Eine 69-jährige Patientin beklagt seit 2017 rezidivierende Papeln an verschiedenen Lokalisationen mit neuropathischem Schmerz. Es sei Herpes zoster. Labor: IgG-Ak: 1.500 mU/ml (18.09.2018), IgA-Ak: 10,6 U/ml (18.09.2018). Als Privatpatientin sucht sie Fachkollegenauf. Berichte bekommen wir nicht. Sie nimmt chronisch Aciclovir 800, Pregabalin, Lidocain-Pflaster. Eine COVID-19-Impfung lehnt sie wegen des Herpes zoster ab.

Frage 1: Sind rezidivierende Reaktivierungen eines H. zoster an wechselnden Lokalisationen denkbar?

Antwort: Die Patientin hat alleine durch ihr Alter (> 60 Jahre) eine eingeschränkte T-Zell-Immunität. Deshalb treten Herpes-zoster-Fälle vor allem bei über 60-jährigen Menschen auf.

Bei dem – seltenen – generalisierten Herpes zoster können Läsionen auch an wechselnden Lokalisationen – also nicht auf ein oder mehrere Dermatome begrenzt – auftreten.

Rezidivierender Zoster ist bei immunkompetenten Menschen ungewöhnlich. Da die Patientin neben ihrem Lebensalter offenbar keine weitere schwere Immunsuppression hat, glaube ich nicht, dass es sich um einen generalisierten rezidivierenden Herpes zoster handelt.

Hier sollte zunächst eine Diagnostik erfolgen, und zwar eine Hautbiopsie zum Nachweis oder Ausschluss der Herpes-zoster-Infektion mittels Immunhistochemie, In-situ-Hybridisierung oder PCR am Nativpräparat aus den Läsionen. Der molekulare Nachweis von VZV-DNA mittels PCR gilt heute als Goldstandard für die Labordiagnostik der VZV-Infektion. Die modernen Realtime-PCR-Verfahren haben bei korrekter Durchführung und kontaminationsfreien Bedingungen eine Sensitivität und Spezifität nahe 100 %. Bei negativer PCR ist die Histologie eine wichtige Basis für die Differenzialdiagnostik.

Falls die Patientin eine Hautbiopsie ablehnt, kann ein Abstrich aus den Läsionen mittels PCR auf VZV-DNA untersucht werden. Für die Abstriche werden geflockte Tupfer oder Nylontupfer mit stabilisierendem Transportmedium empfohlen, die von den meisten Laboren für die Diagnostik zur Verfügung gestellt werden. Zum Nachweis der VZV-DNA im Abstrich muss nicht unbedingt ein flüssigkeitsgefülltes Bläschen vorhanden sein. Auch im makulopapulösen Anfangsstadium sowie bei in Abheilung befindlichen Läsionen kann die Virus-DNA in aller Regel zuverlässig detektiert werden. Bei Krusten sollte der oberflächliche Schorf entfernt und am Krustengrund abgestrichen werden. Im mit den Tupfern gelieferten Flüssigmedium sind die Abstriche über mehrere Tage stabil und können auf dem normalen Postweg ins Labor transportiert werden (S2k-Leitlinie "Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie", AWMF, 2019).

Zur Antikörperdiagnostik: Bei der Patientin wurden einmalig – am 18.9.2018 – IgG- und IgA-Antikörper bestimmt. Die Serologie zur Bestimmung der VZV-spezifischen IgM-, IgG- und IgA-Antikörper mittels Immunoassay ist für die Akutdiagnostik des Herpes zoster nicht geeignet, kann aber bei der Abklärung zosterähnlicher Schmerzen (welche die Patientin ja hat) oder zosterassoziierter (Facialis-)Paresen hilfreich sein. Im Verlauf der Erkrankung steigen die Konzentrationen der IgG-Antikörper sehr deutlich an, zusätzlich können häufig IgA-Antikörper und seltener auch IgM-Antikörper gegen VZV nachgewiesen werden. Die Antikörpertiter sollten – so sie denn überhaupt bestimmt werden – immer im zeitlichen Verlauf bewertet werden: Subklinische Reaktivierungen können nämlich ebenfalls zu einem Anstieg der Antikörpertiter führen.

Mein Vorschlag: Hautbiopsie aus einer der Läsionenvornehmen mit Immunhistologie und PCR zum Nachweis von VZV-DNA.

Die Ergebnisse der Antikörperbestimmungen verunsichern die Patientin eher. Falls sie auf Antikörperbestimmungen besteht: Verlaufsuntersuchungen beim gleichen Labor durchführen lassen – die "Normwerte" können von Labor zu Labor erheblich schwanken.

Frage 2: Woran sollte man differenzialdiagnostisch denken? Weitere Diagnostik?

Antwort: Ohne Fotodokumentation und ohne die Patientin/die Läsionen gesehen zu haben, ist eine Differenzialdiagnose alleine auf Grundlage der Beschreibung schwierig. Bei den "rezidivierenden Papeln" kann es sich – je nach Lokalisation – um eine bakterielle Infektion, um einen rezidivierenden Herpes simplex, eine Lues oder um eine Autoimmunkrankheit handeln.

Unabhängig davon wird – falls durchgeführt – die histologische Untersuchung der Hautbiopsie richtungsweisend sein (siehe oben).

Falls in der PCR vom Material der Läsionen wirklich VZV-DNA nachweisbar ist – was ich für unwahrscheinlich halte –, müssen Erkrankungen, welche zu einer schweren Einschränkung der T-Zell-Immunität führen, ausgeschlossen werden. Auch ein HIV-Test sollte dann durchgeführt werden.

Frage 3: Gibt es medizinische Gründe, die gegen eine COVID-19-Impfung sprechen?

Antwort: Diese Frage kann ganz klar mit "Nein!" beantwortet werden.

Alleine aufgrund ihres Lebensalters hat die Patientin ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Infektion mit SARS-CoV-2. Die rezidivierenden Hauteffloreszenzen stellen keine Kontraindikation gegen eine Impfung dar.

Die Impfung gegen SARS-CoV-2 sollte der Patientin erneut dringend empfohlen werden. Das Aufklärungsgespräch zu der Empfehlung sollte in der Patientenakte dokumentiert werden.


Literatur:
AWMF S2k-Leitlinie "Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie". 2019.AWMF-Register-Nr.: 013-023, 2019, Erstveröffentlichung: 12/2000, Überarbeitung von: 05/2019


Autor

Dr. Andreas Leischker

Chefarzt, Klinik für Geriatrie
Krankenhaus Maria-Hilf
Alexianer Krefeld GmbH
47918 Krefeld



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (6) Seite 40-41