Das Anticholinergikum Glycopyrroniumbromid wird präoperativ zur Minderung von Speichelfluss und Magensaft eingesetzt. Als Nebenwirkung tritt dabei unter anderem eine Senkung der Schweißproduktion auf. Das lässt sich jetzt therapeutisch gegen axilläre Hyperhidrose nutzen.

Drei Prozent der Bevölkerung schwitzen hypernormal

Achselschweiß wird in der Regel mit reichlich Deodorant bekämpft – meist erfolgreich. Aber es gibt eine kleine Gruppe von Menschen, bei denen Deos versagen: Patienten mit primärer axillärer Hyperhidrose (PAH). Insgesamt leiden etwa 3 % der Bevölkerung an einer Hyper­hidrose, bei mehr als der Hälfte sind die Achseln betroffen. Die Ursachen der komplexen Dysfunktion des sympathischen und parasympathischen Nervensystems sind noch nicht geklärt. Die PAH-Patienten sind oft erheblich belastet durch psychosoziale Probleme, schämen sich wegen der unvermeidlichen Schweißflecke und meiden daher Gesellschaft – mit all den daraus wiederum resultierenden Problemen.

Alternativen zu Botox und OP?

Invasive therapeutische Optionen bei PAH sind Botulinumtoxin-Injektionen oder die operative Entfernung der axillären Schweißdrüsen. Es gibt auch medikamentöse Ansätze, zum Beispiel Anticholinergika, die vor allem bei einer generalisierten Hyperhidrose eingesetzt werden können.

Doch alle diese Maßnahmen sind mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen behaftet. Daher war man auf der Suche nach milderen und lokalen Verfahren. Dabei stießen die Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Dr. Rolf-Markus Szeimies, Recklinghausen, auf ein Anticholinergikum, das bisher hauptsächlich in der Anästhesie verwendet wird: Glycopyrroniumbromid (GPB).

Lokales Anticholinergikum

Das Anticholinergikum setzt unter anderem den Speichelfluss und die Sekretion in den Atemwegen herab, reduziert die Magensaftmenge und blockiert den Bradykardie auslösenden Vagus-Reflex während der Narkoseeinleitung. Unter anderem vermindert GPB die Produktion der ekkrinen Drüsen, auch die der Schweißdrüsen. Könnte man diesen Effekt nicht auch lokal nutzen?

Dies testete das Team um Szeimies mit einer 1%igen Glycopyrroniumbromid-Creme. 517 Patienten verwendeten diese Creme zunächst vier Wochen lang täglich, dann flexibel nach Bedarf (mindestens zweimal pro Woche, maximal einmal pro Tag) über ein Jahr. Die Schweißproduktion wurde quantitativ mittels Gravimetrie und die subjektiven Symp­tome anhand der Hyper­hidrosis Disease Severity Scale (HDSS) und des Hyperhidrosis Quality of Life Index (HidroQoL©) gemessen. Für die vorliegenden Ergebnisse wurden die Daten von 315 Patienten über sechs Monate sowie von 100 Patienten über den Behandlungszeitraum von einem Jahr ausgewertet.

Weniger Schwitzen, mehr Lebensqualität

Ergebnis: Trotz Dosisreduktion und flexibler Anwendung wurde in Woche 12 eine signifikante Reduktion in der Schweißproduktion mittels Gravimetrie gemessen und bis zu Woche 52 verbesserten sich die subjektiven Parameter (HDSS und HidroQoL©).

Die lokale Verträglichkeit der Creme (Reaktionen an der Applikationsstelle) sowie die systemische Sicherheit waren gut; es traten nur leichte bis mittelschwere therapiebedingte Nebenwirkungen auf, wovon Mundtrockenheit die häufigste war.

Seit August 2022 erhältlich

Die 1%ige GPB-Creme hat am 31.05.2022 die Zulassung für die schwere axilläre Hyperhidrose in Deutschland erhalten und ist seit 1. August 2022 unter dem Namen Axhidrox® rezeptpflichtig in Apotheken erhältlich [1].


Literatur
1. Pressemitteilung der Dr. Wolff AG, Bielefeld vom 4.8.2022
Szeimies R-M et al. (2022): Eine 1%ige Glycopyrroniumbromid-Creme zur Behandlung der primären axillären Hyperhidrose ist in der Langzeitanwendung wirksam und sicher, ­FOBI 2022, e-Poster 51


Autorin:
Angelika Ramm-Fischer

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (12) Seite 8