Eine Diabeteserkrankung stellt einen Risikofaktor für Infektionen dar. Aus diesem Umstand ergeben sich einige Konsequenzen, die auch in der Hausarztpraxis Berücksichtigung finden sollten. Neben einer geeigneten Impfstrategie spielen regelmäßige Inspektionen von Haut und Schleimhäuten (Pilzinfektionen), der Füße (diabetisches Fußsyndrom mit Infektionen) sowie des Mund-Rachen-Bereichs (Parodontitis) eine Rolle.

Nestor der deutschen Diabetologie
Wer kennt ihn nicht? Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert ist seit über 50 Jahren auf dem Gebiet der Diabetologie aktiv. Auch heute noch hält der ehemalige Chefarzt der Medizinischen Klinik des Krankenhauses München-Schwabing Vorträge und leistet Aufklärungsarbeit. Prof. Mehnert möchte Diabetesforschung so vermitteln, dass sie auch für niedergelassene Allgemeinärzt:innen umsetzbar ist. In diesem Sinne sind auch "Mehnerts Diabetes-Tipps" verfasst, die als Serie in doctors|today erscheinen und hoffentlich dazu beitragen, dass Sie Ihre Diabetes-Patient:innen besser betreuen können.

Man muss feststellen, dass bei einer Diabeteserkrankung häufiger Infektionen auftreten als bei Nichtdiabetiker:innen. Diese sollen wohl durch eine Störung des Immunsystems bei womöglich entgleister Stoffwechsellage hervorgerufen werden. Hinzu kommt eine vaskulär-metabolische Veränderung im Gewebe, so dass man schon beim metabolisch-vaskulären Syndrom noch ohne vorliegenden Diabetes mit einer vermehrten Infektionsneigung rechnen muss.

Gegen Influenza sollten alle Patient:innen mit Diabetes geimpft werden. Der Impfschutz ist jedes Jahr zu wiederholen, wobei man darauf achten sollte, dass der Impfstoff wirklich polyvalent ist. Neben der Grippeschutzimpfung sollte auch eine Pneumokokkenschutzimpfung durchgeführt werden. Gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollten alle Senior:innen ab 60 sowie chronisch Kranke, wie Diabetiker:innen, jährlich gegen Influenza (siehe oben) und eben alle fünf bis sechs Jahre gegen Pneumokokken geimpft werden. Patient:innen in einem Alter ab 60 Jahren werden gemäß den STIKO-Empfehlungen mit dem Polysaccharidimpfstoff (PPSV23) geimpft. Dabei folgt auf den konjungierten Pneumokokkenimpfstoff (PCV13) sechs bis zwölf Monate später eine PPSV23-Impfung. Die Wirkung ist, wie gesagt, begrenzt, so dass sich die Wiederholung der Impfung alle fünf bis sechs Jahre dringend empfiehlt. Die Impfung kann im Übrigen zum selben Termin erfolgen wie die Grippeimpfung.

Bei den übrigen Infektionen gilt, dass die Tuberkulose erfreulicherweise ihren Schrecken weitgehend verloren hat. Früher gab es sehr viele Patient:innen mit Diabetes, die an der Kombination von womöglich schlecht eingestelltem Diabetes und Tuberkulose verstarben. Durch die Einführung der Tuberkulostatika und natürlich auch durch Verbesserung der Stoffwechselführung ist hier ein grundlegender Wandel eingetreten.

Diabetespatient:innen haben auch vermehrte Haut- und Schleimhautinfektionen, wobei eine schlechte Stoffwechselführung wiederum ein stark begünstigender Faktor ist. Pilzerkrankungen treten häufig mit Candida albicans auf. Wir konnten schon 1957 zeigen, dass im Urin von glukosurischen Diabetiker:innen signifikant mehr von diesem Hefepilz auftritt als im zuckerfreien Urin. Natürlich ist es eine Frage, ob sich daraus eine Infektion entwickelt. Das Problem ist jetzt besonders aktuell geworden durch die Einführung der so gut wirkenden SGLT-2-Rezeptorhemmer (Gliflozine), die ja eine verstärkte Glukosurie als Vorteil im Hinblick auf die Senkung des Blutzuckers im Gefolge haben. Es verwundert nicht, dass Frauen in etwa 8 % der Fälle unter Gliflozingabe eine Genitalinfektion mit Candida albicans aufweisen. Diese kann aber gut behandelt werden und erstaunlicherweise rezidiviert sie eher selten. Männer werden weniger häufig als Frauen befallen, sind aber im Hinblick auf die Fußpilzerkrankung – warum auch immer – bevorzugt betroffen. Hier gibt es nun neue Mittel mit ausgezeichneter Wirksamkeit und sehr guter Verträglichkeit. Man muss wissen, dass der Fußpilz gar nicht selten zu Infektionen an den Füßen bis hin zur diabetischen Gangrän führt. Es kommt dann zum diabetischen Fußsyndrom (DFS), das durch eine Neuropathie als bevorzugter pathogenetischer Faktor gefördert wird und bei dem eben nicht selten auch Infektionen auftreten. Die Patient:innen sind schon bei der ersten Schulung darauf hinzuweisen, dass sie täglich ihre Füße kontrollieren und beim Auftreten von Schrunden, Rissen, Verletzungen, kleinen Wunden sofort die Hausärzt:in aufsuchen. Trotzdem ist die Entzündung nach wie vor häufig und muss entsprechend behandelt werden. Gar nicht selten liegt ein tiefes Ulkus unter der Hornhaut vor, so dass es gilt, die Hornhaut abzutragen und das infizierte Ulkus weit im Gesunden auszuschälen. Sonst hat zu gelten, dass ein adäquates Schuhwerk ebenso wichtig ist wie eine gute Blutzuckereinstellung, das Debridement mit dem genannten Ausschälen der infizierten Wunde und eine entsprechende Behandlung mit Antibiotika.

Man sollte wissen, dass die Parodontitis bei diabetischen Patient:innen häufiger auftritt. Sie ist meist vergesellschaftet mit makro- und vor allem mikroangiopathischen Schäden im Organismus. Eine Besserung der Parodontitis bringt tatsächlich auch eine Besserung der Diabetessituation mit sich. So sollten Diabetespatient:innen grundsätzlich beim Zahnarztbesuch darauf hinweisen, dass eine Zuckerkrankheit vorliegt. Es ist gar nicht selten, dass aufmerksame Zahnärzt:innen aufgrund der vorliegenden ausgedehnten Parodontitis einen Diabetes vermuten und diesen selbst mit einem Blutzuckerteststreifen diagnostizieren. Dann erfolgt die Überweisung zur Hausärzt:in oder Diabetolog:in. Eine gute Stoffwechseleinstellung kann die Prognose der Zahnfleischerkrankung deutlich verbessern, wie umgekehrt sich eine Parodontitisbehandlung, wie gesagt, positiv auf die Diabeteseinstellung auswirkt.



Autor:

© Kirchheim
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert

Forschergruppe Diabetes e.V.
82152 Krailling

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (2) Seite 32-33