Gestationsdiabetes ist ein hoher Risikofaktor schwangerer Frauen für die Entstehung metabolischer und kardiovaskulärer Erkrankungen. Nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind ist vom Glukose-Stoffwechsel in der Schwangerschaft betroffen, der die körperliche und kognitive Entwicklung bis ins Erwachsenenalter prägen kann. Dies sollte die Hausärzt:in bei allen Patientinnen nach durchlebtem Gestationsdiabetes berücksichtigen und Diabetes-Präventionsmaßnahmen wie Lebensstilinterventionen einleiten.
Gestationsdiabetes (GDM) ist definiert als eine Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft auftritt. Ursache ist meist eine ungenügende Insulinsekretion bei Schwangerschafts-physiologischer Insulinresistenz. Zur Diagnose wendet man in Deutschland ein zweistufiges Testverfahren an: Zwischen der 24. und 28. SSW wird zu einer beliebigen Tageszeit ein Suchtest mit 50 g Glukose durchgeführt (vgl. Kasuistik). Wird nach einer Stunde ein Blutglukosewert zwischen 135 mg/dl (7,5 mmol/l) und 200 mg/dl (11,11 mmol/l) gemessen, sollte zeitnah ein zweistündiger oraler Glukosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Glukose im nüchternen Zustand durchgeführt werden. Zur Diagnose eines GDM reicht das Überschreiten des Grenzwerts zu einem von drei Messzeitpunkten (Tabelle 1). Die Diagnose GDM wird in der Regel von der Gynäkolog:in gestellt. Die Behandlung erfolgt durch Diabetolog:innen und Diätassistent:innen nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) [1].
Acht bis zwölf Wochen nach der Entbindung sollte ein Kontroll-oGTT erfolgen, um zu überprüfen, ob die Blutglukosewerte wieder im Normalbereich liegen. Zu diesem Zeitpunkt wird bei 1 – 4 % aller Patientinnen ein manifester Diabetes festgestellt [2], der sehr wahrscheinlich schon vor der Schwangerschaft bestand. Bei 12 – 36 % liegt zu diesem Zeitpunkt eine gestörte Glukosetoleranz vor [2]. Der Postpartum-oGTT wird nur bei einem geringen Anteil der Patientinnen vorgenommen, häufig aufgrund von Zeitmangel der jungen Mütter, aber oft auch wegen der unklaren fachlichen Zuständigkeit: Die Patientinnen wissen meist nicht, ob der oGTT bei der Gynäkolog:in, Diabetolog:in oder Hausärzt:in durchgeführt werden soll.
GDM als Risikofaktor
Obwohl sich bei den meisten Patientinnen die Glukosewerte nach der Entbindung wieder normalisieren, haben diese Frauen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Reihe von Krankheiten. An erster Stelle sind hier Glukosetoleranzstörungen und Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) mit seinem typischen Geno- und Phänotyp zu nennen [3]. Das Risiko für T2DM ist siebenmal höher für Frauen mit positiver GDM-Anamnese im Vergleich zu Frauen, die eine normale Glukosetoleranz in der Schwangerschaft hatten [4]. Die kumulative Inzidenz für T2DM steigt in den ersten fünf Jahren nach der Entbindung stark an und erreicht dann ein Plateau [5]. Diese Patientinnen haben in einer Folgeschwangerschaft ebenfalls ein hohes Risiko für ein Wiederauftreten des GDM [6].
Patientinnen mit positiver GDM-Anamnese haben zudem ein höheres Risiko für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms und kardiovaskulärer Erkrankungen. Hier zeigte eine neue Metaanalyse von Kramer [7], bei der die Studien mit insgesamt über 5,39 Mio. Frauen bewertet wurden, dass das relative Risiko in den zehn Jahren nach der Entbindung bei 2,31 liegt. Dabei ist auch bei Frauen, die keinen T2DM nach GDM entwickeln, das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen um 56 % erhöht [7].
Ein früherer GDM beeinflusst ebenfalls das Risiko für Nierenerkrankungen. In einer Analyse der dänischen nationalen Geburtskohorte zeigten Frauen nach GDM mit höherer Wahrscheinlichkeit 9 – 16 Jahre nach der Geburt eine erhöhte glomeruläre Filtrationsrate. Diese glomeruläre Hyperfiltration kann auf ein frühes Stadium einer Nierenschädigung hindeuten. Zusammengefasst kann ein GDM als Risikokonstellation für die metabolische und die kardiovaskuläre Zukunft von jungen Frauen angesehen werden [8]. Neben dem erhöhten Risiko für körperliche Erkrankungen wird auch eine höhere Prävalenz von Depressionen bei Frauen mit GDM-Anamnese berichtet. Eine aktuelle Übersichtsarbeit zeigt, dass das relative Risiko für Depressionen in methodisch sehr unterschiedlichen Studien zwar schwankt (0,8 bis 4,62), jedoch insgesamt von einem erhöhten Depressionsrisiko bei Patientinnen mit GDM ausgegangen werden kann [9].
Auswirkungen auf das Kind
Ein GDM beeinflusst nicht nur die Gesundheit der Mutter, sondern kann auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Nachkommen im Kindes- und Erwachsenenalter haben. Hohe mütterliche Blutglukosewerte in der Schwangerschaft führen zu einer Hyperinsulinämie im Fetus und über mutmaßlich epigenetische Mechanismen der fetalen Programmierung vermehrt zu Übergewicht, eingeschränkter Glukosetoleranz und Diabetes in den (erwachsenen) Nachkommen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die gefürchtete Makrosomie (d. h. ein Geburtsgewicht > 4.000 g) heutzutage kaum noch auftritt, da bei annähernd allen Schwangeren ein Screening durchgeführt und ein GDM behandelt wird. Trotzdem lassen sich längerfristige Auswirkungen einer Hyperglykämie in der Schwangerschaft, die ja auch schon vor der Diagnose des GDM bestanden hat, nicht ausschließen. Studien zeigten, dass die Kinder von Müttern mit mildem beziehungsweise behandeltem GDM bei Geburt und in der frühen Kindheit zwar ein ähnliches Körpergewicht haben, jedoch ab der Pubertät der BMI-Zuwachs bei den GDM-exponierten Kindern signifikant höher ist als bei Kindern, deren Mütter eine normoglykämische Schwangerschaft hatten [10].
Der Einfluss eines GDM auf die Entwicklung der Nachkommen betrifft nicht nur die körperliche, sondern auch die neurokognitive Entwicklung der Nachkommen. Die Insulinresistenz des Gehirns, die durch hohe fetale Insulinspiegel verursacht werden könnte, wird als Ursache für eine veränderte Hirnentwicklung diskutiert [11]. Registerstudien weisen auf eingeschränkte kognitive Leistungen bei Kindern und erwachsenen Nachkommen hin. Die Studienlage ist derzeit jedoch noch uneinheitlich [12] und es sind prospektive Studien nötig, welche die neurokognitive Entwicklung von Kindern untersuchen, bei denen der mütterliche Stoffwechsel in der Schwangerschaft eingehend charakterisiert ist.
Zusammenfassung
Frauen mit positiver GDM-Anamnese haben ein erhöhtes Risiko, eine Glukosetoleranzstörung und einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Zudem ist das Risiko für kardiovaskuläre und renale Erkrankungen erhöht, auch schon bei jungen Frauen. Man sollte die Patientinnen ermutigen, an regelmäßigen Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen teilzunehmen. Eine regelmäßige Kontrolle von Nüchternglukose und HbA1c ist wichtig, um eine negative Entwicklung des Glukosestoffwechsels zu erkennen und gegebenenfalls gegensteuern zu können. Eine Lebensstiländerung mit Fokus auf Gewichtsreduktion [13], Erhöhung der körperlichen Aktivität und gesunde Ernährung kann das Risiko für Typ-2-Diabetes signifikant senken [14]. Unterstützend lassen sich heute auch Smartphone-Apps [15] und Internetprogramme [16] einsetzen, so dass die Umsetzung auch für Frauen mit kleinen Kindern gut machbar ist. Bei der Erhebung der Familienanamnese sollte man auch nach einem GDM der Mutter fragen und das Wissen darüber in die Betreuung einfließen lassen. Mit solch relativ einfach umzusetzenden Maßnahmen könnte man in der Hochrisikogruppe der Frauen nach einem GDM das Risiko für GDM-Langzeitfolgen reduzieren.
- Gestationsdiabetes (GDM) ist eine Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft auftritt.
- Frauen mit GDM haben ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes nach der Entbindung.
- Ein GDM prädisponiert für metabolisches Syndrom, kardiovaskuläre Erkrankungen, Nierenerkrankungen und Depressionen.
- Kinder von Müttern mit GDM entwickeln später häufiger Übergewicht und Diabetes.
- Frauen mit GDM sollten regelmäßig an Gesundheitsvorsorgen teilnehmen.

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (1) Seite 42-44