Ärzte in dermatologischen Praxen sollten heute mehr als Verordner sein. Neben medizinischen Überlegungen spielen auch die persönlichen Bedürfnisse der Patienten eine wichtige Rolle. Kommunikation auf Augenhöhe ist gefragt, um Motivation und Eigenverantwortung zu stärken.

So wie viele soziale Beziehungen im gesellschaftlichen und persönlichen Wandel sind, verändert sich auch das Arzt-Patienten-Verhältnis (APV) immer weiter. Wenn wir bisher von Compliance sprachen, meinten wir die Bereitschaft des Patienten, eine medizinische Empfehlung hinsichtlich diagnostischer und/oder therapeutischer Maßnahmen zu befolgen – ein paternalistisches Modell beziehungsweise ein asymmetrischer Prozess. Heute wünschen wir uns das APV auf „Augenhöhe“, einen kommunikativen Vorgang, und wir sprechen von Adherence oder sogar von Concordance. Wir meinen damit, dass – aus ärztlicher Sicht – vorgesehene diagnostische oder therapeutische Maßnahmen dem Patienten nicht verordnet, sondern vielmehr angeboten werden mit dem Ziel, eine gemeinsame Strategie gegen die Erkrankung zu finden. Dabei sollen die Wünsche des Patienten im besonderen Maße berücksichtigt werden.

Ähnlich wie für bestimmte Gesellschaftsmodelle – etwa die Diktatur oder die Demokratie – lassen sich für beide Modelle Vor- und Nachteile finden. Was könnte für und was gegen die Concordance sprechen und damit den Patienten in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen (vgl. Tabelle)? Die Nachteile für den Therapeuten durch einen größeren Erklärungs- und damit Zeitaufwand werden belohnt durch eine höhere Motivation, das Gefühl der Eigenverantwortung und das größere Vertrauen des Patienten in die ärztlichen Entscheidungen.

Der Begriff der intersubjektiven Wende entwickelte sich in den letzten 20 Jahren in der Psychologie und in der Psychoanalyse, wurde in der Psychodermatologie aber bisher wenig diskutiert. Dabei verlässt der Analytiker (und der Therapeut) die Beobachtungsposition und tritt in einen emotionalen Austausch und Prozess mit dem Patienten.

Vor diesem Denkansatz der Psychoanalyse hat sich auch der Wandel der Auffassungen in der Arzt-Patienten-Beziehung vollzogen: von einer neutralen und oft bestimmenden Haltung (Compliance) hin zu einer gemeinsamen Strategie gegen die Erkrankung des Patienten (Concordance).

Dieses Verhältnis ist geprägt durch den Arzt, den Patienten, die ärztlichen Instruktionen, die Art der Behandlung und schließlich die Krankheit selbst. Die ärztlichen Entscheidungen sind in starkem Maße abhängig von persönlichen Präferenzen und Wertmaßstäben und korrelieren nicht immer mit dem aktuellen Forschungs- und Erkenntnisstand: Für viele in der Schulmedizin etablierte Methoden gibt es keinen ausreichend begründeten wissenschaftlichen Nachweis.

Ärzte nur in 36 % der Fälle die Patienten nach dem Grund ihres Besuchs fragen, und wenn sie diese Frage stellten, wurden die Patienten im Schnitt nach elf Sekunden unterbrochen. Nicht unterbrochene Patienten benötigten maximal 1,5 Minuten zur Erklärung. Das scheint wenig, würde aber bei 60 Patienten am Tag (was sehr gering angesetzt ist) die Sprechstundenzeit um 1,5 Stunden verlängern.

Der Patient sieht sich auch einer Informationsflut durch das Internet gegenüber, die er schwer werten kann und die ihn oft beunruhigt. Werden in der Sprechstunde Patientenfragen und -wünsche ausreichend berücksichtigt und die Patienten in die Entscheidungen einbezogen, führt das meist zu einer erhöhten Effektivität in Diagnostik und Therapie, zu einem stärkeren Vertrauen zum Arzt und zu einer größeren Patientenzufriedenheit. Als überraschender Nebeneffekt sind meist Kostenreduktionen damit verbunden.

Empfehlungen für die Praxis

Bei berechtigter, aber auch oft unberechtigter Unzufriedenheit des Patienten sollte man sich immer wieder vor Augen halten: Hautkranke sind psychosozial beeinträchtigt (Juckreiz, Schlafstörungen, Stigmatisierung, Scham – um nur einiges zu nennen). Daher sollten schwierige Entscheidungen möglichst nicht unter Zeitdruck gefällt, sondern dem Patienten dann ein weiterer Termin angeboten werden. Es hat sich bewährt, sich mit Teammitgliedern oder Kollegen zu beraten. Auch die Teilnahme an einer Balint-Gruppe oder einer Supervision ist hilfreich. Eine möglichst gute Dokumentation ist in jedem Fall ratsam. Wie lässt sich die Compliance optimieren? Bestellzettel für Terminvereinbarungen, schriftliche Behandlungsanweisungen und empathische Zuwendung bauen ein gutes Vertrauensverhältnis auf und stärken die Eigenkompetenz des Patienten. Bei eingeschränkter Compliance kann man versuchen, Angehörige in die Behandlungsstrategie einzubeziehen.

Umgang mit Hautkranken

Im Praxisgespräch oder in speziellen Schulungen sollte über Stigmatisierung (besonders wenn Gesicht oder Hände betroffen sind), über mögliche Kränkungen und Zurückweisungen (Selbstrücknahme, Depressionen), über tägliche Erfahrungen (etwa beim Sport, in Schwimmbad und Sauna, in der Partnerschaft) und subjektive Beschwerden wie Juckreiz, Schmerzen, Schlafstörungen gesprochen werden. Der Zeitaufwand lässt sich dabei gering halten, die Patienten werden es aber zu schätzen wissen. In besonderen Fällen kann der Patient zur Stärkung der Krankheits- und Alltagsbewältigung zu einer Gruppen- oder Psychotherapie überwiesen beziehungsweise auf Psychopharmaka (nach dominierender Komorbidität, besonders Depressionen) eingestellt werden.

Zu bedenken ist auch, dass der Arzt nicht der alleinige Ansprechpartner für den Patienten ist, sondern ein wesentlich größerer Personenkreis eine Rolle spielt: Pflegepersonal, Sozialdienst, Psychologen, Seelsorger sowie das soziale Umfeld mit Familie, Arbeitsstelle, Freunden. Die teils unerklärlichen Differenzen entstehen aus den „unterschiedlichen Wirklichkeiten“, einem Phänomen, das in einem „Rollenspiel“ Arzt – Patient oder in einer Balint-Gruppe erklärt werden kann.

Rolle des Therapeuten

Dienstleister? Für manche Patienten schon, den meisten aber ist das zu wenig: Sie erwarten eine Beratung. Ein Seelsorger? Wie nahe darf/sollte der Arzt dem Patienten kommen – und dürfen?

Zunächst sollte Vertrauen geschaffen werden. Der Arzt kann fehlende soziale Kontakte nicht ersetzen, sollte aber über die Hautkrankheit hinaus persönliche Probleme ansprechen, Ängste erkennen und Lösungen anbieten („Welche Lösung würden Sie bevorzugen?“ und „Wie könnten Schwierigkeiten dabei überwunden werden?“).
Jeder Mensch und damit auch jeder Patient lebt in seiner eigenen Welt mit individuellen Wünschen. Das sollten wir herausfinden, denn das Miteinander (Adherence-Prinzip) ist nicht immer anwendbar und geeignet und richtet sich nach dem Patiententyp. Wir sollten stets ausloten, wie weit sich der Patient in diagnostische und therapeutische Strategien einbeziehen lässt.

Fazit
  1. Das enge, vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis ist die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung und eine dauerhafte Zufriedenheit des Patienten.
  2. Der Strukturwandel in der Gesellschaft und die dadurch beeinflusste sich wandelnde Arzt-Patienten-Beziehung sorgt einerseits für eine bessere Transparenz, andererseits aber auch für Einfluss auf das subjektive Vertrauen des Patienten.
  3. Diesen Spagat zu überwinden, erfordert vom Arzt große Empathie, Geduld und dynamisches Einfühlungsvermögen.




Autor:

© privat
Prof. Dr. med. Klaus-Michael Taube

Hautarztpraxis
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Erschienen in: DERMAforum, 2021; 25 (1/2) Seite 10