Frage: Bei HCT-haltigen Antihypertensiva ist eine deutlich höhere Inzidenz von dermatologischen Störungen dokumentiert: aktinische Keratosen, Pigmentnaevi etc. Wäre es nicht sinnvoll, auf z. B. Chlortalidon als Diuretikum zu wechseln? Gibt es belastbare Studien?

Antwort: Das Risiko, an einem nichtmelanozytären Hautkrebs (NMSC = non-melanoma skin cancer entsprechend einem Basaliom oder Spinaliom) zu erkranken, wurde als höher beschrieben, wenn Hydrochlorothiazid (HCT) in steigenden kumulativen Dosen eingenommen wird [1, 2]. Dies hat zu einem "Rote-Hand-Brief" der pharmazeutischen Hersteller von HCT in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geführt [3].

Die Ursache der Entwicklung von NMSC liegt in der photosensibilisierenden Wirkung von HCT. Diese ist auf die chemischen Eigenschaften der Sulfonamidgruppen zurückzuführen. Sulfonamidgruppen lassen sich jedoch in fast allen Thiaziddiuretika und Thiazidanaloga, so auch bei Chlorthalidon finden. In einem neuen Review-Artikel konnten deswegen keine eindeutigen Hinweise gefunden werden, dass es zu einem unterschiedlichen Risiko, an NMSC zu erkranken, bei den einzelnen Thiaziddiuretika und Thiazidanaloga kommt [4].

Patienten, die Thiaziddiuretika oder Thiazid-analoga einnehmen, sollten auf das Risiko eines NMSC hingewiesen werden und ihre Haut regelmäßig auf neue Hautveränderungen sowie Veränderungen an bestehenden Läsionen untersuchen. Da die Behandlung des Blutdrucks ein sehr wichtiges Ziel ist, um Sekundärschäden wie Herzinfarkte, chronische Herzinsuffizienz, chronische Niereninsuffizienz, Apoplex oder pAVK zu vermeiden, und Thiaziddiuretika neben den ACE-Hemmern/Angiotensin-Rezeptor-Blockern und den Kalziumantagonisten in den aktuellen internationalen Leitlinien als das Mittel der ersten Wahl in der antihypertensiven Therapie gelten, sollten diese Medikamente den Patienten nicht vorenthalten werden.

Bei einem erhöhten Risiko für NMSC, z. B. bei hellem Hauttyp oder hoher Sonnenexposition, sollte man solche Patienten auf eine Monotherapie oder duale Therapie mit einem der anderen oben genannten Medikamente umstellen. Ein generelles Absetzen oder Umstellen von HCT wird derzeit jedoch nicht empfohlen, sondern eine Aufklärung des Patienten über die Möglichkeit des Entstehens des NMSC, das regelmäßige Hautscreening und die Empfehlung eines ausreichenden Hautschutzes vor Sonnen- und UV-Einstrahlung.

Da die photosensibilisierende Wirkung der Sulfonamidgruppen aller Thiaziddiuretika/Thiazidanaloga als wahrscheinlichster Auslöser des NMSC gilt, ist es nicht zielführend, HCT durch andere Thiaziddiuretika oder Thiazidanaloga wie z. B. Chlor-thalidon zu ersetzen.


Literatur
1) Pedersen SA, Gaist D, Schmidt SAJ, Hölmich LR, Friis S, Pottegård A. Hydrochlorothiazide use and risk of nonmelanoma skin cancer: A nationwide case control study from Denmark. J Am Acad Dermatol 2018;78:673-681
2) Pottegard A, Hallas J, Olesen M, Svendsen MT, Habel LA, Friedman GD, Friis S. Hydrochlorothiazide use is strongly associated with risk of lip cancer. J Intern Med 2017; 282: 322-331.
3) https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2018/20181017.pdf
4) Kreutz R, Algharably E, Douros A et al.: Reviewing the effects of thiazide and thiazide-like diuretics as photosensitizing drugs on the risk of skin cancer. J Hypertens 2019;37 (10): 1950-1958.DOI: 10.1097/HJH.0000000000002136



Autor:

Prof. Dr. med. Ute Hoffmann

Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie/Nephrologie, Angiologie, Diabetologie, Endokrinologie,
Krankenhaus Barmherzige Brüder
93049 Regensburg

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (12) Seite 46