Seit Jahren zeigen sich große Unterschiede bei den Kaufpreisen von Arztpraxen. So kann es vorkommen, dass eine hausärztliche Praxis für eine halbe Million verkauft wird. Andere Praxen aber werden "verschenkt" oder zu einem symbolischen Preis übergeben. Wie können Sie also rausfinden, was Ihre eigene Hausarztpraxis tatsächlich wert ist?

In den Jahren 2018 und 2019 haben Hausärzt:innen für die Niederlassung in einer Einzelpraxis durch Übernahme im Schnitt etwa 103.000 € gezahlt. Diese Durchschnittswerte eignen sich aber nur bedingt zur Orientierung, denn bei einer genaueren Betrachtung sind in dem Analysezeitraum rund zwei Drittel der Hausarztpraxen unter 100.000 € verkauft worden. Entsprechend sollte man im Einzelfall immer genau hinschauen und dabei alle Faktoren berücksichtigen, die den Wert einer Praxis beeinflussen können.

Materieller vs. ideeller Wert

Grundsätzlich gibt es keine Vorschriften, nach denen der Wert einer Hausarztpraxis zu berechnen wäre. Jede Praxis ist anders und besitzt individuelle Merkmale, die erst grob in zwei Bereiche unterteilt werden können: den materiellen und den ideellen Wert. Beide werden am Ende zusammengeführt und ergeben den Gesamtwert Ihrer Praxis. Was bedeutet das jetzt für Ihre Hausarztpraxis? Ihr materieller Wert − auch Substanzwert genannt − setzt sich aus dem Betriebsvermögen zusammen, dazu gehört das gesamte betriebsnotwendige Anlage- und Umlaufvermögen:

  • Praxis- und Laboreinrichtung
  • Medizinisch-technische Geräte
  • Vorräte und IT
  • Praxis- und Laborräume sowie Grund und Boden (bei Eigentum)

Den Wert der Praxisgegenstände in Ihrer Praxis ermitteln Sie am einfachsten mit Hilfe eines Inventarverzeichnisses, in dem die einzelnen Gegenstände festgehalten werden. Hilfreich kann auch das Anlagenverzeichnis sein, welches von der Steuerberater:in geführt wird und in der Regel als Anlage Ihren Jahresabschluss ergänzt.

Nun wird es aufwändiger: Beim ideellen Wert, dem sogenannten Goodwill, geht es im weitesten Sinne um das Vertrauenskapital, das Sie sich die Ärzt:in im Laufe der Jahre erarbeitet hat. Hier stehen alle organisatorischen und personellen Beziehungen im Mittelpunkt - womit der Patientenstamm, das Praxisteam, aber auch die Vernetzung in der Gesundheitsversorgung vor Ort gemeint sind. Es ist der Betrag, der zu dem ermittelten materiellen Wert hinzugerechnet wird und den tatsächlichen Kaufpreis der Arztpraxis mitbestimmt.

Methoden zur Wertermittlung

Eine Praxiswertermittlung ist also eine relativ komplexe Angelegenheit, vor allem wenn es um den ideellen Wert geht. Es gibt dafür grundsätzlich mehrere Methoden: angefangen von einer einfachen Formel, die Sie als Praxisinhaber:in problemlos selbst anwenden können, bis zu einem umfangreichen externen Gutachten.

Einen ersten Anhaltspunkt für den ideellen Betrag liefern Ihnen einfache Faustformeln, die sich am Umsatz und Gewinn Ihrer Hausarztpraxis orientieren. Schauen Sie sich dafür den durchschnittlichen Jahresumsatz der letzten drei bis fünf Jahre an und dividieren sie durch vier − oder alternativ: Sie nehmen die Hälfte Ihres durchschnittlichen Jahresgewinns der letzten drei bis fünf Jahre als Grundlage. Diese stark vereinfachten Rechnungen liefern Ihnen als Praxisinhaber:in allerdings nur einen sehr groben Wert, der viele Potenziale in Ihrer Praxis unberücksichtigt lässt. Eine genauere Analyse, die z. B. im Rahmen einer Existenzgründungs- oder Abgabeberatung erfolgt, ist die Methode des sogenannten modifizierten Ertragswertverfahrens: Dabei werden vor allem die Besonderheiten des Standorts und der Praxis berücksichtigt, sodass auch zukünftig erzielbare Überschüsse sowie alternative Einkommensmöglichkeiten der Praxisübernehmer:in einkalkuliert werden. Das Ergebnis ist eine Preisspanne, die als Orientierungshilfe für die weitere Planung dienen kann (siehe Abb. 1).

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat ein Verfahren zur Ermittlung des ideellen Praxiswertes entwickelt: nach den sogenannten "Hinweisen zur Bewertung von Arztpraxen". Diese geben Anhaltspunkte, sie stellen aber keine Grundlage für eine abschließende Bewertung im Einzelfall dar.

Allen diesen Methoden ist eines gemeinsam: Es handelt sich um rein technische Wertschätzungsoptionen. Ob ein so ermittelter Praxiserlös realisiert werden kann, ist auch von anderen Faktoren abhängig, wie beispielsweise dem aktuellen Versorgungsgrad in Ihrer Region und dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage.

Dasselbe gilt für ein detailliertes Praxisgutachten. Auch dieses garantiert Ihnen nicht, dass Sie den ermittelten Preis am Markt tatsächlich definitiv erzielen können. Ein solches Gutachten basiert auf differenzierten Modellrechnungen und den Einzelbetrachtungen aller notwendigen Datenerhebungen. Ein solches Wertgutachten wird bei zertifizierten Sachverständigen in Auftrag gegeben, die gegen entsprechendes Honorar die Praxisbewertung durchführen. Und das kann durchaus bis zu vier Wochen Arbeitszeit in Anspruch nehmen.

Jede Praxis ist anders, auch Ihre

Eine möglichst genaue Wertermittlung kann also nur individuell erfolgen und sollte sich nicht nur auf Zahlen, sondern auch auf die sogenannten "weichen" Faktoren stützen: Das kann Ihr individuelles Leistungsspektrum als Praxis mit einem besonderen Angebot wie beispielsweise Akupunktur oder eine andere Zusatzqualifikation sein. Auch spielen die Patientenstruktur oder die Praxisorganisation mit digitalen Abläufen und einem gut organisierten, qualifizierten Team eine wichtige Rolle. Eine gute Vernetzung mit den Gesundheitsakteuren vor Ort, wie Praxisnetze oder Kooperationen mit Pflegeheimen, kann den Praxiswert ebenso nach oben schrauben. Ein modernes Erscheinungsbild und ein guter Ruf sind zwar schwer bezifferbar, äußern sich aber letztlich auch in den Gesamterträgen.

All diese Gegebenheiten beeinflussen den Wert Ihrer Hausarztpraxis, denn sie sind die Basis für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg. Entsprechend können diese Potenziale immer nur für die spezifische Situation einer Praxis ermittelt werden, sie werden in die Zukunft projiziert, um die zu erwartenden Erträge zu bestimmen.

Besonders wichtig: die Lage

Eine besonders große Rolle unter den weichen Faktoren spielt der Praxisstandort. Dabei ist nicht nur Stadt oder Land gemeint, sondern auch die unmittelbare Umgebung. Wie weit entfernt ist die nächste Praxis mit einem vergleichbaren Leistungsspektrum? Wie viele Praxen mit Ärzt:innen anderer Fachrichtung gibt es in Ihrem Einzugsgebiet? Wie ist das Verhältnis zwischen den Einwohner:innen und den hier niedergelassenen Ärzt:innen?

Es kann für die Bewertung Ihrer Praxis bereits wertvoll sein, wenn in der Nähe eine Bus- oder Bahnhaltestelle ist und sie somit für Patient:innen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist. Auch andere scheinbar banale Gegebenheiten wie Parkplätze direkt vor der Praxis oder in der unmittelbaren Nähe wirken sich positiv aus. Ebenso die allgemeine Attraktivität und das Entwicklungspotenzial der Örtlichkeit, in der die Praxis liegt.

Eine professionelle Standortanalyse bezieht zusätzlich noch die Parameter zur Entwicklung der Kaufkraft, Erwerbstätigkeit, Bevölkerungsdichte sowie Altersgruppenverteilung vor Ort mit ein.

Wert nicht nur halten, sondern steigern

Den Praxiswert zu kennen ist das eine, ihn im Praxisalltag zu erhalten oder sogar zu steigern das andere. Dabei ist die "Formel" dafür eigentlich simpel: Investiert man nicht, sinkt der materielle Praxiswert. Also ist es sinnvoll, schon um den Wert zu halten, keinen Investitionsstau aufkommen zu lassen. Und schon gar nicht, wenn Sie in absehbarer Zeit an eine Praxisabgabe denken. Gerade dann ist es wichtig, Ihre Praxis auf dem neuesten Stand zu halten. Das lohnt sich schon allein deshalb, weil sich die Aufwendungen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Verkaufspreis wiederfinden. Aber auch sonst sind Investitionen, die Sie in die Räumlichkeiten, in neue Medizintechnik oder die digitale Aufstellung Ihrer Praxis tätigen, keineswegs nur als reine Ausgabe zu sehen. Sie sorgen vielmehr für ein modernes Arbeitsumfeld, in dem sich auch Ihre Mitarbeiter:innen wohlfühlen, was auch zur Produktivität des Teams beiträgt. Für jedes Investitionsvorhaben gilt auch, die Kosten und den Nutzen gegeneinander abzuwägen. Es empfiehlt sich z. B., eine größere Anschaffung mit der Steuer- oder Bankberater:in zu prüfen, denn ob sie sich lohnt und für die Werterhaltung oder sogar Wertsteigerung der Praxis dienlich ist, kann ermittelt werden. Eine erste Praxiswertermittlung können Sie selbst vornehmen, für stichfeste Daten & Fakten empfiehlt sich dann die Unterstützung durch externe Expert:innen.

SURFTIPP - Womans Networtking Lounge (WNL)
Zusammen mit anderen Expertinnen engagiert sich Uta Keller für die Plattform WNL, die u. a. kostenfreie Webinare anbietet.



AutorIn

© apoBank
Ute Keller

Leiterin der Filiale Stuttgart
der Deutschen Apotheker- und Ärztebank
www.apobank.de
ute.keller@apobank.de

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (8) Seite 63-65