Wenn alles klappt, soll ab der zweiten Jahreshälfte 2021 ein nationales Gesundheitsportal Patient:innen dabei helfen, evidenzbasierte, verständliche Informationen zu Symptomen, Erkrankungen, Therapien oder auch zur Prävention zu finden. Die Ziele, die damit für das Gesundheitssystem insgesamt erreicht werden sollen, sind ehrgeizig. Vor allem die hausärztliche Versorgung könnte entscheidend von einem nationalen Gesundheitsportal profitieren – vorausgesetzt, die Weichen werden richtig gestellt.

In der Bevölkerung gibt es ein weit verbreitetes Bedürfnis, Informationen zu Gesundheit und Krankheit im Internet nachzuschlagen und so etwa Arztbesuche vorzubereiten [1]. Das nationale Gesundheitsportal soll nun eine Plattform werden, die das Potenzial besitzt, "zum zentralen deutschen Internetangebot für Informationen rund um Fragen der Gesundheit" zu werden [2]. Ein wesentliches Motiv für die Planung eines nationalen Gesundheitsportals war, dass bislang bestehende nichtkommerzielle Informationsangebote der Krankenkassen oder der Selbstverwaltung (z. B. Weisse-Liste.de, Gesundheitsinformation.de) gegenüber kommerziell agierenden Anbietern (z. B. Apotheken-Umschau.de, NetDoktor.de) keinen vergleichbaren Bekanntheitsgrad erlangt haben.

Unterstützung für Hausärzt:innen

Das nationale Gesundheitsportal soll fachlich und finanziell unabhängig sein und als glaubwürdiger Informationslieferant sowie als "Alternative zur einfachen Suche mittels Suchmaschine" fungieren [3]. Damit soll auch dem Phänomen der "Cyberchondrie" entgegengewirkt werden. Denn gerade für unerfahrene Nutzer:innen besteht die Gefahr, über die Schlagwortsuche auf unseriöse Seiten zu geraten, durch inkorrekte Informationen verwirrt oder verunsichert zu werden und möglicherweise längerfristige Gesundheitsängste zu entwickeln [4–6].

Obwohl das nationale Gesundheitsportal primär Patient:innen ansprechen wird, soll es auch zu einer Unterstützung der informierenden und beratenden Tätigkeit von Ärzt:innen beitragen. Gerade Hausärzt:innen, die ein breites Spektrum an Symptomen, Krankheitsbildern und Patientenklientelen abdecken, sollen aus dem Portal einen Nutzen ziehen. Der Gedanke ist dabei, dass Hausärzt:innen als vertrauensvolle Ansprechpartner:innen gute Voraussetzungen mitbringen, auf externe Informationsangebote zu verweisen, und Patient:innen dadurch besser aufklären, ihr Gesundheitsbewusstsein und ihre Compliance stärken können. Zudem soll die Option, an ein seriöses, evidenzbasiertes nationales Gesundheitsportal zur Weiterinformation zu verweisen, auch der gewandelten Arzt-Patient-Beziehung Rechnung tragen. Viele Patient:innen informieren sich nicht nur selbstständig im Internet, sondern möchten auch im Sinne eines stärkeren Shared Decision Making eingebunden und mit ihren Eigenrecherchen berücksichtigt werden [7].

Welche Erwartungen haben Hausärzt:innen?

In Kooperation mit dem health innovation hub (hih) des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wurden vom Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie (ZAG) der Universitätsmedizin Mainz 2 Studien durchgeführt. Ziel war es zu erfassen, welche Unterstützungspotenziale Hausärzt:innen durch ein nationales Gesundheitsportal wahrnehmen und wie dieses ausgestaltet sein sollte. Als Vorstudie diskutierte im Herbst 2019 eine moderierte Fokusgruppe mit 11 Hausärzt:innen, 3 Vertreter:innn des ZAG sowie einem Vertreter des hih. Anfang 2020 erfolgte eine schriftliche Befragung von 745 Hausärzt:innen.

Im Zuge der Befragung zeigte sich, dass eine Mehrheit der Ärzt:innen ein nationales Gesundheitsportal positiv sieht (54 %). Jede zweite Ärzt:in (49 %) geht davon aus, dass ein solches Portal für die eigene Beratungs- und Betreuungstätigkeit eine sehr große oder eher große Unterstützung wäre.

Effektiveres Arzt-Patient-Gespräch

Als Vorteile versprechen sich Hausärzt:innen in erster Linie eine bessere Aufklärung von Patient:innen, eine Entlastung von Beratungszeit und ein effektiveres Arzt-Patient-Gespräch. Ein großer Teil der Ärzt:innen sieht die Möglichkeit der Stabilisierung von verunsicherten oder hypochondrischen Patient:innen durch ein sensitiv gestaltetes Gesundheitsportal. Den befragten Hausärzt:innen ist zudem wichtig, dass ein nationales Portal es sich zur Aufgabe macht, über die Strukturen und Funktionsweise des Gesundheitssystems aufzuklären, sodass realistische Vorstellungen von ärztlichen Handlungsmöglichkeiten (z. B. Therapien, Verordnungen) und eine angemessene Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen gefördert werden.

Neben der Gewährleistung strikter Unabhängigkeit und einer klaren Evidenzorientierung wünschen sich die Hausärzt:innen einen symptomorientierten Aufbau des Portals. Große Bedeutung wird einer anschaulichen Gestaltung beigemessen, die Visualisierungen und Erklärvideos großschreibt. Auch müsse das Portal deutlich machen, dass die dort bereitgestellten Informationen und Ratschläge "nicht als Substitut für Arztbesuche", sondern nur als deren Ergänzung gedacht seien.

Die befragten Hausärzt:innen legen Wert auf die Anwendungsnähe des zu schaffenden Angebots, das zahlreiche praktische Tipps, Übungen, Empfehlungen und Anleitungen enthalten solle, welche hausärztliche Ratschläge oder Verschreibungen unterstützen und sich leicht in den Alltag integrieren lassen (z. B. Bewegungsübungen, Ernährungsratgeber, Ratgeber zur Stressreduktion).

Plattform auch für kollegialen Austausch

Mit Blick auf inhaltliche Schwerpunkte wünschen sich die Befragten ein Portal, das einerseits wissenschaftlich belastbare, gut geprüfte Informationen bietet, andererseits moderne Darstellungs- und Vermittlungsqualitäten besitzt, die es erlauben, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen anzusprechen, um so die Gesundheitsförderung zu stärken (vgl. Tabelle). Ein Teil der Hausärzt:innen fände es gut, wenn ein nationales Gesundheitsportal neben einer Patientenebene auch einen Bereich für Ärzt:innen bieten würde. Hier wäre es vorstellbar, personalisierte Informationspakete für Patient:innen zusammenzustellen oder sich mit Kolleg:innen über aktuelle Erfahrungen oder bewährte Vorgehensweisen auszutauschen.

Eine Frage der Umsetzung

Der breite Zuspruch, den ein nationales Gesundheitsportal unter den befragten Hausärzt:innen erfährt, kann als Bestärkung für das Vorhaben gewertet werden und macht auf den allgemeinen Bedarf nach einer leicht auffindbaren, fundierten und vertrauensvollen Gesundheitsinformationsplattform aufmerksam. Hier wird die Chance gesehen, eine neue Form der Gesundheitsrecherche zu prägen, die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens angemessener zu gestalten und die Arzt-Patient-Beziehung zu unterstützen. Erwartungsgemäß betonen die Befragten mit Blick auf die Ausgestaltung des Portals Aspekte, die ihrem Auftrag als Primärversorger:innen entsprechen (u. a. Vermittlung von Orientierungswissen, Vermeidung von Über- und Unterversorgung, Stabilisierung von Patient:innen). Und für einen Teil der Ärzt:innen wäre es vorstellbar, über eine solche Plattform individualisierbare Informationen für ihre Patient:innen zusammenzustellen und den Austausch mit Fachkolleg:innen zu suchen.

Allgemeinärzt:innen einbinden

Ungeachtet des Potenzials, das ein nationales Gesundheitsportal für die Patientenversorgung bereithält, besteht eine Reihe ungeklärter Fragen, von denen der Erfolg des Projekts der Bundesregierung maßgeblich abhängen wird. So wird es darauf ankommen, dafür zu sorgen, dass eine solche Gesundheitsplattform jene Auffindbarkeit erhält, die für die Erfüllung ihrer vorgesehenen Funktion unerlässlich ist [8]. Auch stellt sich die Frage, ob der Schwerpunkt des Portals auf eigenem Inhalt oder eher auf dem Verweisen zu anderen vertrauenswürdigen Gesundheitsseiten liegen soll. Zudem muss sichergestellt werden, dass in den Entwicklungs- und Evaluationsprozess auch Allgemeinärzt:innen kontinuierlich einbezogen werden, damit die hausärztliche Versorgung tatsächlich einen konkreten und nachhaltigen Nutzen aus dem Portal ziehen kann.


Literatur:
Bach I. Kompliziert, aufwendig und teuer (2019). https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/gesundheitsinformationen-im-internet-kompliziert-aufwendig-und-teuer/24038146.html; Stand: 26.05.2020
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Konzept für ein nationales Gesundheitsportal (2018). https://www.iqwig.de/download/P17-02_Konzept-fuer-ein-nationales-Gesundheitsportal_Konzept_V1-2.pdf; Stand: 26.05.2020
Keller M. Dr. med. Internet (2017). https://www.deutschlandfunk.de/ratgeber-im-netz-dr-med-internet.740.de.html?dram:article_id=401071; Stand: 26.05.2020
Eichenberg C, Wolters C. Cyberchondria. In: Brähler E, Hoefert H-W, Hrsg. Lexikon der Modernen Krankheiten – Phänomene, Gefahren, Irrtümer. Berlin: MWV; 2015: 114-118
Baumgart J. Ärzte und informierte Patienten: Ambivalentes Verhältnis. Dtsch Arztebl 2010; 107: A 2554-2556
Wangler J, Jansky M. Internetassoziierte Gesundheitsängste in der hausärztlichen Versorgung – Ergebnisse einer Befragung unter Allgemeinmedizinern und hausärztlich tätigen Internisten in Hessen. Dtsch med Wochenschr 2019; 144 (16): e102-e108. doi: 10.1055/a-0842-8285
Powell J, Inglis N, Ronnie J et al. The characteristics and motivations of online health information seekers: cross-sectional survey and qualitative interview study. J Med Internet Res 2011; 13: e20. doi:10.2196/jmir.1600
Deutsches Ärzteblatt (2020). Im Internet: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/109158/Nationales-Gesundheitsportal-soll-im-Sommer-online-gehen; 26.05.2020



Autor

Dr. Julian Wangler

Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie
Universitätsmedizin Mainz
55131 Mainz

Co-Autoren: Dr. Philipp Stachwitz, Prof. Dr. Michael Jansky

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (2) Seite 28-30