Wissenschaftler der Universitäten Köln und Helsinki haben in neuesten Forschungsarbeiten herausgefunden, dass Haarausfall verhindert werden kann: Sie entdeckten einen Mechanismus, der die Langlebigkeit von Stammzellen steuert.

Der neu entdeckte Mechanismus, den das Forschungsteam entschlüsselte, umfasst die Tatsache, dass Haarfollikelstammzellen, die für das Nachwachsen der Haare unerlässlich sind, ihrer Zellalterung entgegenwirken können. Dazu passen sie ihren Stoffwechselzustand dem umliegenden Gewebe, das durch eine niedrige Sauerstoffkonzentration gekennzeichnet ist, an.

Haarwachstum: Rolle der Stammzellen

Die Haut und ihre Bestandteile wie z. B. die Haarfollikel sind täglich Umwelteinflüssen ausgesetzt. Beschädigtes Zellmaterial wird kontinuierlich entfernt und erneuert. Im Durchschnitt werden täglich 500 Millionen Zellen und 100 Haare abgestoßen; dies entspricht etwa 1,5 Gramm Gewebe. Das abgestoßene Gewebe wird durch Stammzellen ersetzt, die stark proliferativ und langlebig sind. Die Gewebefunktion hängt von der Aktivität und Gesundheit dieser Stammzellen ab. Eine beeinträchtigte Funktion oder eine verringerte Anzahl führt zu Alterung. Das Team untersuchte die Transkriptions- und Stoffwechselprofile verschiedener Zellpopulationen. Interessanterweise zeigten diese Studien, dass Stammzellen und deren differenzierte Tochterzellen unterschiedliche Stoffwechselmerkmale aufweisen. Erste Ergebnisse in der Zellkultur gaben einen starken Hinweis darauf, dass Rictor beteiligt sein wird, eine wichtige molekulare Komponente des mTOR-Signalwegs, der grundlegende Prozesse des Zellstoffwechsels einschließlich Wachstum, Energie- und Sauerstoffverbrauch von Zellen reguliert.

Haarausfall bei Fehlen von „Rictor“

In umfassenden Untersuchungen zeigte das Team, dass der Verlust der Stammzellfunktion im Haarfollikel mit einem Verlust der metabolischen Flexibilität einhergeht. Am Ende jedes Regenerationszyklus, in dem ein neues Haar generiert wird, kehrt ein Teil der Stammzellen in seine Stammzellnische und damit in einen gewissen metabolischen Ruhestand zurück. In diesem Ruhezustand befinden sich die Stammzellen in einer Umgebung mit geringer Sauerstoffkonzentration und nutzen daher eher Glukose als Kohlenstoffquelle für die Energie- und Proteinsynthese. Die Verschiebung von Zellatmung hin zur Glykolyse wird durch die niedrige Sauerstoffkonzentration in der Stammzellnische und der Aktivierung der mTOR-Signalkaskade ausgelöst. Die Inaktivierung von Rictor beeinträchtigt die Fähigkeit der Stammzellen, ihren Metabolismus im Ruhezustand anzupassen. Somit löst eine mangelnde Aktivierung der mTOR-Signalkaskade letztlich eine Erschöpfung der Stammzellen aus und bedingt einen altersbedingten Haarausfall.

Das Forscherteam zeigte anhand eines genetischen Mausmodells, dass Mäuse, denen Rictor fehlt, mit zunehmendem Alter Haarausfall und eine Abnahme der Zahl der Haarfollikelstammzellen aufweisen. „In Zukunft wird es ein wichtiges Ziel sein zu verstehen, wie sich diese vorklinischen Befunde auf die Stammzellbiologie im Menschen übertragen lassen und möglicherweise pharmazeutisch genutzt werden könnten, um Alterungsprozessen im Haarfollikel entgegenzuwirken und Haarausfall zu vermeiden“, so Prof. Dr. Sabine Eming, Universität Köln. „In diesem Zusammenhang erscheint uns die Beobachtung, dass durch die äußerliche Anwendung eines Glutaminase-Inhibitors die Stammzellfunktion in Mäusen mit gestörter Rictor-Funktion wiederhergestellt werden kann, besonders interessant. Diese Ergebnisse belegen somit das Prinzip, dass die Modifizierung von Stoffwechselwegen ein wirksamer Ansatz zur Steigerung der Regenerationskapazität unseres Gewebes sein könnte.“


Nach Informationen der Universität Köln


Literatur
Kim et al., Glutamine Metabolism Controls Stem Cell Fate Reversibility and Long-Term Maintenance in the Hair Follicle; Cell Metabolism 32 (4): 629–642


Autorin:
Yvonne Emard

Erschienen in: DERMAforum, 2021; 25 (3) Seite 11