Als die ersten Berichte über die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und NRW im Fernsehen zu sehen sind, fühlt man sich an die Schreckensbilder aus einem weit entfernten Krisengebiet erinnert: Dörfer sind komplett dem Erdboden gleichgemacht, Häuser und Straßen einfach weggerissen. Auch Wochen danach liegt überall noch Schutt und Schlamm. Lange Zeit ist nicht klar, wie viele Menschen in den Fluten ihr Leben lassen mussten. Vor den Trümmern ihrer Existenz stehen nicht nur die dort ansässigen Familien, sondern auch die medizinischen Einrichtungen wie Arztpraxen, Apotheken und Kliniken.

Hausärzt:innen und MFA, die persönlich betroffen sind, sind das meist gleich mehrfach: Morgens wird gemeinsam in der Praxis geackert und nachmittags kämpft jeder zu Hause in der eigenen Ruine weiter. Denn wer auf dem Land arbeitet, lebt oft auch in der Region. Neben technischen Gerätschaften sind auch Patientenakten bzw. Festplatten vernichtet worden, was künftig die Arbeit zusätzlich erschwert.

Menschen, die in höchster Not Leib und Leben retten konnten, stellen jetzt fest, dass auch wichtige Medikamente verloren gegangen sind. Was aber tun, wenn nicht nur die örtliche Hausarztpraxis weggeschwemmt wurde, sondern auch das Auto, um ins Nachbardorf fahren zu können – und vielleicht auch die Brücke, die man dorthin überqueren müsste?

Nicht nur die wirtschaftlichen, auch die gesundheitlichen Folgen sind kaum absehbar: Neben einer möglichen Zunahme an Infektionskrankheiten vor Ort sind auch Ausfälle in der Belegschaft durch die Überlastung sowie eine allgemeine Zunahme an psychisch assoziierten Erkrankungen denkbar. Direkt nach der Katastrophe waren insgesamt 135 Praxen nicht mehr oder nur bedingt arbeitsfähig. In der Region Nordrein waren rund 105 Arztpraxen betroffen. Mittlerweile haben sich in Rheinland-Pfalz 36 Arztpraxen (Stand: Ende Juli) aufgrund der Flutschäden aus dem System abgemeldet, hier werden sich die Türen für die Patient:innen nicht mehr öffnen.

Aber nicht minder beeindruckend ist auch die Solidarität, die uns jetzt alle vereint. Dazu gehören die vielen Helfer:innen vor Ort, die fleißig Hand anlegen. Landwirtschaftliche Betriebe und Bauunternehmen stellen schweres Gerät sowie Personal zur Verfügung. Andere bieten ihre Ferienwohnung an oder Kost & Logis in ihren Hotelanlagen. Wer in den sozialen Medien aktiv ist, teilt Hilfsangebote wie kostenfreies Mittagessen, Duschmöglichkeiten im Fitnessstudio oder mobile Waschsalons. Beide Bundesländer haben Soforthilfen an den Start gebracht, die auch für Arztpraxen einschlägig sind. Die ersten Spendengelder sollen in den nächsten Tagen verteilt werden.

Hausärzt:innen, die ihre Kolleg:innen vor Ort unterstützen wollen, können sowohl finanziell helfen, als auch durch Sachspenden wie z. B. med. Gerätschaften. Unter folgendem Link haben wir entsprechende Infos aufbereitet.



Autorin

Sabine Mack

Redakteurin doctors|today

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (8) Seite 5