Kapstadt, die Metropole am südwestlichsten Zipfel Südafrikas ist nicht nur einen Urlaubstrip wert, sondern bietet auch angehenden Ärzt:innen die Möglichkeit, im Rahmen des Studiums in zahlreichen Kliniken wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Der PJ-Student Sven Dengler hatte sich genau aus diesem Grund auf den Weg an die Südspitze Afrikas gemacht – doch dann kam die Corona-Pandemie dazwischen. Er berichtet, was er erlebt hat.

Beworben hatte ich mich für einen HNO-PJ-Platz eineinhalb Jahre vor dem geplanten Beginn des Auslandspraktikums und bekam schließlich eine Zusage für den Zeitraum vom 9. März bis zum 5. April 2020 im bekannten Groote Schuur Hospital in Kapstadt, in welchem 1967 Dr. Christiaan Barnard die erste Herztransplantation durchführte. Mit 900 Betten ist es eines der größten staatlichen Krankenhäuser, es wurde 1938 gegründet und beschäftigt aktuell über 500 Ärzt:innen sowie 1.300 Pfleger:innen.

Umfangreiche Palette von Krankheiten

Bei klinischen Praktika sind im Groote Schuur Hospital Studierende als sogenannte "Observants" eingeteilt, d. h. sie dürfen den Ärzt:innen zuschauen und Fragen stellen. Der Tag beginnt grundsätzlich mit einer morgendlichen Visite auf Station, der sog. "ward round". Anschließend gingen wir zusammen zur Behandlung der nicht stationären Patient:innen in die Ambulanz ("outpatient department"). Die Untersuchungsräume sind insgesamt gut, wenn auch mit teilweise antiquarischen Gerätschaften ausgestattet. Die Palette an Krankheiten, die ich an nur einem Tag zu sehen bekam, war erstaunlich umfangreich und reichte von einer Rhinosinusitis bis zu einer Pistolenkugel im Felsenbein und konsekutiver N. facialis-Parese.

Besonders auffallend ist der Kontrast zwischen Arm und Reich in Kapstadt. Diese schmerzhaften Gegensätze spiegeln sich auch in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wider. Während sich die Wohlhabenden (80 % der weißen und 12 % der schwarzen Bevölkerung) privat versichern und in Privatkliniken und Arztpraxen behandeln lassen können, bleibt für den Rest der Bevölkerung nur der Gang zu den teilweise maroden und eher dürftig ausgestatteten staatlichen Kliniken, wie z. B. dem Groote Schuur Hospital. Patient:innen mit geringem oder ohne Einkommen können in den vom Staat finanzierten Krankenhäusern kostenlos oder gegen eine symbolische Gebühr von einigen wenigen Rand Leistungen in Anspruch nehmen. Die Arbeitsbedingungen sind für das Krankenhauspersonal oft schlecht, die Anzahl der täglich zu behandelnden Patient:innen ist enorm hoch. Leider wird die ganze Situation zunehmend kritischer, da viele Ärzt:innen die Privatkliniken aufgrund besserer Bezahlung und weniger Arbeitsbelastung bevorzugen und den staatlichen Krankenhäusern bereits nach bestandener Facharztprüfung den Rücken kehren. Die Regierung ist bestrebt, durch die Einführung der National Health Insurance, also einer gesetzlichen Krankenversicherung, der Zwei-Klassen-Medizin bis 2025 den Kampf anzusagen. Ob das klappt, ist fraglich.

Harte Corona-Einschränkungen

SARS-CoV-2 hat auch Südafrika nicht verschont. Im Gegensatz zu Deutschland wurde in Südafrika schon bei 300 bestätigten Infektionen die Notbremse gezogen und für die breite Öffentlichkeit geltende Maßnahmen angekündigt. Diese fielen anfangs recht mild aus, wurden jedoch nach einer Woche verschärft, indem von der südafrikanischen Regierung eine dreiwöchige Ausgangssperre verhängt wurde. Selbst der Verkauf von Alkohol und Zigaretten wurde untersagt. Überwacht wurden diese drakonischen Maßnahmen außer von Polizisten auch von Soldaten, die mit Schnellfeuergewehren und Schlagstöcken in den Straßen patrouillierten.

Selbstredend galten die oben beschriebenen Maßnahmen auch für sämtliche Medizinstudierende. Vonseiten des Groote Schuur Hospitals wurden alle Student:innen offiziell vom Krankenhaus exkludiert, unabhängig davon, ob ein Verdacht auf eine Infektion bestand oder nicht. Diese Maßnahmen führten dazu, dass ich zwangsläufig mit anderen internationalen Student:innen in meiner Unterkunft verbleiben musste und nur noch auf die Möglichkeit einer baldigen Ausreise warten konnte. Da sämtliche Rückflüge aufgrund des landesweiten "Lockdowns" annulliert wurden, war ich auf die Unterstützung des Auswärtigen Amtes und die von der Regierung geplanten Rückholaktionen angewiesen. Vorbildlichen Einsatz hierfür leistet der deutsche Botschafter Herr Dr. Martin Schäfer von Pretoria aus.

Für einen Großteil der südafrikanischen Bevölkerung sehe ich aufgrund der herrschenden Rahmenbedingungen düstere Zeiten aufkommen. Viele Bewohner der Townships leben als Tagelöhner von der Hand in den Mund, zudem sind die Wohnverhältnisse und hygienischen Bedingungen in vielen Townships sehr schlecht. Das größte Problem haben jedoch insbesondere all diejenigen, die ernstzunehmende oder das Immunsystem schwächende Vorerkrankungen haben. Laut aktuellen Statistiken sind fast 30 % der Bevölkerung HIV-positiv. Zu diesen kommen unzählige Tuberkulose-Erkrankte.

Den Tafelberg erkunden …

Es wäre schlicht und ergreifend unwahr zu behaupten, dass lediglich die klinische Erfahrung der Grund für ein PJ in Südafrika war. Das am südlichsten gelegene Land Afrikas bietet außerordentlich viele touristische Ausflugs- und Reisemöglichkeiten. Es gibt unzählige Wanderrouten entlang und auf das Tafelbergmassiv. Besonders gefallen hat mir der Ausblick vom Lion’s Head sowie Devil’s Peak über ganz Kapstadt. Ein Must-do ist ein Ausflug zum Kap der Guten Hoffnung, wo der Indische und Atlantische Ozean aufeinandertreffen. Wer auf dem Rückweg einen Zwischenstopp am Boulder’s Beach in Simon’s Town einlegt, hat zahlreiche Möglichkeiten für Selfies mit Brillenpinguinen.

Mediziner:innen sehr willkommen
Student:innen sind jederzeit willkommen und gerne gesehen. Die Kontaktdaten des Groote Schuur Hospitals stelle ich gerne zur Verfügung.

Weitere bekannte Krankenhäuser, die PJ-Student:innen einen Platz anbieten, sind das Victoria Hospital, Tygerberg Hospital, Somerset Hospital oder das Mitchells Plain District Hospital.

Weinliebhaber:innen sollten an dieser Stelle zwingend einen Ausflug in die atemberaubend schöne Landschaft um Stellenbosch und Franschhoek einplanen. Die beiden Städte sind bekannt für ihre Lage und die vielen preisgekrönten Weingüter inmitten von Bergen, die dem Schweizer Alpenpanorama sehr nahekommen. Auch lohnt sich der Besuch des Kirstenbosch Botanical Gardens, der sich immer wieder in den Top 10 der schönsten botanischen Gärten wiederfindet. Vor allem im Sommer besticht Kirstenbosch mit exotischsten Pflanzen, Blumen und Gewächsen in den buntesten Farben.

… und auch die Townships

Was unstrittig zu Kapstadt gehört und somit auch fest eingeplant werden sollte, ist eine geführte Tour durch ein Township. Geleitet wird eine solche Tour von Bewohnern der Townships, die Touristen gerne einen tieferen Einblick in ihr Leben gewähren. Allein sollte man die Townships nicht nur nachts, sondern auch tagsüber meiden. Townships sollten nur mit einer geführten Gruppe besichtigt werden. Ebenso ist es ratsam, Wertgegenstände nicht sichtbar mitzuführen. Dennoch dürfen nicht alle Einwohner Kapstadts über einen Kamm geschert werden. Wer respektvoll, offen und wohlgesinnt mit den Locals umgeht, kann schnell in interessante Gespräche mit freundlichen, offenherzigen und lebensfrohen Menschen verwickelt werden. Vor allem auch im Krankenhaus habe ich besonders dankbare Menschen kennengelernt und von diesen viele wertvolle Tipps für meinen Aufenthalt in der "Mother City" bekommen.



Autor
Sven Dengler

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (1) Seite 66-68