Hohes Lebensalter ist assoziiert mit einem schwereren Verlauf einer COVID-19-Infektion. Gleichzeitig steigt das Risiko einer Hypertonie mit dem Lebensalter an. Doch inzwischen weiß man, dass Bluthochdruck auch ein unabhängiger Risikofaktor ist. Gilt das auch für die Behandlung mit Antihypertensiva?
Die COVID-19-Pandemie ist auch in den deutschen Hausarztpraxen nach wie vor ein prominentes Thema. Trotz mittlerweile erprobter Hygiene- und Sprechstundenkonzepte wird die Pandemie die Versorgungsrealität der Patient:innen nachhaltig verändern. Bald nach dem Auftreten erster COVID-19-Fälle im Frühjahr 2020 stellte sich in Beobachtungsstudien heraus, dass einige Komorbiditäten wie z. B. die arterielle Hypertonie ebenso wie ein Diabetes mellitus oder kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung mit einer ungünstigeren Prognose assoziiert sind [1]. Die Prävalenz der arteriellen Hypertonie in Deutschland ist insgesamt hoch – ca. jeder dritte Deutsche ist betroffen – und nimmt insbesondere mit steigendem Lebensalter weiter zu. Trotz verfügbarer Therapien (Lebensstilmaßnahmen, Medikamente) liegt die Rate einer gut eingestellten Hypertonie (Praxisblutdruck < 140/90 mmHg) in Deutschland bei nur knapp 50 % [2]. Ein hohes Lebensalter ist unabhängig von Komorbiditäten mit einer erhöhten Mortalität bei COVID-19-Erkrankungen assoziiert. Aufgrund der mit höherem Lebensalter ansteigenden Prävalenz der arteriellen Hypertonie ist die Bewertung selbiger als unabhängiger Risikofaktor für einen schwereren Krankheitsverlauf schwierig, wenngleich möglicherweise existente hypertensiv bedingte Endorganschäden an beispielsweise Herz oder Niere potenziell zu einer höheren Sterblichkeit beitragen könnten.
Das Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2) wurde als Co-Rezeptor bei der Interaktion des Spike-Proteins des SARS-CoV2-Virus mit der Wirtszelle identifiziert und ist dadurch an der Aufnahme des Virus in die Zelle beteiligt. Da eine antihypertensive Medikation mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Typ-1-Rezeptor-Blockern (ARB) zur vermehrten Exprimierung von membranständigem ACE2 auf Pneumozyten, Kardiomyozyten und Endothelzellen sowie im Nierenparenchym führt, bestand die Sorge, dass hieraus eine erhöhte Anfälligkeit für das SARS-Coronavirus 2 resultiert. Begleitet wurde diese Befürchtung von der beobachteten erhöhten Mortalität von Hypertonie-Patient:innen im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung.
Arterielle Hypertonie: Ein Risikofaktor für erhöhte Mortalität bei COVID-19-Erkrankungen?
Dass Menschen mit Bluthochdruck ein erhöhtes Risiko aufweisen, im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung zu versterben, zeigen hochrangig publizierte Observationsstudien [3]. Diese Patient:innen weisen erhöhte proinflammatorische Zytokinspiegel auf [4], die möglicherweise mitursächlich für die erhöhte Mortalität sind. Hierbei scheint insbesondere ein unbehandelter Hypertonus mit einem erhöhten Risiko für schwere COVID-19-Verläufe assoziiert zu sein [3]. Die Daten einiger Untersuchungen lassen vermuten, dass sich das gesteigerte Risiko für schwerere Krankheitsverläufe zumindest partiell durch eine Therapie mit ACE-Hemmern oder ARB egalisieren lassen könnte [4]. Unklar ist hierbei jedoch, ob der in Studien beobachtete Überlebensvorteil durch diese Therapie tatsächlich auf einen spezifischen, positiven Effekt dieser Medikamentengruppe zurückzuführen ist oder ob die zielgerichtete Behandlung des arteriellen Hypertonus für den günstigeren Verlauf verantwortlich ist.
Die Anwendung von ACE-Hemmern und ARB ist auch bei COVID-19-Erkrankung sicher
Die medikamentöse Beeinflussung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) durch ACE-Hemmer und ARB kann zu Veränderungen der ACE2- und Angiotensin(ANG)-II-Konzentrationen führen. Letzteres wird durch ACE2 aus ANG I gespalten und bewirkt nach Bindung an den Typ- 1-Angiotensin-Rezeptor (AT1R) eine Vasokonstriktion, Verstärkung von inflammatorischen Prozessen und Fibrosierung (s. Abb. 1).
Hieraus resultierten viele Unsicherheiten hinsichtlich der Bedeutung einer antihypertensiven Therapie mit RAAS-Inhibitoren für die Schwere der Krankheitsverläufe bei COVID-19 und die Therapie wurde früh kritisch hinterfragt.
Mit den beiden randomisierten Studien REPLACE COVID und BRACE CORONA liegen mittlerweile fundierte Daten zu COVID-19 mit leichtem bis moderatem Krankheitsverlauf und der fortgeführten antihypertensiven Therapie mit ACE-Hemmern/ARB vor [5, 6]. Ein negativer Effekt der medikamentösen Hypertonustherapie mit diesen Substanzklassen konnte hier nicht nachgewiesen werden. Tatsächlich zeigt eine Subgruppenanalyse der BRACE-Studie, dass Patient:innen mit stärkeren Krankheitssymptomen bei Einlieferung ins Krankenhaus (SO2 < 94 % und moderater Krankheitsverlauf innerhalb der ersten 24 h) von der Fortsetzung der antihypertensiven Therapie mit ACE-Inhibitoren/ARB profitieren [6]. In einer zusätzlichen Metaanalyse von 52 Studien mit insgesamt 101.949 an COVID-19 erkrankten Patient:innen wurde für Patient:innen, die mit einem ACE-Hemmer oder ARB therapiert wurden, gegenüber solchen, die diese Medikamente nicht erhielten, ein signifikant niedrigeres Risiko für Mortalität und schwere Krankheitsverläufe gezeigt [7]. Auch die European Society of Hypertension (ESH) empfiehlt in einer Stellungnahme die Fortführung der antihypertensiven Medikation ungeachtet der verwendeten Substanzklasse [8].
Impfberatung: Risiko Hypertonie?
Bestimmte Krankheitsentitäten wie COPD oder das Vorliegen von Risikofaktoren wie ein höheres Lebensalter führten zu einer Vorrangstellung bei der Impfpriorisierung in Deutschland. In Zeiten, in denen Impfstoff ungebraucht verworfen wird, stellt sich weniger die Frage einer Impfpriorisierung für Hypertoniker:innen, sondern vielmehr die Frage, mit welchem Nachdruck eine Impfung empfohlen werden sollte. Unabhängig von den gültigen STIKO-Empfehlungen bezüglich einer COVID-19-Impfung [9], die insbesondere bei ausgeprägten hypertensiven Endorganschäden vermutlich einen noch höheren Nutzen aufweist, betont die Deutsche Hochdruckliga (DHL), dass eine adäquate Blutdruckeinstellung in jedem Fall als wichtige Risikofaktormodulation durchgeführt werden sollte. Zur Verbesserung der Therapieadhärenz ist die Verordnung von Wirkstoffkombinationen im Rahmen eines Single-Pill-Konzeptes zu empfehlen [10].
Zusammenfassung
Die Prävalenz der arteriellen Hypertonie nimmt bei älteren Patient:innen zu. Bleibt der Hypertonus unbehandelt, scheint dies nach aktueller Datenlage ein unabhängiger Risikofaktor für eine schlechtere Prognose mit schweren Krankheitsverläufen und einer erhöhten Mortalität bei COVID-19-Erkrankungen zu sein. Bei suffizient therapierten Hypertonie-Patient:innen ist die Datenlage diesbezüglich weniger deutlich. Es kann die klare Empfehlung ausgesprochen werden, eine bestehende antihypertensive Medikation fortzuführen, sofern eine Unterbrechung nicht aus anderen Gründen indiziert ist. Dies gilt ausdrücklich auch im Falle einer akuten COVID-19-Erkrankung und auch für eine antihypertensive Medikation mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Typ-1-Rezeptor-Antagonisten, für die in randomisierten Studien kein negativer Effekt auf die Verläufe von COVID-19-Erkrankungen gezeigt wurde.
- Patient:innen mit Hypertonie sind gefährdeter, an einer COVID-19-Infektion zu versterben.
- Antihypertensiva sind kein Risikofaktor bei COVID-19.
- Die Behandlung einer Hypertonie kann die Prognose bei COVID-19 verbessern.

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (3) Seite 44-47