Verletzungen an der Hand werden gelegentlich übersehen, falsch eingeschätzt oder fehlerhaft therapiert. Dieser Artikel gibt einen Überblick über häufig vorkommende Handverletzungen, die vom Hausarzt primär versorgt werden können. Außerdem werden Gesichtspunkte bei der Weiterbehandlung nach Erstversorgung in der Klinik sowie mögliche Präventionsmaßnahmen erörtert.
Neben Bissverletzungen können vor allem Verletzungen primär versorgt werden, für die keine weitere Bildgebung, wie z. B. ein Röntgenbild, benötigt wird. Nicht immer lässt sich die Notwendigkeit einer Bildgebung jedoch sicher ausschließen. Ein Beispiel: Ein rein tendinöser Strecksehnenausriss auf Höhe des Endgliedes kann konservativ mit einer Ruhigstellung, z. B. in einer Stack´schen Schiene, versorgt werden. Bei einem knöchernen Strecksehnenausriss, abhängig von der Größe des knöchernen Fragmentes, kann jedoch auch eine Operation angezeigt sein.
Für die reine Schnittverletzung an der Hand oder den Fingern ist meist keine bildgebende Diagnostik erforderlich. Die Versorgung kann nach einer ausführlichen klinischen Untersuchung vom Hausarzt durchgeführt werden. Eine antibiotische Abdeckung ist je nach Größe und Verschmutzungsgrad der Wunde sinnvoll. Sie ist zu empfehlen bei Verletzungen mit keimbelastetem Schneidewerkzeug, wie einem Messer, mit dem zuvor Fleisch, Fisch o. Ä. bearbeitet wurde. Generell gilt: Die Indikation einer Antibiose sollte kritisch geprüft werden. Nicht jede Schnittverletzung muss, auch wenn sie bedingt verunreinigt ist, antibiotisch therapiert werden.
Bei der Untersuchung ist darauf zu achten, dass keine Schädigungen der Streck- und Beugesehnen und keine Verletzung wichtiger Finger- bzw. Handnerven eingetreten sind:- Prüfung der Strecksehne: Streckung des Fingers, auch gegen Widerstand
- Prüfung der Beugesehnen: Prüfung der oberflächlichen (Flexor digitorum superficialis, FDS) und der tiefen Beugesehnen (Flexor digitorum profundus, FDP)
- Prüfung der Fingernerven: Testung jeweils des radial- und ulnarseitigen Fingernerven
- Prüfung des Kapselbandapparates: Stabilitätsprüfung der Seitenbänder und der Gelenkkapsel von Grund-, Mittel- und Endgelenken
Im Zweifel gilt: Zweitmeinung beim Handchirurgen einholen!
Nachbehandlung beim Hausarzt
Patienten werden häufig im Krankenhaus erstversorgt und zur anschließenden Therapie zum niedergelassenen Hausarzt geschickt. Das weitere Vorgehen ist dann mitunter nicht klar definiert und strukturiert angegeben. So werden konservativ zu behandelnde Frakturen oft aus Angst vor sekundären Luxationen zu lange und invasiv ruhiggestellt. In vielen Fällen kommt es daraufhin zu Kontrakturen der Fingergelenke und des Handgelenkes, die mit intensiver, langwieriger Hand- und Physiotherapie korrigiert werden müssen. Grundsätzlich sollte auf eine freie Mobilisation der Grund-, Mittel- und Endgelenke der Finger geachtet werden, da hier sehr oft Kontrakturen entstehen. Im Zweifel gilt auch hier: Rücksprache mit dem Erstversorger halten bzw. Zweitmeinung beim Handchirurgen einholen, um Folgeschäden zu vermeiden.
Prävention von Handverletzungen
Bei der Prävention von Arbeitsunfällen wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten große Fortschritte erzielt. Es gibt wirksame gesetzliche Bestimmungen im Rahmen des Arbeitsschutz- und des Arbeitssicherheitsgesetzes, und es wurden wichtige Standards für die Sicherheit am Arbeitsplatz errichtet. Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte beispielsweise leisten in Unternehmen Aufklärungs- und Beratungsarbeit. Daneben klären Berufsgenossenschaften und Versicherungsträger mit Veranstaltungen, Projekten und Kampagnen über die Wichtigkeit der Unfallprävention auf und leisten damit einen sinnvollen Beitrag zur Etablierung einer "Präventionskultur".
- Nur mit Sicherheitsmessern arbeiten! Sie haben verdeckte Klingen oder einen automatischen Klingenrückzug.
- Gutes Werkzeug einsetzen! Stumpfe Messer sind gefährlicher als scharfe. Abgenutzte Klingen entfernen oder nachschleifen.
- Schnittfeste Schutzhandschuhe tragen!
- Schneidwerkzeuge mit ergonomischem, gummiertem Griff nutzen.
- Messer ohne automatischen Einzug sofort wieder in die Schutzstellung zurückbringen, keine Messer mit feststehender Klinge verwenden.
- Offene Klingen sofort wegräumen, scharfes und spitzes Werkzeug in speziellen Werkzeugtaschen aufbewahren.
Eine der häufigsten Ursachen für Handverletzungen ist der Einsatz von falschem bzw. zweckentfremdetem Werkzeug. Gefährlich wird es auch, wenn Fehleinschätzung, Konzentrationsmangel und Zeitstress zusammenkommen.
Was kann der Hausarzt tun?
Der Hausarzt sollte- mit Handchirurgen eine Infrastruktur schaffen, die eine gute Zusammenarbeit ermöglicht, um die Versorgung handchirurgischer Patienten zu verbessern, und zudem eng kooperieren bei der Versorgung von scheinbar einfachen Verletzungen
- postoperatives Management nach ambulanten und stationären Eingriffen festlegen
- im Zweifel das "Netzwerk Handchirurgie" kontaktieren (https://www.dg-h.de/).
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (11) Seite 16-18