Kann ich einem Praxismitarbeiter kündigen, der bei der Arbeit trotz mehrfacher Hinweise keine Maske trägt, obwohl er regelmäßig mit Patienten zu tun hat? Und wie sieht es aus, wenn Arbeitnehmer ein Attest vorlegen können?

Seit der Coronapandemie trifft Arbeitgeber die Verpflichtung aus der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, ein Hygienekonzept und bei Gefährdungslage auch eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in ihrem Betrieb einzuführen. Zusätzlich erlaubt das Direktionsrecht aus § 106 Satz 2 GewO dem Arbeitgeber, eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durchzusetzen. Gerade mit Blick auf die Notwendigkeit des Schutzes in beide Richtungen – also des Umfeldes in Form von Mitarbeitern sowie Patienten und der eigenen Person – ist eine solche Maßnahme in der Arztpraxis unerlässlich. Sofern sich nun ein Mitarbeiter aufgrund eines Attests nicht an die Verpflichtung halten kann bzw. möchte, ist zu differenzieren.

Variante 1: Das Attest ist rechtlich nicht zu beanstanden

Nach der aktuellen Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn konkrete und nachvollziehbare Angaben aus dem Attest ersichtlich sind, welche die Prüfung über das Vorliegen der Krankheitsvoraussetzungen ermöglichen. Außerdem müssen sich aus dem Attest die konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergeben, die durch die Mund-Nasen-Bedeckung hervorgerufen werden. Eine pauschale Begründung, gesundheitliche Gründe stünden dem Tragen entgegen, genügt hingegen nicht.

Achtung: Der betroffene Arbeitnehmer ist bei Vorlage eines wirksamen Attests krankheitsbedingt arbeitsunfähig! Er ist nicht zu beschäftigen und hat einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 Abs. 1 EntgFG. Das bedeutet für die Praxis aber auch: Dieser Mitarbeiter ist damit auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig. Bisher ist nicht absehbar, wann eine Eindämmung der Pandemie stattfindet und die Aufhebung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung erfolgen kann. Mithin ist eine negative Gesundheitsprognose zu bejahen, die bei Zusammenkommen mit erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen und einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung zu einer krankheitsbedingten Kündigung führen kann.

Variante 2: Das Attest ist rechtlich zu beanstanden

In diesem Falle ist der Mitarbeiter nicht arbeitsunfähig erkrankt. Vielmehr bietet er seine Arbeitskraft nicht wie geschuldet dem Arbeitgeber an. Es besteht folglich auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Sofern keine andere Möglichkeit des Einsatzes eines Maskenverweigerers in der Praxis besteht, zum Beispiel da der Mitarbeiter arbeitsvertraglich zu Patientenkontakt verpflichtet ist und eine vollwertige Homeoffice-Beschäftigung oder die Arbeit in der Praxis ohne Patientenkontakt nicht möglich ist, kann auf das Instrument der (außer-)ordentlichen Kündigung zurückgegriffen werden.

Wichtig: Zunächst ist bei Vorlage eines unwirksamen Attests der Mitarbeiter abzumahnen und zum Tragen der Bedeckung aufzufordern. Hintergrund ist, dass eine Abmahnung dem Mitarbeiter die Chance geben soll, sein jeweiliges Verhalten zu überdenken und entsprechend der Arbeitspflicht zu ändern. Sofern keine „Besserung“ eintritt, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung weiterhin abgelehnt wird, ist aufgrund der negativen Zukunftsprognose sowohl eine personen- als auch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung und sogar eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt.

Diese Fragen sollten Sie sich stellen

Zusammengefasst ist für Sie als Arbeitgeber das Attest und dessen Überprüfung ein maßgeblicher Knotenpunkt. Hierzu sollten die folgenden Fragen gestellt und beantwortet werden:

  • Sind die konkreten Beeinträchtigungen und Folgen der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nachvollziehbar?
  • Welche Vorerkrankungen liegen bei diesem Mitarbeiter vor?
  • Was ist die Grundlage für die Einschätzung des attestierenden Arztes?

Sodann können Sie weitere Schritte wie eine schriftliche Abmahnung einleiten und bei beharrlicher Verweigerung die Kündigung aussprechen.



Autor:

© Björn Stäwen
Björn Stäwen LL.M.

Fachanwalt für Medizinrecht
kwm rechtsanwälte - Kanzlei für Wirtschaft und Medizin ParG mbB

Erschienen in: DERMAforum, 2021; 25 (12) Seite 16