Die Suche nach qualifizierten nichtärztlichen Mitarbeitenden in den 102.000 Arzt- und Psychotherapiepraxen sowie die Bindung geeigneten Personals stellt die Praxisinhaber:innen in Deutschland vor immer größere Herausforderungen. Das zeigt eine Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Ein wesentliches Problem ist, dass in Krankenhäusern oft eine bessere Bezahlung winkt.

In den rund 100.000 deutschen Arzt- und Psychotherapeutenpraxen arbeiten derzeit mehr als 400.000 Medizinische Fachangestellte (MFA). Doch die Fluktuation ist hoch, laut der Zi-Umfrage kündigen 65 % der MFA in den ersten 5 Jahren, und auch selbst ausgebildetes Personal zieht es oft weiter, selbst wenn die MFA ein Übernahmeangebot erhält. Das heißt, viele Praxen sind eigentlich ständig auf der Suche nach neuem Personal. So hielt jede zweite Praxis (50,2 %) in den Jahren 2019 und 2020 nach neuem Personal Ausschau, ergab die Zi-Umfrage.

Suche bleibt oft ohne Erfolg

Immer öfter aber bleibe diese Suche erfolglos, hat das Zi herausgefunden. So gaben 94 % der Praxen an, die Verfügbarkeit von qualifizierten MFA auf dem Arbeitsmarkt sei schlecht oder sehr schlecht. 46 % der befragten Praxen machten die Erfahrung, dass sich erst gar keine Bewerber:innen auf ihre Stellenausschreibung meldeten, und bei 52 % waren die Bewerber:innen einfach nicht ausreichend qualifiziert für den Beruf.

Und das hat bereits Konsequenzen: Aufgrund von Personalmangel hätten bereits rund 15 % der Praxen ihr Leistungsangebot zeitweise begrenzt. 30 % der Praxen, die in den vergangenen zwei Jahren Personal suchten oder angestellt hatten, mussten zudem delegierbare Leistungen einschränken. Im Schnitt reduzierten die Praxen 2019 und 2020 ihren Leistungsumfang wegen fehlenden nichtärztlichen Personals laut Zi um 14,1 Wochen pro Praxis.

Hausärzt:innen bilden oft selbst aus

Die Rekrutierung geeigneten Personals ist und bleibt für die Praxisinhaber:innen also eine Herausforderung. Vor allem Hausärzt:innen versuchen dem Problem damit zu begegnen, dass sie selbst MFA ausbilden. Laut Zi-Erhebung tun dies 68 % der Hausarztpraxen und damit deutlich mehr als die spezialistischen Kolleg:innen mit rund 50 %. Wichtigster Grund für die Ausbildung sei dabei die Qualifizierung von Personal, das langfristig in der eigenen Praxis eingesetzt werden soll. Doch auch das klappt nur bedingt, denn laut Zi wandert auch etwa ein Viertel des selbst ausgebildeten Personals bald ab, entweder in eine andere Praxis (37,3 %) oder in eine Klinik (18,7 %). Langjährige Mitarbeiter:innen seien zwar eher seltener wechselbereit, doch auch hier kündigen rund 11 % ihre Stelle, weil es sie an eine Klinik zieht.

Krankenhäuser im Vorteil

Immer häufiger machen Krankenhäuser das Rennen um die gut ausgebildeten nichtmedizinischen Fachkräfte. Denn dort wird meist besser bezahlt. Das wissen auch die niedergelassenen Ärzt:innen. Um ihre Fachkräfte zu binden, haben knapp drei Viertel der vertragsärztlichen Praxen ihrem angestellten Personal Sonderzahlungen und Zuschläge gewährt. Dafür haben die Praxisinhaber:innen durchschnittlich jeweils 4.400 € pro Jahr aufgewendet, meldet das Zi. Während der Corona-Pandemie seien zudem von über zwei Dritteln der Vertragsarztpraxen steuerfreie "Corona-Sonderzahlungen" in Höhe von durchschnittlich 856 € je nichtärztlichem Mitarbeitenden pro Praxis ausbezahlt worden.

Die ZiPP-Erhebung
Die Umfrage des Zi fand im ersten Halbjahr 2021 per Online-Fragebogen im Rahmen der jährlichen ZiPP-Erhebung statt. Von den gut 53.000 angeschriebenen Praxen haben fast 5.300 Praxisinhaber:innen Angaben zur Sonderbefragung "Personalsituation in Praxen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung" gemacht. Damit beteiligten sich etwa 9,8 % der angeschriebenen Praxen, die auf Basis einer Stichprobe aus der Grundgesamtheit ausgewählt wurden.

Letztlich sitzen die Kliniken aber doch am längeren Hebel. Denn seit Jahren steigt der sogenannte Orientierungswert und damit der Preis pro Leistung für Krankenhäuser stärker als der für Vertragsarztpraxen. Zwischen 2016 und 2020 ist dieser für Krankenhäuser um 15,02 % gestiegen, für Vertragsarztpraxen lediglich um 6,96 %, beschreibt der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried die Realität. Für das Jahr 2021 habe sich dies unvermindert fortgesetzt, so von Stillfried weiter: "Für Kliniken beträgt der Anstieg 2,6 %, für Kassenarztpraxen lediglich 1,25 %. Die Preise für stationäre Leistungen werden dann seit 2016 um 18,63 %, die für vertragsärztliche Leistungen nur um 8,30 % gestiegen sein."

Vergütungsschere muss geschlossen werden

Somit sei es kein Wunder, dass es Krankenhäusern leichter falle, höhere Tarifgehälter etwa für Medizinische Fachangestellte zu zahlen. Deshalb dürfe sich die Politik nicht nur um die Personalknappheit in den Kliniken kümmern, sondern müsse jetzt endlich dazu beitragen, Abwanderung aus den Praxen zu stoppen, so von Stillfried. Werde nicht zugunsten der Vertragsarztpraxen nachgesteuert und die Vergütungsschere zwischen Klinik und Praxis geschlossen, drohten auch für Patient:innen spürbare Engpässe in den Praxen, die jährlich mehr als 90 % der gesetzlich Versicherten behandeln.



Autor
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (10) Seite 32-33