Frage: Ich bin Hausarzt mit Einzelpraxis. Vor ca. zwei Wochen ist mir ein Schreiben zugegangen, wonach meine Abrechnung für das Quartal I/2019 auf Antrag einer Krankenkasse überprüft werden soll. Auch wurde ich aufgefordert, zu einzelnen Gebührenpositionen Stellungnahmen abzugeben bzw. Unterlagen einzureichen. Ich habe die Praxis vor vier Jahren von meinem Vorgänger übernommen und bei der Abrechnung keine Änderungen vorgenommen. Was steckt dahinter und wie soll ich auf das Schreiben reagieren?

Antwort von Rechtsanwalt Stäwen

Vertragsarztpraxen sind zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet, d. h. die verordneten Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die Einhaltung unterliegt der gesetzlich vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsprüfung (§§ 106 und 106b SGB V). Die Prüfung dieses Wirtschaftlichkeitsgebots erfolgt anhand von Prüfvereinbarungen, die zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den Kassenärztlichen Vereinigungen getroffen werden. Bei der Ausgestaltung der Prüfungen einschließlich des Prüfgegenstandes sind die regionalen Vertragspartner frei. Die Prüfmethode kann daher regional variieren. Die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen bilden jeweils gemeinsam eine Prüfungsstelle und einen Beschwerdeausschuss (§ 106c SGB V). Die Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt durch die Prüfungsstelle. Diese bereitet die erforderlichen Daten und Unterlagen auf, beurteilt sie und entscheidet. Gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle können alle Beteiligten wie z. B. Ärzt:innen den Beschwerdeausschuss anrufen.

Nachdem einer Vertragsarztpraxis der Prüfantrag zugestellt worden ist, fordert die Prüfungsstelle zu einzelnen auffälligen Gebührenpositionen oft praxisbezogene Stellungnahmen, Krankenblattauszüge, Behandlungsdokumentationen etc. an. Da Überschreitungen nach der Rechtsprechung i. d. R. nur durch Praxisbesonderheiten bzw. kompensatorische Einsparungen erklärt werden können, sollten bereits im Verfahren vor der Prüfungsstelle die praxisinternen Umstände der statistischen Auffälligkeiten so detailliert und schlüssig wie möglich dargelegt werden. Leider werden die erstinstanzlichen Verfahren von den Praxen aufgrund des Arbeitsaufwands oft nicht mit ausreichender Sorgfalt angegangen. Das kann dazu führen, dass die Prüfungsstelle kostenintensive Regresse und Honorarrückforderungen festsetzt. Zudem besteht die Gefahr, dass im ggf. anschließenden Gerichtsverfahren Praxisbesonderheiten mangels Verspätung nicht mehr berücksichtigt werden können. Daher sollte man bereits im Prüfverfahren auf medizinrechtliche Expertise zurückgreifen. Viele Rechtsschutzversicherer übernehmen die Kosten der Prüfverfahren vor den Prüfungsstellen und Beschwerdeausschüssen.

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Autor

© Björn Stäwen
Björn Stäwen, LL. M.

Fachanwalt für Medizinrecht, kwm rechtsanwälte – Kanzlei für Wirtschaft und Medizin PartG mbB
Lehrbeauftragter der Universität Münster im Masterstudiengang Medizinrecht für den Bereich Vertragsarztrecht

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (8) Seite 62