd und gewichtsreduzierend, womöglich antikarzinogen und regt die Inkretinsekretion an. Letzterer Effekt ist wichtig mit Blick auf die eingeführten Gliptine (Sitagliptin ist mehr als 12 Jahre im Handel). Gliptine wirken über eine Anregung der körpereigenen Insulinsekretion, sind aber nur wirksam, wenn der Blutzucker erhöht ist. Es handelt sich also um "intelligente" Substanzen. Die bis heute im Handel befindliche Acarbose konnte sich wegen der gastrointestinalen Nebenwirkungen nicht recht durchsetzen. Pioglitazon wird in Deutschland nicht von den Kassen übernommen. Das ist schade, da es als einziges orales Antidiabetikum der Fettleber entgegenwirkt.

Canagliflozin, Dapagliflozin, Semaglutid

2013 folgte die Einführung der Gliflozine (SGLT-2-Hemmer), welche die Glukosurie erhöhen und den Blutzucker senken. Sie bewirken eine blutdrucksenkende Natriurese und reduzieren das Körpergewicht – ohne "Jo-Jo-Effekt". Sensationell waren die Ergebnisse der EMPA-REG Outcome-Studie, die Diabetiker:innen mit hohem kardiovaskulärem Risiko untersuchte. Unter Empagliflozin ergab sich im Vergleich zu Placebo eine um 38 % reduzierte kardiovaskuläre Mortalität, eine um 32 % verringerte Gesamtmortalität und eine um 35 % niedrigere Rate an Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz sowie von Mikroangiopathien. Ähnliche Ergebnisse erzielten Cana- und Dapagliflozin. Eine kardioprotektive Wirksamkeit zeigte auch der orale GLP-1-Hemmer Semaglutid.

Die Leitlinien empfehlen vor allem Kombinationen der oralen Substanzen. Sehr wirksam ist z. B. eine Triple-Therapie mit Metformin, Gliptinen und Gliflozinen. Bei der BOT (basal unterstützte orale Therapie) werden orale Antidiabetika mit Insulin kombiniert. In der ISI (Incretin supported Insulin Therapy oder Insulin supported Incretin Therapy) wurden GLP-1-Agonisten mit Insulin kombiniert. Gewichtszunahme und Hypoglykämien als Insulinnebenwirkung lassen sich so verringern.



Autor

© Kirchheim
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert

Forschergruppe Diabetes e.V.
82152 Krailling

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (11) Seite 42-43