Bei der rechtlichen Einordnung eines Sachverhalts kommt es häufig auf die korrekte Wortwahl an.

So ist es auch bei den Begrifflichkeiten Probearbeit, Probezeit und Einarbeiten. Was auf den ersten Blick ähnlich klingt, ist aus juristischer Sicht ganz unterschiedlich einzuordnen.

Sie möchten in Ihrer Hausarztpraxis potenziellen Mitarbeiter:innen die Gelegenheit geben, den Betrieb näher kennenzulernen? Dann scheint es auf den ersten Blick eine gute Lösung, diese Person einfach einen oder mehrere Tage "Probearbeiten" zu lassen. So kann man sich schließlich recht gut gegenseitig kennenlernen. Das Wort Probearbeit klingt ja auch recht harmlos. Aber aufgepasst! Probearbeit bedeutet regelmäßig auch Arbeitsverhältnis − und Arbeitsverhältnis bedeutet Tarif- bzw. Mindestlohn und natürlich die Meldung zur Sozialversicherung. Das ist in diesen Fällen seitens des Unternehmens nicht gewollt und wird von den meisten Bewerber:innen auch nicht erwartet. Jedoch ist sich oft keine der beiden Seiten der hier bereits beginnenden Verantwortung als Arbeitgeber:in bzw. Arbeitnehmer:in bewusst. Darauf kommt es aber gar nicht an! Es kann dennoch bereits ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sein.

Richtig problematisch wird es in den Fällen, in denen Arbeitnehmer:innen juristisch besser geschult sind als die sie beschäftigende Arztpraxis. Dazu ein Beispiel: Nachdem eine Bewerber:in im Rahmen der Probezeit eindrucksvoll gezeigt hat, dass sie keine ausreichenden Qualitäten für den angestrebten Job besitzt und deshalb ohne schriftlichen Arbeitsvertrag nach Hause geschickt wird, verweist diese auf die Existenz eines bereits mündlich zustande gekommenen Arbeitsvertrages und das zu Recht! Durch die verabredete Probearbeit wurde ein Arbeitsverhältnis begründet. Zwar nur mündlich und nicht schriftlich, aber das genügt bereits. Wenn nun die von der bisherigen Arbeitsleistung der Jobanwärter:in enttäuschte Arztpraxis ihre Probearbeiter:in loswerden möchte, muss das Arbeitsverhältnis gekündigt werden. Das geht i. d. R. nur über eine ordentliche, also fristgemäße Kündigung. Da eine Probezeit nicht verabredet war, beträgt die Kündigungsfrist per Gesetz vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Monats. Findet die Probearbeit also z. B. am 20. und 21. eines Monats statt, bliebe nur eine Kündigung zum Ende des darauf folgenden Monats. Wegen des einen vollen Monats, den das Arbeitsverhältnis bestanden hat, stünde der Arbeitnehmer:in auch noch ein Urlaubsanspruch von 1/12 des Jahresurlaubs zu.

Merke: Probearbeit stellt in vielen Fällen ein Arbeitsverhältnis dar. Die fehlende Schriftform ändert daran nichts. Das Arbeitsverhältnis muss dann unter Umständen (schriftlich) gekündigt werden, und zwar unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Deshalb besser keine Probearbeit vereinbaren!

"Einfühlungsverhältnis": einfacher als es klingt

Lediglich dann, wenn sich diese potenzielle Bewerber:in trotz Arbeitspflicht — es besteht ja ein Arbeitsvertrag —nicht mehr beim Unternehmen meldet, kommt die Praxis um die sie ansonsten treffende Pflicht zur Vergütung der Arbeitnehmer:in herum. Was also tun? Wer Bewerber:innen daraufhin überprüfen möchte, ob sie zum eigenen Unternehmen passen und umgekehrt, der macht etwas, das sich vielleicht umständlich anhört, aber rechtlich einwandfrei ist: Das wechselseitige Kennenlernen als Vorstufe zu einem etwaig späteren Arbeitsverhältnis nennt die Jurist:in, genauer die Arbeitsrechtler:in, ein "Einfühlungsverhältnis". Vorteile eines solchen Vorgehens: kein Arbeitsverhältnis, kein Mindestlohn, keine Meldung zur Sozialversicherung. Wenn es dann nicht passen sollte, trennen sich die Wege. Eine individuell anpassbare Vorlage für eine entsprechende Vereinbarung findet man z. B. bei Google. Bei der Suche danach reichen drei Worte: Einfühlungsverhältnis – Muster – ETL.

Achtung: Einfühlen heißt kennenlernen und das geht nicht, wenn die Bewerber:in in einen Dienstplan eingetragen wird und reguläre Arbeit leisten muss. Denn dann haben wir es wieder mit einem Arbeitsverhältnis zu tun, und das ist regelmäßig in dieser Situation nicht gewollt.

Praktikum als Alternative?

Das Praktikum stellt eine gute Alternative zur Probearbeit dar. Auch das Praktikum vermeidet die Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Aber: Das Praktikum darf kein Arbeitsverhältnis "verbergen", d. h. auch hier scheidet eine Eintragung in den Dienstplan ebenso aus wie allgemein eine wirtschaftlich relevante Tätigkeit, möglicherweise sogar über mehrere Tage hinweg.

Merke: Statt eines Einfühlungsverhältnisses kann auch ein Praktikumsverhältnis begründet werden.

Überschätzt: Probezeit

Der einzige nennenswerte Vorteil einer Probezeit ist die in dieser Zeit bestehendende Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis innerhalb einer recht kurzen Frist beenden zu können. Nach dem Gesetz beträgt die Kündigungsfrist 14 Tage. Die Kündigung kann zum Ende eines jeden Tages ausgesprochen werden. Im Vergleich dazu beträgt die Kündigungsfrist für den Fall, dass keine Probezeit vereinbart wurde, vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Monats. Also kein großer Unterschied, sondern nur einige Tage.

Und was ist mit dem Kündigungsschutz? Mit dem Kündigungsschutz hat die Probezeit rein gar nichts zu tun. Das weiß jeder, der z.B. einmal das Problem hatte, einer schwanger gewordenen Mitarbeiterin in der Probezeit kündigen zu wollen. Oder einer Mitarbeiterin, die im bereits schwangeren Zustand ihren ersten Arbeitstag hatte. Einer Schwangeren kann man grundsätzlich nicht kündigen. Probezeit hin, Probezeit her.

Merke: Die rechtliche Bedeutung der Probezeit wird überschätzt. Auch kündigungsrechtlich ist die Probezeit weitgehend bedeutungslos.

Los geht´s mit dem Einarbeiten!

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Einarbeiten von neuen Arbeitnehmer:innen in Ihrem Unternehmen. Viele wissen es, manche sind sich aber vielleicht auch nicht ganz so sicher: Das Einarbeiten ist nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses möglich und rechtfertigt unter keinen Umständen eine Vergütung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns bzw. unterhalb eines etwaig anzunehmenden Arbeits- bzw. Tarifentgelts!

Dass die Einarbeitung der Arbeitgeber:in Zeit und Kraft kostet, ist klar. Ändert aber nichts am Gesagten. Die neuen Mitarbeiter:innen arbeiten in dieser Zeit und haben dann auch einen Anspruch auf die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Vergütung.



Autor

© privat
Dr. Uwe P. Schlegel

Rechtsanwalt und Dozent,
Geschäftsführer der ETL Rechtsanwälte GmbH

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (11) Seite 52-53