Durch die digitale Transformation nimmt das Thema Patient-Empowerment jetzt richtig Fahrt auf. Für das Arzt-Patienten-Verhältnis hat diese Entwicklung wegweisende Konsequenzen: Sie führt uns weg von der monokommunikativen Beratung hin zum aktiven Coaching der Patient:innen.

Patient-Empowerment (PE) steht für das Einbeziehen und Befähigen von Patient:innen zugunsten der eigenen Genesung und Gesunderhaltung. Dadurch sind Betroffene in der Lage, ihren Krankheitsverlauf besser nachzuvollziehen und aktiv Einfluss zu nehmen auf ihre eigenen Heilungschancen. Eine Kultur, die offen die Partizipation der Betroffenen unterstützt, erleichtert die Kommunikation und Interaktion auf beiden Seiten: für Fachpersonal und Betroffene. Aber nicht alle Patient:innen können oder wollen sich mit der neuen, aktiven Rolle identifizieren. Denn so übernehmen sie auch einen Teil der Verantwortung. Je nach Gesundheitszustand, Erkrankungsbild, aber auch Altersstruktur kann das Maß an möglicher Teilhabe unterschiedlich ausfallen und sollte immer individuell hinterfragt werden.

Die digitale Einbindung bringt uns jetzt einen wichtigen Schritt weiter auf dem Weg zur personalisierten Medizin, bei der die Betroffenen aktiv mit ins Boot geholt werden. Diabetespatient:innen sind heute z. B. in der Lage, ihre Blutzuckerwerte selbst fortlaufend zu tracken und via Datenübertragung mit Ärzt:in bzw. Krankenhaus zu teilen. Die Stoffwechseleinstellung wird bei Bedarf schnell und effektiv optimiert: für weniger Streuverluste, eine wirksamere Medikation, weniger Nebenwirkungen und im besten Fall eine verbesserte Lebenserwartung. Wo viele Möglichkeiten der Wissensaneignung existieren, gibt es auch die Gefahr, Halbwissen aufzusitzen: Eine Online-Symptomsuche kann Horrorszenarien provozieren, die mit der ursprünglichen Thematik nichts mehr zu tun haben. Hier ist es an den medizinischen Expert:innen, digitale Desinformation einzuordnen und Ängste zu nehmen. Digital-Patient-Empowerment trägt dazu bei, unsere Kommunikation auf eine neue Qualitätsstufe zu stellen: weg von einer hierarchischen, monokommunikativen Beratung durch die medizinische Expert:in hin zu einem kooperativen und vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnis. Für eine echte Win-win-Situation haben beide Parteien die wichtige Aufgabe, an der Realisierung des Digital-Health-Empowerments mitzuarbeiten.
Es ist an den mutigen Mediziner:innen von heute, sich aktiv an diese neue, verantwortungsvolle Rolle als Kooperationspartner:in bzw. Coach ihrer Patient:innen heranzutrauen. Und das lohnt sich, denn ob analog oder digital: Eigenverantwortung, die aktiv wahrgenommen wird, verbessert die Heilungschance!

Veranstaltung – Zeit für Digitalisierung!
HCP.digital-Kongress am 12. Juni 2021 u. a. mit einem Vortrag von Oliver Neumann. Anmeldung mit dem jeweiligen Code doctors.today_Arzt bzw. doctors.today_MFA unter http://hcp.digital/



Autor

Oliver Neumann

Gründer und Geschäftsführer der Telemedizinplattform CyberDoc GmbH

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (5) Seite 69