Welch ein Wandel! Jahrzehntelang nahmen sich die Allgemeinärzt:innen beim berufspolitischen Oktoberfest anlässlich der practica in Bad Orb bestimmte ärztliche wie nichtärztliche Berufsgruppen vor, die in die Phalanx der ureigenen hausärztlichen Versorgung einbrechen wollten. Zuletzt traf es vermehrt die Physician Assistants. Auch den Hausarzt-Internisten wurde immer wieder schonungslos vor Augen geführt, warum sie allenfalls Hausärzt:innen zweiter Klasse sein können. Doch in diesem Jahr wollte man kaum seinen Ohren trauen, als der neue Chef des Hausärzteverbandes Dr. Markus Beier ankündigte, er wolle nun die Hausarzt-Internisten mit ins gemeinsame Hausarzt-Boot nehmen und sie dafür sogar umarmen.

30 % kommen aus der Inneren Medizin

So weit wollten selbst die Hausarzt-Internisten bisher nicht gehen, obwohl sie sich schon immer sehr viel offener für eine gedeihliche Zusammenarbeit ausgesprochen haben. Immer wieder wiesen sie darauf hin, dass inzwischen über 30 % der Hausärzt:innen (rund 17.000) aus der Inneren Medizin kommen – Tendenz steigend. Währenddessen stagniert die Zahl der Allgemeinmediziner:innen eher oder nimmt in manchen Regionen sogar ab. Dabei haben die hausärztlich tätigen Internist:innen bisher sogar eine Reihe von Benachteiligungen in Kauf genommen. Das trifft für die Weiterbildung genauso zu wie auf ihre Rolle als Weiterbilder. Zudem werden sie nach wie vor bei der Abrechnung bestimmter Untersuchungen und Behandlungen benachteiligt. Dieses Ungleichgewicht räumt nun auch der Hausärzteverband ein. Zwei Entwicklungen haben die Hinwendung zu den Hausarzt-Internist:innen auch an der allgemeinärztlichen Basis jetzt aber beschleunigt. Zum einen die Erkenntnis, dass die hausärztliche Versorgung ohne die Hausarzt-Internist:innen gar nicht mehr zu leisten ist und die Fachgruppe – aufgrund höherer Weiterbildungsquoten – immer wichtiger für die Hausarztversorgung wird. Zum anderen die Furcht davor, dass die Politik andere Wege gehen wird, wenn die Hausärzt:innen gemeinsam die Versorgung nicht mehr stemmen können. Dann werden eben andere wie die Apotheker, die Community Health Nurse oder akademisierte nicht ärztliche Gesundheitsberufe etwa in Gesundheitskiosken als Primärversorger vermehrt ihre Ansprüche geltend machen.

Lotsenfunktion darf nicht erschwert werden

Und genau das möchten alle hausärztlich tätigen Ärzt:innen verhindern. Denn dann würden noch mehr Schnittstellen entstehen, die ihre Lotsenfunktion drastisch erschweren würden. Zudem droht die Gefahr, dass auch Mittel aus dem ureigenen hausärztlichen Bereich abgezogen würden, mit denen dann die Leistungen der anderen Berufsgruppen finanziert werden müssten. Da beißt man doch lieber in einen gemeinsamen hausärztlichen Apfel, auch wenn dieser manchem durchaus säuerlich schmecken dürfte,


... meint Ihr

Raimund Schmid


Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (12) Seite 31