Die Digitalisierung des Gesundheitssystems kommt weiterhin nicht so richtig voran. Beim eRezept hapert es nach wie vor bereits in der Testphase. Und auch die Technik, wie z. B. die Konnektoren, macht weiter Probleme. Höchste Zeit, mal alles zu überdenken, fordern nicht nur Dermatologen.

Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) stellt jedenfalls ernüchtert fest, dass die Fortschritte bei der Telematik­infrastruktur (TI) eher bescheiden sind. Die Konsequenz daraus müsse sein, dass man nun erst einmal ein Moratorium einlegen solle, fordert der BVDD gemeinsam mit anderen Ärzteverbänden.

Unausgereifte Maßnahmen

BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski bringt auf den Punkt, was die Ärzte besonders aufbringt: „Es muss Schluss sein mit dem Status als Versuchskaninchen für unausgereifte Digitalisierungsmaßnahmen.“ Zwar stehe der BVDD der Digitalisierung grundsätzlich durchaus positiv gegenüber, und der BVDD sei sogar Vorreiter bei der Digitalisierung der Patientenversorgung und habe mit der Leitlinie „Teledermatologie“ bereits Standards gesetzt. Doch was nun mit dem geplanten Konnektorenaustausch erneut auf die dermatologischen Praxen zukomme, sei nicht mehr hinnehmbar, so von Kiedrowski. Der Konnektorenaustausch sowie die ebenfalls erforderliche Neubestellung des Praxisausweises und des elektronischen Heilberufsausweises hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. Neben dem enormen Aufwand für die neuerliche Technikumstellung stehe zu befürchten, dass die pauschalen Finanzierungsbeträge der Krankenkassen wieder einmal nicht ausreichen werden, um die von den IT-Dienstleistern in Rechnung gestellten Kosten zu decken, warnt der BVDD-Präsident. Hierzu seien die Arztpraxen nicht länger bereit – zumal die Konnektoren mit der angekündigten TI 2.0 ohnehin obsolet würden.

Digitalisierung muss Nutzen bringen

Die Forderung nach einem TI-Moratorium habe nichts mit einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung gegenüber der Digitalisierung zu tun, betont der Verband. Die Dermatologie habe längst die Startblöcke der Digitalisierung verlassen. Grundvoraussetzung sei aber, dass digitale Anwendungen sinnvoll und nutzbringend sind sowohl für Patienten als auch für Arztpraxen, betonte der BVDD-Chef. Davon könne bei der gesetzlich verordneten TI keine Rede mehr sein, so von Kiedrowski weiter, bis dato werde ausschließlich Bürokratie für die Kassen geleistet, während sich die Patientenversorgung durch Systemabstürze und eine Verlangsamung der Praxisabläufe verschlechtere. Auch mit Blick auf den eRezept-Roll-out könne der BVDD derzeit niemandem raten, freiwillig daran teilzunehmen, unterstreicht von Kiedrowski.

Vor diesem Hintergrund fordert der BVDD, die Einführung der Telematikinfrastruktur so lange auszusetzen, bis ein realistisch umsetzbarer Fahrplan für eine voll funktionsfähige Telematikinfrastruktur nach neuesten Standards vorliegt, der auch von der Ärzteschaft getragen wird. Akzeptanz in den Praxen erhalte eine neue Technik nur, wenn sie ausreichend getestet ist, Abläufe verbessert und weder zu höheren Kosten bei Installation und Wartung noch zu unkalkulierbaren Risiken in puncto Datensicherheit führt, betont der BVDD-Präsident.

Mit seiner Kritik am Digitalisierungs-Wirrwarr steht er BVDD nicht alleine da. Auch der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte fordert ein sofortiges Umdenken bei der Digitalisierungsstrategie des deutschen Gesundheitswesens. Wenn es nicht zu einem Totalschaden bei der Akzeptanz durch die Nutzerinnen und Nutzer kommen soll, führe kein Weg an einem sofortigen TI-Moratorium vorbei, so der HNO-Berufsverband. Ähnlich sehen das auch die Augenärzte. Deren Berufsverbandsvorsitzender schlug vor, gematik und Konnektorenhersteller sollten fiktive Praxen als Testlabore einrichten und sich erst wieder melden, wenn sich die Hard- und Software dort als praxistauglich erwiesen habe.

Unterdessen stagniert die Einführungsphase des digitalen Rezeptes, bevor sie so recht begonnen hat. Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) teilte jedenfalls mit, sich bis auf Weiteres aus der Roll-out-Phase des eRezeptes zurückzuziehen. Digitale Lösungen, die Praxen und Patienten gleichermaßen nutzen, seien momentan nicht umsetzbar, heißt es seitens der KVSH. Nach Mitteilung des Landesdatenschutzes sei die mailbasierte Umsetzung des eRezeptes untersagt, da auch vom Praxisverwaltungssystem erzeugte datenlose Transfer-QR-Codes als Gesundheitsdaten einzustufen seien. Man wolle die Praxen daher nicht in eine Falle laufen lassen, denn die Praxen würden für diesen Missbrauch haften.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (10) Seite 2