Der 125. Deutsche Ärztetag wird von einigen bereits als historisch bezeichnet. Denn erstmals beschäftigte sich das Ärzteparlament ausführlich mit der globalen Herausforderung des Klimawandels und suchte nach Wegen, wie die Ärzteschaft darauf reagieren kann. Deutlich wurde, dass Ärzt:innen nicht nur für die Wiederherstellung der Gesundheit von Patient:innen zuständig seien, sondern auch für gesunderhaltende Lebensbedingungen. Parallel dazu fragte eine Erhebung, wie nachhaltig unser Gesundheitssystem derzeit eigentlich ist. Hausärzt:innen zeigen sich hier besonders engagiert.
Einig war man sich beim Ärztetag darin, dass eine gesunde Umwelt eine Grundvoraussetzung für die Gesundheit ist. Und um die Gesundheit kümmern sich hierzulande über 100.000 Arztpraxen, rund 50.000 niedergelassene Zahnärzt:innen sowie knapp 19.000 öffentliche Apotheken in der ambulanten Versorgung. Doch welchen Stellenwert besitzt die Nachhaltigkeit in den Praxen derzeit und welche Hindernisse gibt es? Eine Umfrage der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) gibt etwas Aufschluss.
Ärzt:innen fühlen sich zuständig
90 % der Befragten gingen davon aus, dass Maßnahmen, die einen positiven Effekt auf Umwelt und Klima haben, gleichzeitig die Gesundheit verbessern und die Lebensqualität steigern. 75 % fühlen sich jedoch auch selbst dafür zuständig, Patient:innen zu einer nachhaltigen Lebensführung zu animieren. Alles in allem zeigte sich ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl der Heilberufler:innen beim Thema Klimaschutz. Bei mehr als der Hälfte der Befragten resultierte dieses daraus, dass sie selbst schon die gesundheitlichen Auswirkungen wahrgenommen haben, die aus der Klimaverschmutzung resultieren.
Nachhaltigkeit hat in Praxen einen hohen Stellenwert
Die Studie zeigt, dass Nachhaltigkeit in deutschen Praxen und Apotheken durchaus ein aktuelles Thema ist: Für 61 % der Befragten hat sie einen hohen Stellenwert, für 28 % sogar eine sehr hohe Relevanz. Auf einer Skala von 1 (nicht nachhaltig) bis 10 (sehr nachhaltig) bewerten die Heilberufler:innen ihre Praxen und Apotheken durchschnittlich mit 6,2. Die größten Treiber für mehr Nachhaltigkeit sind dabei die eigene Überzeugung oder die soziale Verantwortung gegenüber der nachfolgenden Generation.
Auch die Wirtschaftlichkeit spielt eine Rolle
Fast alle abgefragten ökologischen Maßnahmen werden von mindestens der Hälfte der Niedergelassenen bereits berücksichtigt – allem voran das Entsorgungsmanagement, wie beispielsweise Mülltrennung, Recycling oder die Nutzung von Mehrwegprodukten. Dicht gefolgt von einem ressourcenschonenden Energieverbrauch, sei es durch Ökostrom oder energieeffiziente Geräte, und der Digitalisierung im Sinne einer papierlosen Praxis bzw. Apotheke.
Auch wirtschaftliche Fragen spielen eine Rolle
Nach der eigenen Motivation befragt, nennt die Mehrheit neben intrinsischen Faktoren wie persönlicher Überzeugung und sozialer Verantwortung auch die Senkung der Betriebskosten. Denn tatsächlich müssen die Niedergelassenen die Wirtschaftlichkeit ihrer Praxen stets im Auge behalten. Wenn es an nachhaltigen Alternativen mangelt oder ein hoher Zeit- und Kostenaufwand für mehr Nachhaltigkeit zu realisieren ist, bremst dies eine nachhaltige Entwicklung eher aus, so ein Ergebnis der Studie.
Hausärzt:innen sehen sich in der Verantwortung
Bei Hausärzt:innen hat Nachhaltigkeit die höchste Relevanz: Mehr als ein Drittel der Befragten gibt an, dass das Thema im persönlichen Umfeld einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Jede Dritte sieht die eigene Praxis als sehr nachhaltig aufgestellt – der höchste Wert im Berufsgruppenvergleich. Ein möglicher Grund: Hausärzt:innen sind die Berufsgruppe, die in ihrem eigenen Tätigkeitsbereich eine deutliche Zunahme der gesundheitlichen Auswirkungen durch Umweltverschmutzung wahrnimmt (60 %). Entsprechend fühlen sich 84 % selbst dafür zuständig, zu einer nachhaltigen Lebensführung zu animieren.
Als deutliche Lehre aus der Corona-Pandemie offenbart die Umfrage einen starken Wunsch nach einer nachhaltigen Modifizierung des Gesundheitswesens: 90 % sind der Meinung, dass das Gesundheitssystem in Deutschland resilienter, krisensicherer und präventiver gestaltet werden muss. 88 % fordern nachhaltigere Versorgungskonzepte. Dass auch die Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit sorgen könnte, stößt allerdings nur bei jeder Zweiten auf Zustimmung.
Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (1) Seite 26-27