Frage: Meine 28-jährige Patientin ohne gynäkologische Auffälligkeiten stellte sich bei mir auf Anraten ihrer Frauenärztin zur Abklärung ihrer Schilddrüse vor, da seit ca. einem Dreivierteljahr ein Kinderwunsch besteht und dieser sich bisher noch nicht erfüllt hat.

Bei der sonographischen und laborchemischen Untersuchung der Schilddrüse zeigte sich ein unauffälliger Befund, der TSH-Wert lag bei 2,0. Laut Frauenärztin sollte ein TSH-Wert um 1,0 angestrebt werden.

Bedeutet dies, dass ich der Patientin ein Schilddrüsenhormon geben soll, um den gewünschten TSH-Wert zu erreichen, auch wenn diese "schilddrüsengesund" ist?

Antwort:Diese Fragestellung begegnet uns in der hausärztlichen Praxis immer wieder: Frauen, die im Rahmen eines Kinderwunsches vorstellig werden, weil seitens der Gynäkolog:innen eine TSH-Bestimmung und ggf. eine Einstellung auf einen bestimmten Zielwert mittels der Gabe von L-Thyroxin gewünscht wird. Es gibt keinen Nachweis, dass bei euthyreoter Stoffwechsellage durch die Gabe von L-Thyroxin der Eintritt einer Schwangerschaft begünstigt wird.

Eine niedrigdosierte Therapie ist zwar insgesamt mit geringen Risiken für die Frauen verbunden, es ist aber zu bedenken, dass die L-Thyroxin-Gabe dazu führen kann, dass die Frauen mit Kinderwunsch in eine iatrogene Hyperthyreose "therapiert" werden. Dadurch ausgelöste Beschwerden wie Tachykardie und Unruhegefühl können gerade für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch sehr unangenehm sein.



Autor:in
Dr. med. Armin Wunder
Dr. med. Jeannine Schübel
Institut für Allgemeinmedizin
Johann Wolfgang Goethe-Universität
60590 Frankfurt

Erschienen in: doctors|today, 2022; (3) Seite 54