Das Hautkrebs-Screening inklusive der Dermatoskopie kann auch in der Hausarztpraxis stattfinden. In einem dreiteiligen Fortbildungsbeitrag soll anschaulich dargestellt werden, wie die dermatoskopische Diagnostik strukturiert werden kann. Teil 1 in Heft 3 von doctors today behandelte Schritt 1 – die Unterscheidung zwischen melanozytären und nicht-melanozytären Hautveränderungen. In Teil 2 geht es nun um das Erkennen typischer Muster.

Im zweiten Schritt werden zwei Container abgearbeitet: der eine mit Hautveränderungen melanozytären, der andere mit Hautveränderungen nicht-melanozytären Ursprungs. Man widmet sich bei der Differenzialdiagnose immer nur einem Container, je nachdem, ob eine melanozytäre oder nicht-melanozytäre Hautveränderung im ersten Schritt festgestellt wurde. Diese Teilung ermöglicht ein zügiges diagnostisches Vorgehen.

Ist eine der im jeweiligen Container aufgeführten Diagnosen zutreffend, kann eine abschließende Diagnose gestellt werden. Zur Klärung dienen Auszüge aus der Musteranalyse, die seit dem ersten Weltkongress der Dermatoskopie (2001) anerkannt ist. Kittler hat hierzu ein umfassendes Standardwerk geschaffen [1]. Im Folgenden sollen aus beiden Containern einige interessante und in der allgemeinärztlichen Praxis relevante Hautveränderungen vorgestellt werden:

2.1. Regelmäßig häufige melanozytäre Läsionen

2.1.1. Melanozytäre Nävi ausschließlich mit retikulärem Muster

Retikuläre Nävi, wie sie auch genannt werden, sind häufig und haben nur ein Muster, geprägt durch zarte retikuläre und verzweigte Linien von mittelbrauner bis dunkelbrauner Farbe (Abb. 1). Weiße Punkte oder Schollen können vorkommen. Gefäße fehlen in der Regel.

2.1.2. Melanozytärer Nävus vom Schollentyp (Schollennävus)

Dieser Nävus wird auch als Schollennävus bezeichnet (Abb. 2). Die Schollen stehen aggregiert (das heißt: nicht vereinzelt) und sind von hellbrauner bis dunkelbrauner Färbung. Sie können groß sein und haben manchmal eine polygonale Form. Gelegentlich sieht man weiße Punkte. Braune Punkte sind häufig. Schwarze oder graue Punkte gehören nicht zum Erscheinungsbild des Schollennävus. Rote Schollen kommen bei Schollennävi nicht vor und müssen, besonders, wenn sie unscharf begrenzt sind, auch an ein Melanom denken lassen.

2.1.3. Blaue Nävi

Sie sind gekennzeichnet durch ein strukturloses (nicht homogenes!) Areal von stahlblauer Farbe. Die meist leuchtend stahlblaue Farbe entsteht durch das tiefer in der Haut liegende Melanin und ist sehr typisch. Abb. 3 zeigt einen typischen blauen Nävus. Dieses Stahlblau sieht man am besten im nicht polarisierten Licht. Benutzt man jedoch ein Dermatoskop, das ausschließlich mit polarisiertem Licht arbeitet, kann die zentrale Farbe Blaugrau bis Braun sein. Polarisiertes Licht dringt weniger tief ein. Dadurch überdecken die höher liegenden Anteile des Melanins die tieferen und erscheinen deshalb braun bis graubraun.

Auch sollte man die Anamnese nicht aus den Augen verlieren: Patienten beobachten diese Hautveränderungen in der Regel über Jahre hinweg. Sind die Nävi neu und vielleicht sogar multipel aufgetreten, muss man an Melanommetastasen denken. Diese weisen im Dermatoskop fast das gleiche Bild wie blaue Nävi auf.

2.2. Regelmäßig häufige nicht-melanozytäre Hautveränderungen

2.2.1. Hämangiom

Hämangiome bestehen nur aus Schollen (Stolz spricht von Lakunen — von lateinisch "lacus", der See) von hellroter bis rotschwarzer Farbe (Abb. 4).

Hellrote Schollen sprechen für vornehmlich arterielle Anteile, mittelrote für venöse und rotschwarze Schollen für thrombosierte Anteile. Weißliche Areale und Schleier entsprechen histologisch Regressionen. Diese können als weißes Netz imponieren und sind wegen ihrer Färbung natürlich kein Indiz für eine melanozytäre Hautveränderung. Hinweise auf melanozytäre Läsionen wie verzweigte Streifen oder aggregierte Schollen in brauner Färbung dürfen nicht vorhanden sein. In diesem Fall liegt eine melanozytäre Hautveränderung vor!

Cave: Regressionszonen kommen auch beim Melanom vor und sind dort ein prognostisch ungünstiges Zeichen.

2.2.2. Ink-spot-Lentigo

Im Gegensatz zu melanozytären Netzen imponieren bei der Ink-spot-Lentigo derbe retikuläre Linien, die stellenweise unterbrochen sind (Abb. 5). Die Farbe reicht von Dunkelbraun bis Schwarz. Der Abbruch des Pigments ist scharfkantig und unregelmäßig. Histologisch findet man vermehrtes Melanin bei normaler Melanozytenzahl. Daher handelt es sich auch tatsächlich um nicht-melanozytäre Hautveränderungen. Sie weisen gewöhnlich eine ausgeprägte Asymmetrie auf. Gefäße fehlen. Sollte man Gefäße sehen, ist äußerste Vorsicht angezeigt. Manchmal hilft nur eine Probeexzision, um ein malignes Melanom abzugrenzen.

2.2.3. Dermatofibrom

Dermatofibrome haben ebenfalls retikuläre Muster, meist zart und in der Peripherie gelegen (Abb. 6). Typisch ist der zonenartige Aufbau der Hautveränderung mit zentral gelegenem strukturlosem Areal und dem blassen Netz in der Peripherie. Das strukturlose Areal entspricht einer Narbe, meist nach Insektenstich, der nicht immer anamnestisch zu erheben ist.

2.2.4. Seborrhoische Keratose

Häufig sind die erhabene ("verruköse") und die flache Form (Lentigo solaris) (Abb. 7). Übergangsformen kommen vor. Deutlich seltener ist die Lichen-planus-artige Keratose als Korrelat einer in Regression befindlichen seborrhoischen Keratose (Abb. 8). Flache seborrhoische Keratosen werden auch als Lentigo solaris oder Lentigo senilis bezeichnet. Sie sind gekennzeichnet durch meist gebogene, gelegentlich auch retikuläre Linien von hellbrauner Farbe. Wenn die Linien parallel verlaufen, ähneln sie dem Bild eines Fingerabdrucks. Der Rand ist scharf, teilweise konkav begrenzt ("Mottenfraß"). Sind die Lenitigines solares im Gesicht gelegen, sieht man auch Kreise.

Die erhabene seborrhoische Keratose zeigt weißliche Schollen ("Pseudohornzysten") und Kreise ("pseudofollikuläre Öffnungen"), die komedoartigen Öffnungen entsprechen. Diagnostische Schwierigkeiten bereiten oft die morphologische Vielfalt und das reiche Farbspektrum dieser Hautveränderung.

Bei der Lichen-planus-artigen Keratose handelt es sich um eine flache seborrhoische Keratose in Regression. Neben dem typischen Muster der Lentigo solaris sieht man graue Punkte oder gar Schollen.

Graue Punkte kommen allerdings auch bei Melanomen vor. Daher ist nicht selten zur Abgrenzung eine Biopsie erforderlich.

ESSENTIALS – Wichtig für die Sprechstunde
  • In Schritt 2 der Diagnostik werden je nach Ergebnis von Schritt 1 der melanozytäre oder der nicht-melanozytäre Container betrachtet.
  • Sollte sich ein typisches Muster finden, kann eine abschließende Diagnose gestellt werden.
  • Häufige Veränderungen aus dem melanozytären Container sind retikuläre Nävi, Schollennävi und blaue Nävi.
  • Häufige Veränderungen aus dem nicht-melanozytären Container sind Hämangiome, die Ink-spot-Lentigo, Dermatofibrome, die seborrhoische Keratose (flach, erhaben und Lichen-planus-artig) sowie Basalzellkarzinome (Basaliome).

2.2.5. Basalzellkarzinome

Häufig sind Basalzellkarzinome oder Basaliome bereits makroskopisch gut zu erkennen. Es handelt sich um lokal destruierend wachsende echte Karzinome, deren Prognose entscheidend von der Lokalisation und der frühzeitig eingeleiteten Therapie abhängt. Die Stärke der Dermatoskopie liegt genau in der Möglichkeit, ein Basaliom früh zu erkennen. Oft findet man nur einzelne, nicht aggregiert (!) stehende blaugraue ovale Schollen (Abb. 9). Auch baumartig sich verzweigende Gefäße mit deutlichen Kaliberschwankungen können schon alleinig vorkommend auf ein Basaliom hinweisen.

Darüber hinaus lassen sich mit dem Dermatoskop pigmentierte Basaliome von malignen Melanomen zuverlässig abgrenzen: Dicke Linien gemeinsamen Ursprungs findet man oft im Randbereich der Basaliome, die je nach Ausprägung an Radspeichen, Ginkgo- oder Ahornblätter erinnern.

Schritt 3 des Algorithmus zum Hautkrebs-Screening wird in der Ausgabe 5 von doctors today behandelt.

Teil 1 des Beitrags zur Dermatoskopie in der Hautarztpraxis finden Sie hier.


Literatur:
Kittler H, Tschandl P (2015) Dermatoskopie: Musteranalyse pigmentierter und unpigmentierter Hautläsionen. fa-cultas, Wien



Autor

Dr. med. Reiner Albrecht,

Arzt für Allgemeinmedizin,
92272 Freudenberg

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (4) Seite 32-34