Die zentrale Rolle und Bedeutung der Allgemeinmedizin in der Versorgung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestärkt worden. Das Förderprogramm wird sehr gut angenommen, die Koordinierungsstellen unterstützen die Weiterbildung und die Kompetenzzentren steigern das Ansehen der Allgemeinmedizin auch über den universitären Rahmen hinaus.

Und doch werden immer wieder utilitaristische Ansätze und Zwangsmaßnahmen gefordert und teilweise umgesetzt, um die hausärztliche Versorgung insbesondere im ländlichen Raum sicherzustellen – wobei es auch bereits im großstädtischen Raum Stadtteile gibt, die dasselbe Problem haben. In aller Munde ist zurzeit die Landarztquote, aus meiner Sicht ein falsches Signal: Damit wird eine allgemeinmedizinische ärztliche Tätigkeit im ländlichen Raum degradiert, sie ist mit einem Zwang belegt und wird primär als eigentlich unattraktiv stigmatisiert. Welcher Studienanfänger kann für sich schon die Frage beantworten, was und wo sie oder er 12 bis 15 Jahre später ärztlich arbeiten möchte?

Was wir stattdessen brauchen, sind Signale für die Attraktivität der Allgemeinmedizin. Denn genau das ist sie – unabhängig von der Region, in der sie ausgeübt wird. Zu dieser Tätigkeit muss niemand verpflichtet werden.

Zielführender sind normative Ansätze. Bereits im humanmedizinischen Studium wird der hohe Stellenwert und die Faszination der Allgemeinmedizin vermittelt, moderne Konzepte wie OSCE und Rural-and-Remote-Programme unterstützen dabei und begeistern für eine spätere hausärztliche Berufsausübung. In der Weiterbildung fördern strukturierte Programme mit Mentoring, Feedback und Zusatzmodulen angehende Allgemeinärzte. Danach gilt es, die Arbeitsbedingungen vor Ort, insbesondere im ländlichen Raum, an die Bedürfnisse der jungen Allgemeinärzte anzupassen und einen flexiblen Einstieg in die hausärztliche Versorgung zu ermöglichen. Ich halte dabei Team-, Delegations- und Kooperationsmodelle unter Nutzung digitaler Möglichkeiten für sinnvoll. Junge Ärztinnen und Ärzte erwarten, dass sie sich in ihrer Tätigkeit auf die ärztlichen Aufgaben und Kernkompetenzen konzentrieren können. Dies gelingt am ehesten in kooperativen Teamstrukturen.

Die Allgemeinmedizin nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten in den vergangenen Jahren hat dafür gesorgt, dass die Allgemeinmedizin unter angehenden Ärztinnen und Ärzten stärker in den Fokus gerückt ist. Feedback und Teamarbeit statt Zwang und Dauerstress – wir können zeigen und vorleben, dass die Allgemeinmedizin Freude macht und attraktiv ist. Damit ist die Allgemeinmedizin ein Vorbild auch für alle anderen!



Autor:

Dr. med. Henrik Herrmann

Präsident der Landesärztekammer Schleswig-Holstein
23795 Bad Segeberg

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (2) Seite 5