Die postoperative Wundversorgung ist einer der wichtigsten Bereiche in der Operationsnachsorge. Das Wundmanagement beginnt schon im Op. und zieht sich über den kompletten Genesungsprozess hin. Je nach Stadium der Wunde sind unterschiedliche Maßnahmen gefragt.

Eine Operationswunde ist eine Gewebetrennung der Hautschichten oder der organischen Strukturen. Im Anschluss eines operativen Eingriffs versucht der Körper, diesen Defekt der Gewebedurchtrennung durch eine Defektheilung wieder zu verschließen. Dieser Prozess wird auch primäre Wundheilung (per primam) genannt.

Verlauf der Wundheilung

Die Wundheilung ist ein komplexer biologisch-chemischer Vorgang, der in mehreren, sich überschneidenden Phasen verläuft (Abb. 1) [1].

Die Exsudationsphase (auch Entzündungs-, Inflammations- oder Reinigungsphase) beginnt unmittelbar nach der Wundsetzung. Durch den Austritt von Wundsekret kommt es zunächst zu einer Reinigung der Wunde und zu einem vorläufigen Verschluss mit einem sogenannten "Fibrinnetz".

Die Granulationsphase (auch proliferative Phase) beginnt circa 24 Stunden nach der Entstehung der Wunde und erreicht innerhalb von 72 Stunden ihr Maximum. In dieser Phase entsteht neues Gewebe, das die Wunde sowohl von den Wundrändern als auch vom Wundgrund zunehmend auffüllt.

Die Reparative Phase (auch Regenerations-, Reparations- oder Epithelisierungsphase) beginnt nach drei bis vier Tagen und kann mehrere Wochen dauern. In dieser Phase bildet sich über dem Granulationsgewebe eine neue Hautschicht, die aus Epithelzellen besteht. Durch die Epithelisation wird die Wunde geschlossen. Als Ergebnis aller Vorgänge entsteht eine Narbe. Bis diese "ausgereift" ist und sich optisch nicht mehr verändert, können ein bis zwei Jahre vergehen. Diese Phase wird Narbenreifungs- oder Remodellierungsphase genannt.

Optimale Wundheilung

Für eine ungestörte Wundheilung ist – neben der infektionsfreien Wunde – auch die Vermeidung mechanischer Belastungen eine wichtige Voraussetzung. Der Operateur bemüht sich deshalb stets, die Wunde möglichst spannungsarm zu verschließen, denn infizierte Wunden oder Wundflächen, die unter ständigem Zug stehen beziehungsweise Spannungen ausgesetzt sind, heilen schlechter.

Der Wundverband

Wann und wie wird der Verband gewechselt?

Die primär verschlossene, nicht sezernierende Operationswunde wird am Ende der Operation mit einer geeigneten Wundauflage (Wundschnellverbände-Pflaster) für mindestens
48 bis 72 Stunden steril abgedeckt. Dieser Verband schützt die Wunde vor Verunreinigungen und nimmt Blut und Wundsekret während der ersten nachoperativen Heilungsphase auf. Sollte es zu einer vermehrten Durchfeuchtung, Verschmutzung oder Lageverschiebung kommen, muss man den Verband sofort wechseln.

Im weiteren Wundheilungsverlauf wird die Wunde bis zur Nahtmaterial-Entfernung steril abgedeckt. Dabei ist ein zwei- bis dreitägiges Verbandswechsel-Intervall empfohlen.

Vorgehen beim Verbandswechsel

Bei allen Wunden, auch bei der Entfernung von Nahtmaterial, sollte entweder die No-Touch-Technik zur Anwendung kommen oder mit sterilen Handschuhen gearbeitet werden [2]. Die benötigten Utensilien (Pinzette, Kompressen, gegebenenfalls Spüllösung) sollte man immer auf einer zuvor wischdesinfizierten Arbeitsfläche vorbereiten.

Durchführung

  • 30 Sekunden lang hygienische Händedesinfektion →sowohl die durchführende als auch die assistierende Person
  • Gegebenenfalls Schutzkleidung anlegen →Mund-Nasen-Schutz, Schürze, Handschuhe
  • Entfernung des alten Verbandes inklusive Klebereste sowie Begutachtung des Verbands →Exsudatmenge, -farbe und -geruch geben wichtige Hinweise auf das Heilungsstadium →anschließend Verband und Handschuhe direkt in den Abwurfbehälter entsorgen
  • Erneute Händedesinfektion für 30 Sekunden
  • Wundinspektion vornehmen →hier vor allem auf Infektionszeichen wie Rötung, Schwellung, Schmerz und Überwärmung achten
  • Die Wundreinigung sollte entweder mit unsterilen Handschuhen und sterilen In-strumenten oder mit sterilen Handschuhen erfolgen
  • Beim Einsatz eines Desinfektionsmittels, z. B. Octenisept®, muss die zu desinfizierende Fläche satt benetzt sein →Wischdesinfektion ist gegenüber einer Sprühdesinfektion zu bevorzugen →Einwirkzeit beachten!
  • Danach prüfen, ob ein weiterer Verband erforderlich ist →frisches Verbandsmaterial auflegen
  • Handschuhe in Abwurfbehälter entsorgen und abschließend eine hygienische Händedesinfektion für 30 Sekunden durchführen
  • Arbeitsfläche mit alkoholischer Flächendesinfektion abwischen
  • Dokumentation des Verbandswechsels in der Patientenakte

Nahtmaterialentfernung: der richtige Zeitpunkt

Der nächste Schritt zur Heilung einer Wunde wird vor allem bei der Entfernung des Nahtmaterials deutlich [3].

Wann kann Nahtmaterial entfernt werden?

Hautklammern werden gezogen, wenn die Wunde ausreichend fest verheilt ist. Gleiches gilt für die Fädenentfernung. Der Zeitpunkt der Entfernung hängt von der Operation, der Lokalisation der Wunde und anderen individuellen Faktoren ab (Abb. 2) [3]. Grundsätzlich legt der Operateur fest, wann das Nahtmaterial entfernt wird.

Duschen

Wann dürfen Patienten mit einer Operationsnaht duschen [4]? Die Vorschriften sind heute nicht mehr so streng wie noch vor einigen Jahren. Das nach 24 – 72 Stunden gebildete Granulationsgewebe stellt eine Keimbarriere dar und schützt die Wunde vor einer Infektion.

Ein frisch operierter Patient darf 48 Stunden nach dem Eingriff duschen, wenn er sich dementsprechend fühlt und der Kreislauf stabil ist (Abb. 3) [4]. Da in Deutschland das Leitungswasser in der Regel sehr keimarm ist, kann man nach vorsichtiger Einschätzung von einem geringen Infektionsrisiko für einen gesunden Menschen ausgehen.

Beim Verwenden eines Duschgels sollte man darauf achten, dass es pH-hautneutral ist. Zusätzlich kann man ein wasserabweisendes Pflaster benutzen. Damit ist die Naht geschützt und nichts kann ungewollt nass werden. Baden sollte man allerdings wirklich erst, wenn das Nahtmaterial entfernt wurde. Saunagänge sind bis zum Abschluss der Wundheilung nicht erlaubt.

Sport, Belastung, Aktivität

Ab wann kann der Patient wieder Sport treiben?

Der Zeitpunkt, ab wann der Wundpatient wieder fit ist für sportliche Aktivitäten, hängt von vielen Faktoren ab und wird in der Regel vom Operateur festgelegt. Für eine gute Wundheilung ist es wichtig, dass die Wunde nicht zu früh belastet wird.

Die wichtigsten Hinweise

Arzt und Patient sollten hinsichtlich der sportlichen Belastung gemeinsam folgende Grundsätze beachten:
  • Belastung nur bis zur Schmerzgrenze
  • Reduzierung eventuell noch verordneter Schmerzmittel in Absprache mit dem Arzt
  • Spazierengehen und normale tägliche Bewegungen sind immer zu empfehlen
  • Dauerlauf, Schwimmen und sportliches Fahrradfahren sind je nach Operation und Schmerzen meist nach zwei bis drei Wochen wieder möglich
  • Nach Operationen am Bauch sollte sicherheitshalber für mindestens vier Wochen nicht mehr als zehn Kilo Gewicht gehoben werden
  • Nach Operationen im Schulter-, Rücken- und/oder Fußbereich sollte man besondere Vorsicht walten lassen, da diese Regionen beim Sport ständig bewegt werden

Kommt es zum Beispiel zu dauerhaftem Druck auf die Wunde oder zu Spannungen beziehungsweise zu Zug an den Wundnähten, kann dies, wie erwähnt, die Wundheilung beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall können die Wundränder auseinanderklaffen (Dehiszenz) und eine weitere chirurgische Versorgung notwendig machen.

Ernährung

Essen und Trinken hält nicht nur Leib und Seele zusammen, sondern unterstützt die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen. Eine gesunde Ernährung ist somit ein wichtiger Faktor für die Wundheilung. Fehlen dem Körper durch einseitige und unausgewogene Nahrung wichtige Nährstoffe, kann es zur Fehl- bzw. Mangelernährung kommen.

Um den Stoffwechsel, die Durchblutung und demzufolge auch die Wundheilung zu unterstützen, ist die ausgewogene Zufuhr von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen sowie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen wichtig (Abb. 4) [5].
Der Patient sollte zusätzlich auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.

Narbenpflege

Was kann der Patient tun, damit die Narbe unauffälliger wird?

Viele Narben heilen bei guter Wundheilung und entsprechender Veranlagung ohne zusätzliche Maßnahmen gut zu beziehungsweise ab. Um die Narbenreifung zu beeinflussen und die Bildung eines guten Narbengewebes zu unterstützen, kann eine sogenannte Narbenmassage sinnvoll sein. Hierzu kann man sogenannte Narbensalben/Cremes verwenden.

Wann sollte man mit diesen Maßnahmen anfangen?

Nach der Entfernung des Nahtmaterials, etwa 10 – 14 Tage nach der Operation, kann man mit Maßnahmen zur Besserung des Narbenbildes als auch zur Vermeidung überschießender Narbenbildung beginnen [6].

Komplikationen

Wie erkennt man eine Komplikation und/oder Infektion?

Die häufigsten Komplikationen von Wunden nach einer Operation sind Nachblutungen oder Infektionen. Eine Wundinfektion ist in der Regel auf das Eindringen von Bakterien zurückzuführen. Eindeutige Zeichen für eine Komplikation oder Infektion sind Rötung, Schwellung, Schmerzen und Überwärmung sowie der Austritt von Sekret wie Eiter. Häufig werden diese Zeichen durch Fieber und/oder Schüttelfrost begleitet. Hier sollte schnellstmöglich ein Wundabstrich mit Austestung auf Erreger und Resistenz erfolgen und gegebenenfalls der Operateur informiert werden [7]. Gemeinsam sollte man im Anschluss entscheiden, ob der Patient stationär aufgenommen werden muss oder ob der Hausarzt eine konservative beziehungsweise antibiotische Therapie zur Wundheilung einleiten kann.


Literatur
2. Beratungszentrum für Hygiene: Verbandwechsel (2019)
5. Wundzentrum Hamburg: Wundwissen einfach – praktisch: Informationen für Betroffene und angehörige
6. Frisch operiert – wie soll ich mich verhalten? Ratgeber zu häufigen Fragen zur Wundpflege: http://medizin.pr-gateway.de/frisch-operiert-wie-soll-ich-mich-verhalten/ ; Frankfurt 30.7.2014, eingesehen am 28.11.2019
7. S1-Leitlinie: Wunden und Wundbehandlung aktueller Stand: 09/2014 Seite 1 von 7 publiziert bei: AWMF-Register Nr. 006/129 Klasse: S1 Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie Wunden und Wundbehandlung; http://https://pdf4pro.com/view/wunden-und-wundbehandlung-awmf-org-2a46d4.html ; 006/129 eingesehen am 11.11.2019



Autor:

Janett Theuerkorn

MediClin Herzzentrum Coswig
06869 Coswig

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (5) Seite 23-26