Fragen: 1) Wie würde eine halbe Impfdosis wirken: gar nicht, "zur Hälfte" oder kann man die komplette Immunantwort erwarten? Gibt es dazu Untersuchungen? 2) Wirkt ein "abgelaufener" Impfstoff noch nach ein bis fünf Jahren, wenn er sachgerecht aufbewahrt wurde? Gibt es dafür Studien oder Beweise/Gegenbeweise?

Antwort:

1) Da hierzu kaum Studien vorliegen, ist die Frage schwer zu beantworten. Man kann davon ausgehen, dass auch eine halbe Impfdosis eine – allerdings geringere – Immunreaktion hervorruft. Weiterhin bleibt unklar, wie lange der Impfschutz bei der Gabe einer reduzierten Dosis anhält.

Mit dem brasilianischen von Bio-Manguinhos produzierten Gelbfieberimpfstoff – dieser enthält den Impfvirusstamm 17 DD – kam es auch bei einer Verdünnung von bis zu 1:46 zu einer Serumkonversion, die über zehn Monate anhielt. Der in Deutschland verwendete Gelbfieberimpfstoff wird von Sanofi-Pasteur produziert und enthält den Impfvirusstamm 17 D-204. Zu diesem Impfstoff existiert eine Studie mit 1:5 verdünntem Impfstoff, der allerdings nicht wie üblich subkutan, sondern intradermal gegeben wurde – die intradermale Applikation führt zu einer stärkeren Immunreaktion als die subkutane. Hier war auch nach zehn Jahren noch eine Serokonversion vorhanden. Bei einem Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo zeigte auch eine reduzierte Dosis eine klinische Schutzwirkung während des Ausbruchs. Langzeitdaten liegen allerdings nicht vor.

In der Praxis kann es vorkommen, dass ein Patient eine halbe Dosierung erhält, weil versehentlich ein für Kinder vorgesehener dosisreduzierter Impfstoff appliziert wurde. Da unklar ist, ob und wenn ja wie lange ein Schutz durch die reduzierte Dosis erreicht wird, sollte in diesem Fall die Immunisierung mit der korrekten Dosierung nachgeholt werden.

2) Erfahrungen gibt es hier mit dem Pockenimpfstoff. Seit 1980 wird gefriergetrockneter Pockenimpfstoff gelagert. Dieser Impfstoff zeigte nach 20 Jahren noch vermehrungsfähige Viren.

Bei "abgelaufenem" Impfstoff müsste für jeden einzelnen Impfstoff nachgewiesen werden, ob dieser noch genügend Antigen oder noch vermehrungsfähige Viren enthält – diese Studien liegen leider nicht vor.

Aus juristischen Gründen sollte in der Praxis abgelaufener Impfstoff nicht mehr verwendet werden.



Autor:

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Dr. Andreas H. Leischker, M.A.

Facharzt für Innere Medizin – Reisemedizin Sachverständiger Gelbfieberimpfstation
Alexianer Krefeld GmbH
47918 Krefeld

Interessenkonflikte: Beratertätigkeit (Advisory Board) für die Firmen Sanofi und GSK


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (18) Seite 62