Mit dem Masterplan Medizinstudium 2020, der vor sechs Jahren beschlossen worden war, sollte das Medizinstudium mehr Praxisnähe erhalten und vor allem auch das Fach Allgemeinmedizin mehr in den Fokus rücken. Damit wollte man auch erreichen, dass mehr Medizinstudierende sich intensiver mit der Allgemeinmedizin beschäftigen und sich so später vielleicht für eine Tätigkeit in einer Hausarztpraxis entscheiden. Inzwischen schreibt man das Jahr 2023, aber der schöne Masterplan liegt wohl noch länger auf Eis.

Der schon im Jahr 2017 beschlossene Masterplan Medizinstudium 2020 sieht unter anderem eine Stärkung der Allgemeinmedizin in der Ausbildung der Medizinstudierenden vor. Für das Praktische Jahr, das auch kurz als PJ bezeichnete sechste Studienjahr, empfiehlt er deshalb die Unterteilung in Viertel, von denen eines im ambulanten Bereich absolviert werden muss.

Träten die empfohlenen Änderungen für das Medizinstudium in Kraft, würden knapp 30 % der Medizinstudierenden einen Abschnitt des Praktischen Jahres in der Allgemeinmedizin absolvieren, etwa 20 % geben das Fach als Berufswunsch an. Dieses Umfrageergebnis des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Jena zeigte, wie groß das Interesse des ärztlichen Nachwuchses am Hausarztberuf ist.

Sind die Kosten zu hoch?

Inzwischen sind fast 6 Jahre vergangen, und von der anfänglichen Euphorie über die Reform ist kaum noch etwas zu spüren. Tatsächlich ist es schon länger ziemlich still geworden um den Masterplan, davon umgesetzt worden ist noch gar nichts. Ulrich Weigeldt, dem ehemaligen Bundesvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbands (DHÄV), schwante schon vor geraumer Zeit, woran das liegt: Zwar seien sich die Gesundheitsminister:innen der Länder recht schnell einig gewesen, doch seitdem stünden die Kultus- und Wissenschaftsministerien auf der Bremse, vor allem, weil sie die damit verbundenen Kosten scheuten. Es gebe einen regelrechten Aufstand bei den Universitäten, so Weigeldt, und den könne er sogar verstehen. Denn es müssten erhebliche Summen umgeschichtet werden aus Bereichen, die deutlich weniger relevant für die medizinische Versorgung seien als die Hausarztmedizin.

So hatte der Medizinische Fakultätentag (MFT) ausgerechnet, dass die Universitäten nach der Umstellung 400 bis 500 Millionen Euro pro Jahr benötigen würden. Für jeden einzelnen Medizinstudienplatz wären dies 40.000 Euro. Diese Zahlen hielt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Prof. Dr. Martin Scherer, allerdings schon damals für völlig aus der Luft gegriffen. Die DEGAM rechne eher mit rund 6.000 Euro pro Studierendem, die MFT-Schätzung sei völlig überzogen, so Scherer, und er räumte auch gleich mit einem weiteren Vorurteil auf, das die Gegner:innen des Masterplans immer wieder ins Spiel bringen: Die Hausärzt:innen seien sehr wohl in der Lage, ausreichend Lehrpraxen für die praktischer werdende Medizinerausbildung bereitzustellen. Bereits jetzt stünden dafür 6.500 akkreditierte Lehrpraxen zur Verfügung.

Nachdem sich eine Facharbeitsgruppe von Vertreter:innen der Gesundheits- und Wissenschaftsministerien nun erneut ein Jahr mit dem Masterplan auseinandergesetzt und kostendämpfende Kompromisse gefunden hat, sah es aber im Frühjahr 2023 tatsächlich so aus, als ob die Ministerpräsident:innen der Länder die dringend notwendige Reform der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO), Kernstück des Masterplans Medizinstudium 2020, doch noch unter Dach und Fach bringen könnten.

Doch auch diese Hoffnung hat sich erst einmal zerschlagen. Wie im März 2023 bekannt wurde, steht der von der Facharbeitsgruppe vorgelegte Entwurf nun doch nicht mehr auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz. Vielmehr wurde er offenbar an die Facharbeitsgruppe zurücküberwiesen.

"Uns läuft die Zeit davon"

"Wieder werden dringend notwendige Reformen für den ambulanten Sektor weiter ausgesessen", kommentierte Dr. Wolfgang Ritter, der Landesvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV), diesen Vorgang.

"Uns läuft die Zeit davon. Es hören mehr Hausärztinnen und Hausärzte auf als nachkommen. Um diesen Negativtrend zu stoppen, brauchen wir dringend die stärkere Praxisnähe und Orientierung an allgemeinmedizinischen Inhalten im Medizinstudium, die mit der Reform der ÄApprO erreicht werden soll. Nur so wird die Allgemeinmedizin präsenter im Studium und von den Studierenden als attraktives Berufsziel wahrgenommen", fordert Ritter. "Die Facharbeitsgruppe hat sich bereits mehr als ein Jahr mit dem Thema befasst. Es ist an der Zeit, endlich Entscheidungen zu treffen und die primärmedizinische Versorgung in der Ausbildung zu stärken. Eine zeitnahe Reform der ÄApprO ist unerlässlich, um die wohnortnahe ambulante hausärztliche Versorgung flächendeckend zu sichern", unterstreicht der BHÄV-Chef in einer Stellungnahme.

Hausärzteverband macht Druck

Aus Sorge, dass der "Masterplan Medizinstudium 2020" erneut auf die lange Bank geschoben werden könnte, wenden sich nun die Vorsitzenden der Landesverbände im Deutschen Hausärzteverband in einer konzertierten Aktion mit einem Schreiben direkt an die Ministerpräsidenten in ihrem jeweiligen Bundesland, in dem sie dien dringende Bitte äußern, das Thema nicht noch weiter auf die lange Bank zu schieben, sondern es bei der Konferenz der Regierungschef:innen der Länder am 15. Juni 2023 abschließend zu erörtern und sich für eine Verabschiedung der reformierten Ärztlichen Approbationsordnung einzusetzen.

Man darf gespannt sein, ob dieser Wunsch erhört werden wird oder ob noch weitere Jahre verstreichen müssen, bis der Stellenwert der Allgemeinmedizin sich endlich auch im Medizinstudium widerspiegeln wird.



Autor
Dr. Ingolf Dürr


Experte

© BHÄV
Dr. Wolfgang Ritter

Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV)

Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (5) Seite 20-21