Wenn unterschiedliche Kommunikationsformen, Weltanschauungen und Bedürfnisse aufeinanderprallen, kann das die Zusammenarbeit im Praxisteam erheblich beeinträchtigen. Damit aus dem Miteinander kein Gegeneinander wird, hilft v. a. eines: gute Kommunikation. Aber die funktioniert für jede Generation anders! Hausärzt:innen sind hier gleich mehrfach gefordert: als Teammitglied, Führungskraft und/oder Inhaber:in.

Bezogen auf die Zusammensetzung der Mitarbeiter:innen sind Hausarztpraxen ein Spiegelbild der Gesellschaft: Hier trifft Jung auf Alt, Traditionalistin auf Innovator, zuverlässiger Mitläufer auf gestresste Macherin. Viele dieser individuellen Einstellungen und Verhaltensweisen sind geprägt durch die recht unterschiedlichen Vorlieben und Prioritäten der unterschiedlichen Generationen, denen die Mitarbeiter:innen angehören. Dabei findet man heute noch nahezu alle Generationen in der Arztpraxis: von Babyboomern (1956-1965) über die Generation X (1966-1980) und Y (1981-1995) bis hin zu den Youngstern der Generation Z (ab 1996). Einige Praxisinhaber:innen gehören sogar selbst noch der Generation der Traditionalisten an (bis 1955). Um die Zusammenarbeit zu erleichtern und mögliches Konfliktpotenziel frühzeitig zu erkennen, ist es wichtig, die charakteristischen Merkmale der einzelnen Generationen zu verstehen.

Wichtig: Diese Generationen-Kohorten dienen nicht dazu, Stereotype oder Vorurteile zu festigen. Es geht darum, Unterschiede wertschätzend zu sehen und im Sinne der Diversität ernst zu nehmen.

Vielfalt als echter Vorteil

Stephan F. Kock hat sich für das Buch "Generationenmanagement in Arzt- und Zahnarztpraxis" intensiv mit dem Bereich beschäftigt. Er sieht die Durchmischung der verschiedenen Altersklassen durchweg positiv: "Die Generation der Babyboomer ist z. B. aktuell auf dem Arbeitsmarkt noch stark vertreten und macht im ambulanten Gesundheitswesen ca. ein Drittel aller Mitarbeitenden aus. Davon kann man als Arbeitgeber:in noch einige Jahre profitieren, dann jedoch wird diese Generation in den Ruhestand wechseln. Zurückbleiben wenige Frauen und Männer aus den Folgegenerationen", bringt es Kock auf den Punkt."Eine gute Durchmischung sorgt − auch im Sinne einer langfristigen Praxisführung − für eine ausreichende Anzahl an Angestellten. Arztpraxen, die bei z. B. Neueinstellungen auf jüngere Menschen setzen und Babyboomer ausgrenzen, weil sie ihnen "zu alt" sind, machen seiner Einschätzung nach einen Fehler. Denn der Fachkräftemangel scheint gerade im Gesundheitswesen unabwendbar: So sollen bis 2035 bis zu 11.000 Hausärzt:innen in Deutschland fehlen. Wer dann neue Kolleg:innen sucht, dürfte es noch schwerer haben. Auch die Verfügbarkeit von kompetentem, nichtärztlichem Personal wird mehrheitlich als äußerst schlecht eingestuft. Umso wichtiger sei es, die Zielsetzungen und Bedürfnisse von Arbeitnehmer:innen zu kennen und ihnen kreativ zu entsprechen, wo immer möglich. "Nur so werden Arbeitgeber:innen auch zukünftig ausreichend Personal gewinnen und binden können," so Kock. Als Problemfelder könnten sich seiner Einschätzung nach die unterschiedlichen Bedürfnisse der Generationen erweisen: Für 90 % der Babyboomer ist ein sicherer Arbeitsplatz besonders wichtig. "Sie entwickeln sich beruflich am besten, wenn ihnen Herausforderungen, Verantwortung, Lernen in Gruppen, Supervision bzw. Coaching sowie Abwechslung geboten werden", erklärt Kock. Für die Generation X sei Arbeit eher Mittel zum Zweck. Bei Konflikten auf der Arbeit wird nicht lange um den heißen Brei geredet. "Solche Mitarbeiter:innen fühlen sich durch Wettbewerb beflügelt und freuen sich, wenn ihre Erfahrung gewürdigt wird. Sie geben ihre berufspraktischen Kenntnisse gerne weiter. Ihr Wunsch nach Diskussion ist nicht gleich Kritik", erklärt Kock. Geprägt durch den digitalen Wandel neigen diese "Millennials" (Generation Y) dazu, die Welt zu hinterfragen. Das gilt insbesondere auch für ihr Arbeitsleben. Deswegen gelten diese Jahrgänge vielerorts als Jobwechsler Nr. 1. "Das halte ich aber für zu kurz gegriffen. Solche Mitarbeiter arbeiten vorzugsweise im Team und mögen soziale Interaktion. Sie möchten den Status quo im Unternehmen auch mal hinterfragen, mitreden und eigene Ideen äußern, so Kock. Und ergänzt: "Ihren Respekt gewinnt man aufgrund ihres Vertrauens und positiver Erfahrung bei der gemeinsamen Arbeit nicht durch die Position als Führungskraft."

Tab. 1: Praxistipps für ein erfolgreiches Generationenmanagement in der Hausarztpraxis

Bei Millennials und Generation Z werden die Hierarchien in der Arbeit immer flacher, was sich auch in der eher umgangssprachlichen Kommunikation, die hauptsächlich online stattfindet, ausdrückt. Kein Wunder, dass es dadurch zwischen Jung und Alt immer wieder zu Reibungen kommt. Dabei bie tet gerade das Thema Digitalisierung gute Möglichkeiten, um besser zusammenzuarbeiten. Wenn z. B. jüngere Mitarbeiter:innen die Möglichkeit bekommen, Kolleg:innen, die gerade keine Nativ Digitals sind, behutsam ans Thema heranzubringen.

Die Generationen X und Y legen großen Wert auf ihr Gehalt und freundliche Kolleg:innen. Die Generation Z braucht v. a. erst einmal Leidenschaft für den Job, um sich an einen Arbeitsplatz und eine Tätigkeit gebunden zu fühlen. Zlern gelten gerne als faul, desinteressiert und smartphonesüchtig. Stephan F. Kock hält das für ein vorschnelles Urteil: "Mitglieder der Generation Z wissen sehr genau was sie wollen, und hier sollte man ansetzen. Sie wünschen sich ein ehrliches, authentisches und realistisches Feedback und sind deutlich belastbarer als man denkt." Sie glauben nicht mehr an das Verschmelzen von Privat- und Berufsleben. "Falsche" Versprechen wie mehr Work-Life-Balance lösen hier keinen positiven Effekt mehr aus. Kock erklärt: "Die ewige Suche nach der Balance zwischen Arbeit und Freizeit war stets konfliktbehaftet, denn irgendwas kommt immer zu kurz". Work-Life-Blending ersetzt heute die Work-Life-Balance. Das kann Konflikte entzerren: "Wenn die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben verschwindet, können persönliche Bedürfnisse im Tagesverlauf besser berücksichtigt werden. Das schafft nicht nur Entspannung und mehr Lebensqualität, sondern steigert auch die Freude an der Arbeit. Und das gilt für alle Generationen."

Stark hierarchisches Führungsverhalten ist eher ungeeignet, um den Herausforderungen eines erfolgreichen Generationenmanagements zu begegnen. Vielmehr braucht es einen offenen Umgang mit Unterschieden, ein Ja zu mehr Individualität. Dann werden wir irgendwann ganz aufhören können, in "Generationen-Kohorten" zu denken. Und es schaffen, Menschen mit unterschiedlicher Prägung so zusammenzuführen, dass sie gemeinsam mehr Leistung erbringen, als im Einzelkämpfermodus möglich wäre.

Neugierig geworden? - Für eine Kultur des Wandels
Buchtipp: "Generationenmanagement in Arzt- und Zahnarztpraxis", Isabell Lütkehaus und Stephan F. Kock, Springer Gabler, 2021; Zugriff am 16.11.2021


Literatur
Generationenmanagement in Arzt- und Zahnarztpraxis, 2021
2035 fehlen in Deutschland rund 11.000 Hausärzte. Robert Bosch Stiftung, 2021
Personalsituation in Praxen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung. ZI-Paper 17/21
contec HR-Studie – Aktuelle Trends für die Personalarbeit in der Sozialwirtschaft, 2020


Autorin
Sabine Mack

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (12) Seite 54-56