Dass auf dem "Fachärztetag" ein Hausärztethema im medialen Fokus stand, war schon ungewöhnlich. Doch beim Streitgespräch zwischen Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt und dem FDP-Chef Christian Lindner über die zukünftige Rolle der Ärzteschaft preschte Reinhardt mit seinem Schlagzeilen-tauglichen Statement vor: Die Einzel-Landarztpraxis sei ein "wunderbares Klischee" und sei sicher eine "schöne Tätigkeit". Er glaube aber "definitiv nicht", dass sie noch als Modell für die Zukunft tauge.

Hausärzt:innen im Team mit vielen

Sicherlich liegt Reinhardt mit seiner Vorhersage nicht ganz falsch, dass Ärzt:innen auf dem Land künftig in einer "hausärztlichen Einheit" in größeren Einzugsgebieten im Team mit Kommunen, Spezialist:innen, Pflegediensten, therapeutischen Berufsgruppen, geriatrischen Einrichtungen und auch Kliniken tätig sein werden. Dabei nahm er gleich die Kassenärztlichen Vereinigungen kritisch ins Visier, die hierfür noch nicht ausreichend Fantasie entwickelt hätten. Reinhardts zutreffende Botschaft: Es ist an der Zeit, jetzt aktiv zu werden und zusammen gestaltend aufzutreten. Ein Irrglaube ist es allerdings, wenn der BÄK-Präsident meint, dass Ärzt:innen heute weiter unternehmerisch gestaltend und nicht als Angestellte im Rahmen einer hausärztlichen Einheit tätig sein wollen. Fakt ist doch genau das Gegenteil: Viele Ärzt:innen wollen heute immer weniger das hohe unternehmerische Risiko der Selbstständigkeit eingehen. Die ständig steigende Zahl an angestellten Ärzt:innen in MVZ und größeren Praxen untermauert dies deutlich.

Ganz im Sinne des Spitzenverbands Fachärzte (SpiFa) war aber dann doch noch das Vorpreschen Christian Lindners, der vorschlug, die Vergütungssysteme und die Frage eines "richtigen Verhältnisses von ambulant zu stationär" z. B. auch in solch größeren hausärztlichen Einheiten auf dem Land auf den Prüfstand zu stellen. Denn schon im September 2019 hatte der SpiFa sein Konzept zu intersektoralen Leistungen vorgelegt, wonach künftig Leistungen von Klinikärzt:innen und von niedergelassenen Ärzt:innen in einem Kooperationsgebot erbracht werden sollen. Nötig ist hierfür aber die Einrichtung eines eigenen ambulant-stationären Versorgungsbereichs, von dem in einer größeren Versorgungsstation auf dem Land sowohl die Hausärzt:innen (kurze Wege bei Überweisungen für kleinere stationäre Eingriffe) wie auch die etablierten Krankenhäuser (Entlastung bei niedrigschwelligen Ops) profitieren würden.

Alles nur Wunschdenken?

Alles schön und gut – doch leider nur Wunschdenken. Die Praxis sieht anders aus. Denn am vielbeschworenen partnerschaftlichen Denken – zwingende Voraussetzung für eine "hausärztliche Einheit" – hapert es gewaltig. Solange keine Berufsgruppe bereit ist, freiwillig etwas abzutreten (Stichwort Delegation), und viele Berufsgruppen weit unter ihrem Wert arbeiten müssen (Pfleger:innen, Physiotherapeut:innen), wird aus einer auf Augenhöhe ausgerichteten hausärztlichen Versorgungseinheit so schnell nichts werden, fürchtet Ihr


...fürchtet Ihr

Raimund Schmid


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (2) Seite 31