In Zeiten der Coronapandemie steht das Immunsystem besonders im Fokus. Da ist es nicht verwunderlich, wenn Therapien, die das Immunsystem beeinflussen, kritisch betrachtet werden. Das gilt auch für die allergenspezifische Immuntherapie. Doch hier gibt es Entwarnung.

Die Allergen-Immuntherapie (AIT) kann als einzige Maßnahme neben der Allergenvermeidung den natürlichen Verlauf allergischer Erkrankungen langfristig beeinflussen. Sie wird vor allem bei Atemwegsallergien gegen Pollen und Milben eingesetzt.

Schon zu Beginn der Coronapandemie kam die Frage auf, ob man eine Immuntherapie in dieser Zeit bedenkenlos fortsetzen kann. Ein Expertengremium der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) hat deshalb ein Statement zum AIT-Handling während der Pandemie formuliert.

Bei Verdacht auf eine Infektion sollte man die AIT pausieren

Die Empfehlung der Experten lautet: Bei Patienten ohne COVID-Verdacht kann eine schon begonnene sublinguale bzw. subkutane AIT (SLIT, SCIT) weiter fortgesetzt werden. Bei Insektengiftallergikern wird die Fortsetzung einer SCIT ­sogar dringend empfohlen. Anders sieht es aus, wenn ein Verdacht auf COVID-19 vorliegt: Dann soll die Immuntherapie unterbrochen werden und erst nach der Ausheilung der COVID-Erkrankung wieder aufgenommen werden, riet die EAACI.
Eine aktuelle Untersuchung ­liefert nun einen Überblick über die praktischen Erfahrungen zur allergenspezifischen Immuntherapie in Pandemiezeiten.

Insgesamt 417 allergo­logisch tätige Ärzte hatten sich an der Studie beteiligt.

Gefragt wurde z. B. nach dem Beginn einer AIT bei Allergiepatienten ohne SARS-CoV-2-Infektion oder Infektionsverdacht. Zu diesem Themenkomplex hatte die EAACI bislang noch keine Stellung genommen. Vor allem im Hinblick auf die SCIT gab es bei den Ärzten offensichtlich Bedenken: Insgesamt 60 % der Ärzte berichteten, keine Subkutan-AIT während des Lockdowns begonnen zu haben. 16 % hatten in ihren Planungen von der subkutanen auf die sublinguale Immuntherapie umgestellt. Lediglich 10 % begannen eine SCIT wie in Nicht-Pandemiezeiten. Die einzige Ausnahme bildete die SCIT für Insekten­giftallergiker. Diese wurde von einem Viertel der Befragten wie unter normalen Bedingungen aufgenommen. Weniger kritisch verhielten sich die Ärzte im Hinblick auf die sublinguale Immuntherapie. Sie wurde von immerhin 48 % der Kollegen ohne weitere Einschränkungen initiiert. Eine AIT-Erhaltungstherapie führten die meisten Allergologen (75 %) wie empfohlen fort – das betraf vor allem die Insektengift-AIT sowie die über die sublinguale Applikationsroute (74 % und 89 %).

Bisher gute Erfahrungen mit SCIT und SLIT

Zusammenfassend kommt die Untersuchung zu dem Schluss, dass die Erfahrungen mit der SCIT und der SLIT auch in Zeiten von Corona gut waren. Unverträglichkeitsreaktionen während der Initialphase der subkutanen Allergen-Immuntherapie wurden lediglich von einem der teilnehmenden Ärzte berichtet.


Literatur
Pfaar O et al. (2021) Allergy. DOI: 10.1111/all.14793


Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2021; 25 (7/8) Seite 6