Antriebslosigkeit, Interessenverlust und Leistungsabfall – aufgrund des oft großen Überschneidungsbereichs kann es schwerfallen, zwischen einem Burnout und einer Depression zu unterscheiden. Die korrekte Diagnose ist allerdings entscheidend für die daran anschließenden Behandlungsempfehlungen.

Patient:innen, die chronischem Stress ausgesetzt sind, stellen sich entweder direkt mit dem Verdacht "Burnout" in der Hausarztpraxis vor oder berichten im Zusammenhang mit einer möglicherweise zugrundeliegenden Überlastung von körperlichen Symptomen wie Verspannungen, Kopfschmerzen oder Schlafproblemen. Auch der Wunsch nach einer Auszeit und Sätze wie "ich kann nicht mehr" können in der Sprechstunde geäußert werden. Bei Nachfragen stellt sich oft heraus, dass Betroffene chronisch gestresst und ausgebrannt sind. Doch wie kann eine Differenzialdiagnostik hinsichtlich eines Burnout-Syndroms aussehen und welche Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung?

Klassifikation von Burnout

In der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision (ICD-10-GM), wird Burnout nicht als eigenständige Erkrankung gelistet, sondern unter der Zusatzkodierung Z73 "Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" eingeordnet. Auch in dem im Januar 2022 in Kraft getretenen ICD-11 gilt Burnout (QD85) nicht als eigenständige Erkrankung, zählt hier jedoch zu "Probleme(n) im Zusammenhang mit Beschäftigung und Arbeitslosigkeit". Entsprechend wird Burnout erstmals präzise beschrieben als Syndrom, das durch chronischen, nicht verarbeiteten Arbeitsstress entsteht. Kennzeichnend sind laut der Weltgesundheitsorganisation dabei drei Dimensionen:

  1. Energielosigkeit und Erschöpfung
  2. Eine zunehmend negative Haltung oder mentale Distanz zum eigenen Job
  3. Ein Gefühl von mangelnder Leistungsfähigkeit

Burnout: Chancen der Z-Diagnose
Mit dem Verständnis von Burnout als ein explizit durch chronisch erhöhten Arbeitsstress ausgelöstes Syndrom fühlen sich viele Betroffene in ihrer Berufs- und Lebensrealität validiert. So entsprechen die Symptome womöglich nicht den Kriterien einer voll ausgeprägten psychischen Erkrankung, führen aber trotzdem zu bedeutendem Leid und krankheitsbedingten Leistungseinbußen. Genau dieser Zustand kann durch die Z-Diagnose Burnout greifbar gemacht werden. Durch die Z-Diagnose ist es außerdem möglich, Betroffene in ihrem Störungsverständnis zu würdigen, ohne unmittelbar eine F-Diagnose zu vergeben. Fachkundige Behandlungsangebote können Betroffene unterstützen, den Leidensdruck zu verringern und einer Verschlechterung der Symptome – beispielsweise im Sinne einer Depression – entgegenzuwirken.

Differenzialdiagnostik

Die Klassifizierung im ICD-11 spezifiziert das Burnout-Syndrom zwar genauer, in der Praxis bleibt die Differenzialdiagnostik durch die Überschneidungen mit Symptomen anderer Erkrankungen jedoch herausfordernd. Eine besondere Schwierigkeit liegt in der Differenzierung zur Diagnose Depression (ICD-10-GM F32, F33, F34.1). Wie können Ärzt:innen bei Verdacht auf ein Burnout-Syndrom vorgehen?

1. Schritt: Abklärung körperlicher Ursachen

Zunächst gilt es, körperliche Ursachen auszuschließen. Die mit Burnout meist in Verbindung gebrachten Symptome wie Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit können auch Anzeichen von somatischen Erkrankungen wie zum Beispiel Eisen- oder Vitamin-D-Mangel, Hypothyreose oder Nebenniereninsuffizienz sein.

Zu beachten: Es ist möglich, dass neben körperlichen Erkrankungen zusätzlich ein Burnout vorliegt. Studien zeigen, dass somatische Erkrankungen sogar häufiger bei Menschen mit Burnout-Symptomen als bei Menschen ohne auftreten [1]. Die Wahrscheinlichkeit, unter einer somatischen Erkrankung zu leiden, erhöht sich dabei mit der Schwere des Burnouts.

2. Schritt: Abklärung psychischer Erkrankungen

Im zweiten Schritt kann eine Differenzialdiagnostik im Hinblick auf andere psychische Erkrankungen sinnvoll sein. Folgende Fragen können bei der Abgrenzung zu Depressionen (ICD-10-GM F32, F33, F34.1) mehr Klarheit schaffen:

  • Zeigen sich die Belastungen nur im Arbeitskontext und bleiben andere Lebensbereiche "symptomfrei"? Ja = Hinweis auf Burnout
  • Zeigen sich situationsübergreifende Belastungen, die weitestgehend unbeeinflusst von äußeren Umständen sind? Ja = Hinweis auf Depression
  • Empfinden Patient:innen seit mindestens zwei Wochen vornehmlich eine anhaltende Niedergeschlagenheit? Ja = Hinweis auf Depression
  • Lassen sich die Beschwerden eindeutig und ausschließlich auf anhaltenden Arbeitsstress zurückführen? Ja = Hinweis auf Burnout

Weitere Differenzialdiagnosen können ebenfalls relevant sein. Dazu zählen in erster Linie: Anpassungsstörungen (ICD-10-GM F43.2), nichtorganische Insomnie (ICD-10-GM F51.0) und phobische sowie andere Angststörungen (ICD-10-GM F40, F41).

  • Für die Diagnose einer Anpassungsstörung ist es sinnvoll, nach möglicherweise ursächlichen Lebensveränderungen oder belastenden Ereignissen außerhalb des Berufslebens zu fragen, ohne die das Krankheitsbild nicht entstanden wäre. Innerhalb eines Monats nach einer solchen Belastung muss es dann zu Symptomen gekommen sein.
  • Um als Ursache für die Erschöpfung und das Ausgebranntsein eine nichtorganische Insomnie ausschließen zu können, sollten Ärzt:innen abklären, ob die Schlafstörungen auch unabhängig vom Arbeitsalltag – also beispielsweise am Wochenende und im Urlaub – bestehen. Stehen für Betroffene Schlafstörungen als Hauptbeschwerden im Vordergrund, kann zunächst eine Behandlung dieser sinnvoll sein. Im Anschluss kann eine Diagnostik Aufschluss darüber geben, ob sich dadurch auch die Burnout-Symptomatik verbessert hat oder ggf. weitere Therapieoptionen indiziert sind.
  • Symptome wie Konzentrationsschwierigkeiten und Anspannung können auch auf Angststörungen hinweisen, z. B. als Folge von dauerhaften Sorgen und Befürchtungen im Rahmen einer Generalisierten Angststörung (ICD-10-GM F41.1). Hier ist es wichtig, zu explorieren, ob die erlebte Belastung durch arbeitsplatzbezogene Faktoren wie lange Arbeitszeiten oder durch dahinterliegende Ängste entsteht. Liegen der Symptomatik eher Unbehagen gegenüber anstehenden Veranstaltungen oder Geschäftsreisen zugrunde, kann das auf eine Angststörung wie die soziale Phobie (ICD-10-GM F40.1) oder die Agoraphobie (ICD-10-GM F40.0) hindeuten. Wichtig ist auch das Empfinden der Betroffenen: Verbinden sie Gedanken an die Arbeit eher mit Angst (F40, F41) oder mit einem Erschöpfungsgefühl (Z73)?

Therapieprogramme: Was sind DiGA?
DiGA sind vom BfArM geprüfte Medizinprodukte niedriger Risikoklassen, deren medizinischer Zweck durch eine digitale Hauptfunktion erreicht wird. DiGA können von Behandelnden auf Rezept verschrieben werden, gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten. Dauerhaft aufgenommene DiGA haben ihre Wirksamkeit bereits nachgewiesen und erfüllen – wie auch vorläufig gelistete DiGA – höchste Anforderungen an beispielsweise Datenschutz und Patientensicherheit.

Therapeutische Ansätze bei einer Z-Diagnose Burnout

Für die Behandlung von Burnout liegen zwar keine offiziellen Leitlinien vor, die Behandlungsplanung orientiert sich jedoch an den Beeinträchtigungen und ggf. vorliegenden komorbiden Erkrankungen. Sollten komorbide Erkrankungen vorliegen, kann es erforderlich sein, zunächst andere störungsspezifische Behandlungen in den Vordergrund zu rücken. Ob eine Indikation für eine Psychotherapie vorliegt, kann in psychotherapeutischen Sprechstunden abgeklärt werden.

Leiden Betroffene unter chronischem, unverarbeitetem Arbeitsstress, können Stressmanagement-Programme und arbeitspsychologische Interventionen eine wirksame Unterstützung bieten. Studien zeigen, dass sich die gezielte Stärkung der beruflichen Stressbewältigung zur Reduktion von Stresssymptomen als wirksam erweist. Im Rahmen dessen zeigten kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen die höchste Wirksamkeit [2].

Eine schnelle Entlastung können zudem digitale Therapieprogramme bieten, die orts- und zeitunabhängig eingesetzt werden können. Ein digitales Therapieangebot, welches auf die Behandlung von Burnout zugeschnitten ist, steht Behandelnden seit einiger Zeit auch als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zur Verfügung. So können Betroffene eine evidenzbasierte psychologische Soforthilfe auf Rezept erhalten (vgl. Kasten).|

Wichtig für die Sprechstunde
  • Burnout wird in der ICD-11 nicht als eigenständige Krankheit gelistet, aber als Syndrom beschrieben.
  • Symptome von Burnout sind Energielosigkeit, Distanz zum Job und Gefühl verminderter Leistungsfähigkeit.
  • Die Behandlung orientiert sich am Leidensdruck.



Autor

© privat
Sven Steffes-Holländer

Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Sozialmedizin
Heiligenfeld Klinik Berlin
12683 Berlin



Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (10) Seite 46-48